King’s Quest – A Knight to Remember: Das beste Adventure seit Day of the Tentacle

3. August 2015

Sierra ist zurück. “King’s Quest” ist zurück. Wenn die beiden Sätze für euch eine Bedeutung haben, geht’s euch vielleicht wie mir und ihr habt diese Meldung mit gemischten Gefühlen aufgefasst. Auf der einen Seite Nostalgie pur. Auf der anderen die Befürchtung, dass das Ganze deswegen fast nur eine riesige Enttäuschung werden kann. Ich kann zumindest teilweise Entwarnung geben: Das Comeback ist in meinen Augen geglückt. Für mich zumindest ist “King’s Quest: A Knight to Remember” das beste Adventure seit “Day of the Tentacle”!

Damals, Mitte der 1980er

Meine ersten Spielerfahrungen durfte ich in den 1980ern bei Nintendo, Atari und an Spielautomaten sammeln. Computer hatte man damals nicht daheim. Als die Nachbarn aus ihrem einjährigen Amerikaaufenthalt mit einem IBM PC zurückkamen und ich den Joystick auf dem Schreibtisch stehen sah, wollte ich nur eines wissen: Kann man damit auch spielen?

Wer das Original "King's Quest" spielen will, wird bei einem der zahllosen Emulatoren online fündig. Im Bild die Version für den Apple II.

Wer das Original “King’s Quest” spielen will, wird bei einem der zahllosen Emulatoren online fündig. Im Bild die Version für den Apple II.

Die Welt der PC-Spiele war damals eine ganz andere, als die der Konsolenspiele. Auf der Konsole gab es “Mario”, “Zelda” und “Donkey Kong”. Auf dem IBM PC “Elite” und natürlich “King’s Quest”. Beides aus der Sicht eines 8- oder 9-Jährigen hochkomplexe Spiele. “King’s Quest” spielten wir zu dritt: Die beiden Nachbarskinder konnten dank einem Schuljahr in den Vereinigten Staaten schon etwas Englisch. Ich durfte die Figur mit dem analogen Joystick steuern, die beiden älteren Mädels gaben Befehle ein und übersetzten gemeinsam, was das Spiel so ausgab, wenn man “LOOK” eintippte und ENTER drückte.

"A Knight to Remember" spielt noch vor dem ersten "King's Quest". Die Krone ist für Graham noch in weiter Ferne.

“A Knight to Remember” spielt noch vor dem ersten “King’s Quest”. Die Krone ist für Graham noch in weiter Ferne.

“King’s Quest” begeisterte mich aus zwei Gründen: Es besaß eine offene Welt, in der man sich auf der Suche nach drei Artefakten frei bewegen konnte. Und das Szenario war an bekannte Märchen angelehnt. Anders als etwa bei “The Legend of Zelda” konnte man nicht nur mit dem Schwert zuschlagen und Bomben legen, sondern anscheinend alles machen, was einem einfällt. Kann man auf dem Baum klettern? Ja. Wow, guck das Ei! Kann man das mitnehmen? Natürlich, zumindest wenn man nicht vom Ast fällt! Ist das ein Lebkuchenhaus – so wie bei Hänsel und Gretel? Wir müssen die Hexe in den Ofen werfen!

“King’s Quest” war anders als alle Spiele, die ich davor kannte. Für mich wird es immer ein Meilenstein der Spielegeschichte bleiben, mit dem ich besondere Erinnerungen verbinde. Auch wenn ich später alle Sierra-Spiele auf meinem Amiga durchspielte, bleibt “King’s Quest” für mich der herausragende Klassiker dieser Adventuregeneration, der sich den Thron nur mit “Indiana Jones” teilen muss!

Remake ohne Point&Click

Wenn man die Entwicklung der “King’s Quest”-Reihe bis zum Ende des letzten Jahrtausends verfolgt, kann man den Aufstieg und den Fall des Adventure-Genres nachvollziehen. Vom “Textadventure mit Grafik”-Hybriden (Teil 1-4) über die ersten Point&Click-Grafikwunder der 256 Farben starken VGA-Karten (Teil 5 und 6), dem vollvertonten Multimediaprodukt des CD-ROM-Zeitalters (Teil 7) bis hin zum unentschlossenen 3rd-Person-Action-Adventure (Teil 8) hat die Serie hier und da den Ton im Genre angeben können und dann irgendwann Ende der 1990er mit dem Aufkommen der 3D-Spiele wie viele andere Adventure-Größen den Anschluss an “Tomb Raider” und “Half-Life” verloren.

Die Spielwelt sieht besonders in Bewegung zauberhaft aus. Dank Unreal-Engine steckt das Spiel die Konkurrenz von Telltale in die Tasche.

Die Spielwelt sieht besonders in Bewegung zauberhaft aus. Dank Unreal-Engine steckt das Spiel die Konkurrenz von Telltale in die Tasche.

“A Kinght to Remember” macht im Hinblick auf die Evolution des Genres zunächst nichts wirklich überraschendes. Ironischerweise hält sich der Titel mehr oder weniger an die letzten verzweifelten Versuche vom ehemaligen Hauptkonkurrenten von Sierra und übernimmt im wesentlichen den Ansatz, den LucasArts bei Spielen wie “Monkey Island 4” und “Grim Fandango” verfolgte. Damals wie heute geht es darum, Adventures irgendwie für die mauslosen Konsolenspieler zugänglich zu machen. Ihr steuert euren Helden also mit dem Joypad durch die Welt (allerdings direkt in die Laufrichtung und nicht wie einen Panzer wie bei “Grim Fandango”), den Rest erledigen zwei Tasten: Anschauen/Benutzen und Inventar öffnen. Ab und zu gibt’s ein paar Action-Einlagen, manchmal auch Quick Time Events.

Echte Rätsel aber keine Kopfnüsse

Ich will an dieser Stelle ehrlich sein: Ich bin kein besonders großer Fan von Adventures mehr. Bis “Day of the Tentacle” hätte ich vermutlich behauptet, dass dies mein Lieblingsgenre ist, aber mit dem Niedergang der klassischen LucasArts-Adventures ist mir die Begeisterung für diese Art komplett abhanden gekommen. Damit ich ein “Deponia” oder “The Book of Unwritten Tales” durchspiele, müsstet ihr mir eine Pistole an den Kopf halten! Ich kann über die Witze nicht lachen und die Rätsel nerven mich. Wenn ich irgendwo lese, dass “Game of Thrones” von Telltale Games kein richtiges Spiel sei, weil keine ordentlichen Rätsel vorkommen, atme ich erleichtert auf und klicke in Steam auf den Einkaufswagen!

Wie in den klassischen Spielen der Reihe kann man in "A Knight to Remember" sterben. Der Umstand wird dann auf der Ebene der Erzählung scherzhaft kommentiert, bevor es weitergeht.

Wie in den klassischen Spielen der Reihe kann man in “A Knight to Remember” sterben. Der Umstand wird dann auf der Ebene der Erzählung scherzhaft kommentiert, bevor es weitergeht.

Hättet ihr mich vor zwei Wochen gefragt, was ich mir von einem neuen “King’s Quest” erwarte, hätte ich vermutlich geantwortet, dass es mir bloß keine dämlichen Rätsel vorsetzen soll und es am besten nur ein interaktives Filmchen mit hübscher Grafik wird, bei dem ich ein paar Multiple-Choice-Dialoge und Quick-Time-Events absolvieren muss. In dieser Hinsicht enttäuschte mich “King’s Quest” wahrhaftig. Und das ist auch gut so!

“A Knight to Remember” findet in meinen Augen den perfekten Kompromiss zwischen Telltales “The Walking Dead” und “Tales of Monkey Island”. Die Rätsel sind in der Regel nicht besonders komplex und verlangen euch auch nie das Kombinieren von Gegenständen ab. Sie erfordern überwiegend, dass ihr die Umgebung erkundet und euch merkt, wo euch welches Problem am Weiterkommen gehindert hat. Toll ist, dass ihr dadurch meist mehrere Eisen im Feuer habt und euch sogar mehrere Lösungswege angeboten werden, die sporadisch Auswirkungen auf den Verlauf haben.

Gute(nacht)geschichte

Damit sind wir bei der Story. Die ist wirklich gut inszeniert und hervorragend geschrieben! Der Kniff, dass Graham – das seit dem ersten “King’s Quest” bekannte Familienoberhaupt der Königsfamilie – seiner Enkelin von früheren Abenteuern erzählt, wird meisterlich ausgenutzt und sorgt für einige magische Momente. Einen großen Schock wie am Ende der ersten Season von “The Walking Dead” gibt es nicht, dafür aber ein paar wirklich clever vorbereitete Szenen, die mich echt bewegt haben, ohne dabei zu dick aufzutragen.

Der erhobene Zeigefinger ist Programm: Grahams Geschichten sind für seine Enkelin durchaus belehrend und hinterlassen bei ihr einen bleibenden Eindruck!

Der erhobene Zeigefinger ist Programm: Grahams Geschichten sind für seine Enkelin durchaus belehrend und hinterlassen bei ihr einen bleibenden Eindruck!

“A Knight to Remember” brachte mich sogar ein paar Mal zum Schmunzeln. Der Humor ist dabei zwar durchaus albern, aber wirkt nicht gezwungen und manchmal fast schon subtil. Beispielsweise kommentiert Qwedolyn die bemühten “Puns” ihres Großvaters mehr oder weniger genervt, bringt aber am Ende selber welche ein. Die an Monty Python erinnernden Wachen, die gerne Regeln und Paragraphen zitieren sowie sich dabei in Absurditäten verstricken, bleiben zwar ebenso wie ständige Slapstickeinlagen über das ganze Spiel hinweg präsent, hinterlassen aber nie einen übertrieben oder zu bemühten Eindruck. Ich weiß nicht wie es ist, wenn man die deutsche Sprache favorisiert, würde aber zumindest bei den Wortspielen bezweifeln, dass diese die Übersetzung vollständig überleben können.

Die goldene Mitte?

Knapp sechs Stunden verbrachte ich in Daventry. Bezogen auf die nostalgischen Situationen wurde ich nicht enttäuscht. Die Entwickler bei The Odd Gentlemen haben sich scheinbar wirklich mit dem Original auseinander gesetzen. Neben diversen cleveren Anspielungen auf andere Serienteile ist ihnen eine Neuinterpretation der Vorlage gelungen, die zumindest für einen Adventure-Muffel wie mich den perfekten Spagat zwischen alter und neuer Schule darstellt. Eine märchenhafte Welt zum Erkunden, erzählt mit einem Augenzwinkern. Einfache Rätsel mit spielerischer Freiheit. Kein “kombiniere dies mit dem”, kein Absuchen der Spielumgebung nach gut versteckten Objekten. Die Rätsel sind gerade komplex genug, um euch ein gutes Gefühl zu geben, wenn ihr sie nach kurzem Überlegen löst. Und doch nicht so schwierig, dass sie euch nerven.

Graham landet öfter mal auf dem Hosenboden. Die Animationen können sich dabei wirklich sehen lassen: Sie gehören zum Besten, was man momentan so in Computerspielen zu sehen bekommt!

Graham landet öfter mal auf dem Hosenboden. Die Animationen können sich dabei wirklich sehen lassen: Sie gehören zum Besten, was man momentan so in Computerspielen zu sehen bekommt!

Gut möglich, dass Spieler, die sich seit bald einem Jahrzehnt durch Daedalic-Adventures klicken oder “King’s Quest” erst seit Mitte der 1990ern kennen, “A Knight to Remember” mit anderen Augen betrachten. Echte Kopfnüsse werdet ihr vergeblich suchen. Die Spielwelt bietet Mainstream im Stil von Disney und keine allzu skurrilen Situationen oder schrullige Eigenheiten. Für mich ist “A Knight to Remember” das erste Adventure seit gut 20 Jahren, das ich mit Begeisterung gespielt habe. Wer dem Genre über die Treue gehalten hat, wird vermutlich weniger angetan sein. In gewisser Weise ist “King’s Quest” sowas wie das Anti-“Deponia”. Mal sehen, wie gut Sierra damit fährt. Wenn’s nach mir geht, kann es jedenfalls gerne so weiter gehen. Als nächstes dann bitte “Space Quest”.

“King’s Quest” ist für alle aktuellen Plattformen erhältlich und in mehrere Kapitel unterteilt. Weitere Details – direkt bei Sierra.

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