WASD #2: Das unerforschte Land des Spielejournalismus

7. Januar 2013

Als ich in dieser Branche anfing zu arbeiten, da hatte ich klare Ziele vor Augen: Meine Texte sollten den Enthusiasmus der alten Happy Computer-Tage reanimieren, gleichzeitig gerüstet für die Moderne sein und vor allem eine Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart schlagen. Gleichzeitig wollte mit meinem “Fachwissen“ angeben, meine Leser von meiner “Meinung“ überzeugen und ihnen vor allem etwas “anderes“ bieten, als was sie gewohnt waren. Man könnte auch sagen: Ein verblendeter Nostalgiker sowie Schön-Redner, der verzweifelt nach Anerkennung sucht. Oder welch andere Motivationsgebung abseits der eigenen Profilierung sollte es sonst geben, Artikel über “Videospiele“ zu schreiben?

Ich würde gerne einen Beitrag für die WASD-Buchreihe leisten. Deren grundlegende Idee, nämlich seitenweise Absätze ganz ohne konventionelle Richtlinien, Wertungen oder einem mit der Keule drohenden PR-Manager zu verfassen sowie unter einem provozierenden Überbegriff zu sammeln, empfinde ich mehr als reizvoll. Kürzer: Es geht konform mit meinen oben genannten Wünschen. Ja, die Idee ist doch geradezu ideal für den gelangweilten wie genervten Schreiber, der endlich mal die Worte zu Papier bringen möchte, die niemand abseits von Blogs veröffentlichen möchte. WASD ist ein mutiger Schritt, den jede Branche benötigt: ein Schritt zu etwas Neuem und zu etwas Anderem.

Gleichzeitig würde ich mich mit Bauchschmerzen WASD anbiedern – speziell nachdem ich einzelne Texte der Erstausgabe las, die sich vornehmlich über die vermeintliche Schlechtigkeit der Spiele muckierten. Während dies das gute Recht eines jeden Schreibers ist, so gibt es für mich eine entscheidende Grenze: Man darf sich in meinen Augen nicht über die Fans dieser Spiele lustig machen, egal wie man selbst zu diesen steht. Die erste WASD-Ausgabe hat dies in meinen Augen jedoch getan, weshalb ich es allein aufgrund der mir gesichteten Leseproben gehasst habe. Unterm Strich blieb der Eindruck eines pseudo-intellektuellen sowie vom hohen Ross herabblickenden Elite-Spiele-Journalismus, der seine Meinung als Gott gegeben bezeichnet und die der anderen schwer bis gar nicht zu respektieren vermag.

Von der WASD erschien bereits die zweite Ausgabe. (Foto: wasd-magazin.de)

Von der WASD erschien bereits die zweite Ausgabe. (Foto: wasd-magazin.de)

Dieses Problem ist freilich im Nachfolgebuch bedeutend weniger präsent, vermutlich weil das diesmal gewählte Themengebiet ein völlig anderes ist. Die zweite Ausgabe behandelt den Zusammenhang zwischen Politik und Spielen, wobei die Vielschichtigkeit der gewählten Artikel bemerkenswert ist. Das Buch ist (ganz grob) in zwei Teile untergliedert: Der kleinere der beiden behandelt explizit Spiele, die entweder brutal über die Normgrenzen hinaus schießen oder zumindest von einem ungewöhnlichen Blickwinkel betrachtet werden. Denn auch das zeichnet WASD aus: Dass hier nicht nur “etablierte“ Schreiber vom Fach dabei sind, sondern zusätzlich Sänger, Zoologe oder Rundfunk-Moderator.

Der andere, immens größere Teil des Buches gibt jedem einzelnen Autor die bestmögliche Freiheit, sich über jede Form von Politik in Spielen auszulassen und dabei mit durchaus hochgestochenen Worten den versierten, professionellen Journalisten rauszuhängen. Einer der zentralen Aspekte, der mir sofort ins Auge fiel, ist der zur recht beliebten Sexismus-Debatte. Über diese gibt es gleich mehrere Berichte, schön getrennt mit unterschiedlichen Ansätzen, bei denen sowohl Mann als auch Frau zu Wort kommen und ihre jeweils richtig klingenden Argumente aufzeigen.

Ebenso vollkommen lesenswert wie informativ sind die Artikel über den Bezug zwischen Ego-Shooter und Militär. Diese enden auf den ersten Blick gar nicht immer negativ: Der Beitrag von Michael Schulze schließt beispielsweise mit einem nüchternen “Spieleentwickler und Waffenhersteller helfen sich gegenseitig“-Fazit, ohne die darin perfide Moral zu hinterfragen. Vermutlich hält dies der Autor deshalb nicht für nötig, weil diese Problematik so oder so dem durchschnittlichen WASD-Leser ganz automatisch in den Sinn kommt. Dafür ein großes Kudos von meiner Seite aus, denn zu so viel Vertrauen gehört auch ein Stückchen Mut.

Was ich hingegen für mehr hanebüchen als tatsächlich sinnvoll erachte, sind die meisten Berichte bezüglich einer pseudo-politischen Agenda in Spielen. Thomas Ruscher behauptet, viele Spiele würden den Ausbeuter in uns rein der Optimierungsgier wecken, weil wir in “Fallout 3“ Megaton in die Luft sprengen oder die altgedienten Pflanzen in “Plants vs. Zombies“ gegen bessere austauschen. Sebastian Heise führt ein fiktives Interview mit König Bowser, ganz im Stile eines Spiegel Online-Dialogs mit irgendeinem amtierenden Diktator. Und Stefan Köhler vergleicht verschiedene Titel sowie deren potenziellen Modding-Optionen mit Staatsformen, von der Diktatur bis zur Demokratie.

Die WASD kostet 14,50 Euro. (Foto: wasd-magazin.de)

Die WASD kostet 14,50 Euro. (Foto: wasd-magazin.de)

Bei all diesen Artikeln kam mir dann doch die leidliche Phrase in den Kopf: Jetzt lasst die Kirche bitte mal im Dorf. Wenn ich eine Stadt via nuklearer Waffe in Asche zerbrösele, dann weil ich es in einem Spiel KANN und DARF, ohne dass jemand zu Schaden kommt – im Gegensatz zur Realität. Spiele sollen mir ein gutes Stück weit Möglichkeiten geben, die im wahren Leben, ich sag das mal ganz flapsig, ein “No-Go“ sind. Deshalb fühle ich mich aber nicht gleich als böser Schurke, denn im realen Leben würde ich auch keine noch blühende Pflanze aus dem Garten reißen, nur weil ich gerade im Baumarkt neue Samen gekauft habe. Und auch hab ich kein Problem damit, dass ich in einem “LittleBigAdventure“ die Spielwelt nur im Rahmen des vorgegebenen Editors verändern/manipulieren darf. Dies mit einer „Scheindemokratie“ zu vergleichen, ist in meinen Augen intellektuelles Geplänkel mit der Brechstange.

Vermutlich gehören solche “Experimente“ dazu, um die Existenz von WASD zu rechtfertigen und zu untermauern. Wie gesagt: Es geht um Grenzen überschreiten, bewusst provozieren und dem Leser etwas anderes als den Einheitsbrei der Magazinlandschaft zu bieten. Man mag den Sinn hinter solcher Prosa in Frage stellen, doch bin ich dafür mit meinen eigenen Wünschen und Zielen der Falsche. So habe ich nicht ohne Grund in den letzten neu Jahren gelernt, dass “Testberichte“ immer weniger der Kaufempfehlung dienen als der Unterhaltung für diejenigen, die das betreffende Spiel bereits kennen. Irgendwann sind “wir“ Spielekritiker schleichend vom puren Ratgeber zum Unterhalter oder meinethalber zum Hinterfrager geworden. Und zumindest die Jungs von WASD haben das kapiert.

Kaufen könnt ihr die WASD auf der offiziellen Webseite. Dort findet ihr ebenfalls eine Leseprobe zum kostenlosen Stöbern.

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