Home: Eine ungewohnte Rolle für den Spieler

18. Juni 2012

Man kennt diese Geschichten zur Genüge: Der Protagonist wacht alleine in einem Gebäude ohne Licht und ohne Erinnerungen auf. In seinen Händen hält er eine Taschenlampe, er stolpert über eine Leiche nach der anderen und in seinem Kopf spukt die Sorge, wie es wohl seiner Liebsten Rachel gehe. Er macht sich auf, im Dunkeln nach Hause zu marschieren. Doch mit jedem Schritt verfliegt die Hoffnung auf ein Happy-End. Man spürt förmlich: Das kann nicht gut ausgehen. Und auch der Protagonist selbst realisiert irgendwann, dass vielleicht er für das Unglück in irgendeiner Art und Weise verantwortlich gewesen sein könnte. Wenn er sich doch nur erinnern würde, was geschehen ist…

Auf der Suche nach einer Wahrheit.

“Home“ ist trotz des gewöhnlichen Plots ein ungewöhnliches Spiel. Die Grafik vertraut auf einen feschen Retro-Stil, der streng nach “Lone Survivor“ riecht: Die meiste Zeit über seht ihr das Geschehen von der Seite. Nur beim Öffnen von Türen oder Steigen von Treppen bekommt ihr eine Pseudo-3D-Optik geboten, inklusive extra-dicker Pixel. Auch in solchen Momenten sieht “Home” wie ein C64-Klassiker der uralten Zeit aus – was in einigen interessanten Effekten resultiert.

Spielerisch gesehen macht ihr so gut wie gar nichts: Ihr lauft herum, haltet die Taschenlampe entweder vor oder über euer Pixelmännchen und untersucht allerlei Dinge, die euch auffallen. Daraufhin lest ihr eine altmodische Texteinblendung, die das betreffende Objekt kurz und knapp beschreibt. Manchmal wird euch eine Frage gestellt, beispielsweise ob ihr diesen Schalter umlegen oder jenes Messer einstecken möchtet. Einige der aufnehmbaren Objekte lassen sich an anderer Stelle einsetzen, zum Beispiel ein Seil als Ersatz für eine kaputte Leiter. Allerdings sind solche “Rätsel“ sehr simpel und die “Lösungen“ allzu vorhersehbar.

Der eigentliche Gag liegt bei den Entscheidungen, die euch frei stehen. Oftmals ist es nämlich egal, was ihr anschaut oder in euer Inventar packt. Abhängig von euren Taten und eurer Neugier ändern sich die Texte sowie Beschreibungen, die ihr danach zu Gesicht bekommt. So wird beim Nehmen des Messers die eventuell gesichtete Pistole erwähnt, die ihr einige Räume zuvor bewusst liegen gelassen hattet. Ist “Home“ also eine Art Retro-“Heavy-Rain”? Nicht ganz.

Was mir schnell auffiel: Die Fragen werden euch in ungewohnter Form gestellt. Beispiel: Anstatt “Möchtest du das Messer aufnehmen?“ lest ihr “Habe ich das Messer aufgenommen?“, wobei sich das “ich“ auf den Protagonisten bezieht. Dies ist ein kleiner, aber sehr feiner Unterschied. Der Spieler bestimmt nicht, was ER tut, sondern was der Protagonist getan haben SOLL. Er wird somit urplötzlich zum Erzähler, der einige gewichtige Storyelemente rückwirkend bestimmt.

Bei solch einer Geschichte darf ein schaurig-dunkler Wald nicht fehlen.

Leider verfolgt “Home“ die gewitzte Idee nur im Ansatz: Beim zweiten Durchlauf war ich schon ein klein wenig enttäuscht, dass einige auf den ersten Blick sehr bedeutsame Entscheidungen praktisch keinen Unterschied bezüglich des präsentierten Ergebnisses machen. Dieses findet auch zum Großteil “nur“ in eurer Phantasie statt, anstatt dass es großartig bildlich umgesetzt wird. Ein Aspekt, der seitens Entwickler Benjamin Rivers anscheinend so gewollt ist: Im Abspann wird euch eine Webseite verraten, auf der ihr eure Interpretation der Geschehnisse festhalten und die der anderen Spieler lesen könnt.

Ansonsten lebt das Spiel von seiner Atmosphäre. Die Texte sind kurz und knackig, die optische Gestaltung glaubwürdig wie charmant und der Sound dank seiner wenigen, jedoch fantastisch eingesetzten Effekte faszinierend. Der Gesamtumfang liegt bei knapp einer Stunde, dafür lohnt sich mehrfaches Spielen – trotz der zuvor beschriebenen Schwächen. Allerdings beschweren sich einige Spieler über diverse Logiklücken, ergo dass aufgrund von Bugs manche Textresultate nicht zu ihren Entscheidungen passten. Ich persönlich bin von solchen Pannen verschont geblieben.

Das beste zum Schluss: Kosten tut “Home“ magere 2$ plus Mehrwertsteuer. Und die sollte jeder Independent-verliebte Retro-Fan doch aufbringen können, oder?

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