The Stanley Parable: Eine Geschichte ist nicht genug

4. November 2013

So penibel ich darauf achte, mir alle potenziellen Hits der Spielegeschichte anzugucken, so hinke ich in einer Hinsicht hinterher: bei den Freeware-Mods. Diesmal traf mich die Genialität des “The Stanley Parable“-Remakes völlig unerwartet. Aber wozu gibt es sonst meinen unbestechlichen Hang zum Perfektionismus, wenn ich mir nicht einfach das Original gleich mit anschaue?

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Die zwei Türen: Der markante Beginn einer ungewöhnlichen Parabel.

Was ist die Stanley Parabel? Auf den ersten Blick orientiert sie sich an solch Interactive Novels wie “Dear Esther“ oder “Gone Home“. Es gibt keine Rätsel und keine Action, sondern nur eine Geschichte, die ihr durch simples Umherlaufen von einem Erzähler zu hören bekommt. Demnach seid ihr Stanley, ein Büroarbeiter, der an seinem Arbeitsplatz vor seinem Computer sitzt und die Tasten drückt, die sein Bildschirm ihm anzeigt.

Doch eines Tages passiert… nichts. Der Bildschirm bleibt leer, weshalb Stanley sein Büro verlässt und nach dem Rechten sieht. Er stellt fest, dass er sich anscheinend alleine im Gebäude aufhält. Angespornt von seiner Neugierde, peilt er das Konferenzzimmer an. Stanley stößt auf seinem Weg auf zwei offene Türen, weshalb der Erzähler das Folgende vorweg nimmt und trocken meint: “Stanley ging durch die linke Tür.“.

Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Geschichte, von der ich euch nichts weiter verraten möchte. Dank des Erzählers wisst ihr stets, was zu tun ist, und dadurch gelangt ihr auf diese Weise nach vielleicht zehn Minuten zum Finale. Danach wisst ihr, was passiert ist und seid glücklich – genau wie Stanley.

Fertig.

Achtung, Spoiler!

“Jetzt halt mal… das kann doch nicht alles sein?!? 10 Euro für ein zehnminütiges Interactive Novel?“. Tja… in der Tat steckt in “The Stanley Parable“ mehr drin. Und vermutlich ahnt ihr bereits, was der eigentliche Twist des Spiels ist: Was passiert, wenn ihr durch die rechte Tür marschiert? Nun, der Erzähler reagiert auf euren “Fehler“ und versucht euch gleich durch die nächste Tür zu lotsen, die euch wieder auf den richtigen Weg führen soll. Doch… äh… was geschieht, wenn ihr euch auch diesem “Befehl“ widersetzt?

Langer Rede, kurzer Sinn: Es gibt mehrere alternative Wege, die euch zu verschiedenen Enden der Geschichte führen. Wobei… “Geschichte“ ist nicht das richtige Wort. Je nach Weg ändert sich eher die Art, wie der Erzähler mit euch redet. In manchen Fällen ist er einsichtig und macht das Spielchen mit, indem er sich euren Entscheidungen mehr oder weniger anpasst. In anderen Fällen wird er patzig und beschwert sich aufgrund eures Ungehorsames. Und wieder in anderen Fällen wirkt er einfach nur baff, weil ihr auf eine Idee gekommen seid, an deren Möglichkeit er selbst gar nicht gedacht habe.

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In dieser Besenkammer ist wirklich nichts – absolut rein gar nichts. Oder glaubt ihr, wir würden euch anlügen?

“The Stanley Parable“ ermutigt euch zum Experimentieren. Ihr solltet nicht stur von A nach B laufen und die verschiedenen Abzweigungen abklappern, sondern auch mal probieren, irgendetwas anzuklicken. Die Belohnung ist jedes Mal der Erzähler, der euch mit einer grandiosen Portion an Ironie und Zynismus begleitet. Er durchbricht alle Nase lang die vierte Wand, veralbert gerne eure Natur als Spieler und nimmt nebenbei die Schwächen des modernen Spieldesigns aufs Korn. Der Humor erinnert stark an “Portal“, während die Spielweltlogik gerne abstruse Ausmaße á la “Antichamber“ annimmt.

Somit steckt in diesem Interactive Novel mehr “Spiel“ als in den bereits genannten “Dear-Esther“- oder “Gone-Home“-Projekten. Deshalb können vielleicht auch Leute mit Vorbehalten gegenüber dem umstrittenen Genre etwas mit “The Stanley Parable“ anfangen. Zwar gibt es auch hier keine echten Rätsel, aber ihr müsst euch schon anstrengen, wenn ihr wirklich jedes mögliche Ende zu Gesicht bekommen wollt. Einige davon sind trickreich versteckt und nur durch eine gute Beobachtungsgabe zu finden.

Zudem gibt es zwei Möglichkeiten, das Spiel ohne Kosten auszuprobieren: Zum einen könnt ihr die alte Freeware-Mod herunterladen, deren Geschichte dem Remake sehr nahe kommt. Dort gibt es jedoch nur sechs verschiedene Enden, die in der Neuauflage bedeutend besser und vor allem umfangreicher ausgearbeitet sind. Das ganze Bürokomplex ist eher schlicht aufgebaut und vermittelt wenig Atmosphäre. Doch für eine Beurteilung des originellen Spielkonzeptss reicht der Eindruck dicke aus.

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Die beste Demo aller Zeiten: Von Grund auf eigenständig, vermittelt sie das Gefühl, was der Reiz der “Stanley Parable” ausmacht.

Zum anderen existiert eine Demo, die auch all jene spielen sollten, die sich das eigentliche Spiel bereits zugelegt haben. Diese Demo repräsentiert nämlich nicht irgendeinen Teil des finalen Produktes, sondern wurde von Grund auf neu gestaltet. In ihr seht ihr völlig andere Räumlichkeiten und hört ganz andere “Gags“, während euch gleichzeitig der Reiz von “The Stanley Parable“ vortrefflich vermittelt wird.

Deshalb: Was habt ihr zu verlieren? Klickt euch auf die offizielle Webseite. Kauft das Spiel. Ladet die Demo. Oder beides.

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One comment on “The Stanley Parable: Eine Geschichte ist nicht genug

  1. Dominik Dez 2, 2013

    So, ich hab’s jetzt auch endlich gespielt. Den Mod kannte ich schon, aber es lohnt sich meiner Meinung nach auch der “Eintrittspreis” für das kommerzielle Remake, wenn einem der Mod damals gefallen hat.

    Es ist schon lustig, wenn man vor ein paar Wochen erst Gone Home und Dear Esther gespielt hat und Stanley in vor allem als Kritik an linearem Spieldesign sieht, kann man schon ins Grübeln kommen, wie viel noch in diesem Medium steckt…