Ver-DOOM-te Weihnachten: Stille Nacht, hitzige Schlacht!

23. Dezember 2013

Kommt, liebe Kinder! Setzt Euch zu mir an diesem kalten Winterabend und hört dem alten Mann zu, der heute eine Geschichte zum Besten gibt, die vor fast 20 Jahren geschehen ist. Und zwar am 23. Dezember 1994. Ich erinnere mich genau, denn es war bekanntlich die Nacht vor dem Heiligen Abend. Und diese hatte für mich immer etwas Magisches, denn meine Eltern verstanden es schon, als ich ein kleiner Junge war, meine Vorfreude auf das Weihnachtsfest zu steigern, indem sie mir vor dem Schlafengehen am 23. Dezember folgendes Gedicht aufsagten:

Die Nacht vor dem Heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum!
Sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum!

Nun, im Jahr 1994 war ich kein kleiner Junge mehr, hatte schon den ein oder anderen Schulparty-Rausch hinter mir, hatte selbst in der eher verlassenen Gegend, in der ich groß wurde, die vereinzelte Disco gefunden, um mich in merkwürdigen Tanzschritten auf noch merkwürdigere Musik zu üben und – am allerwichtigsten – ich besaß bereits einen schnellen PC (486 DX2) zum Spielen! Weihnachten war mir zwar immer noch wichtig und magisch, aber meine Eltern brachten mich schon lange nicht mehr ins Bett. Wäre auch schwierig gewesen, denn ich war zu dieser Zeit oft bis in die frühen Morgenstunden unterwegs…

Für den 23. Dezember 1994 hatte ein damaliger Kumpel von mir eine schlicht grandiose und für mich revolutionäre Idee: Da er zu diesem Zeitpunkt Informatik-Unterricht an der örtlichen VHS gab, hatte er den Schlüssel zu einem äußerst speziellen Raum in diesem Schulgebäude: dem LAN-Raum! Also lud er eine Reihe Freunde mit Vorliebe zum Computerspielen ein und veranstaltete eine Netzwerk-Nacht – die absolut erste, die ich je mitgemacht habe.

Der Ort des besinnlich Geschehens - in einer symbolischen Darstellung. (Foto: Nibis.de)

Der Ort des besinnlichen Geschehens – in einer symbolischen Darstellung. (Foto: Nibis.de)

Bei der Wahl des Spiels, welches uns die Wartezeit auf den Heiligen Abend verkürzen sollte, waren sich die Versammelten schnell einig: Es konnte nur „Doom“ sein! Was hätte man damals denn sonst im LAN-Verbund spielen wollen? Da mussten halt dann auch „moralische“ Bedenken hinsichtlich der thematischen Brisanz, kurz vor dem „Fest der Liebe“ auf blutrünstige Dämonenjagd zu gehen, mal hinten anstehen. Und, Kinder, glaubt mir: Der rote Pixelbrei, den Ihr seht, wenn Ihr Euch heute „Doom“ anschaut, führte damals zu echten Kontroversen der Marke „Untergang des Abendlandes“…

Ich räume ein, dass das Geschehen, was sich während dieser nächtlichen Stunden in den Katakomben der erwähnten VHS abspielte, mit der üblichen Festtagsstimmung wenig zu tun hatte. Es wurde geflucht, gezetert, gelacht und gelästert. Freundschaften standen auf der Kippe, der Zigaretten- und Red Bull-Konsum war exzessiv, und ich möchte gar nicht wissen, um wie viele Jahre wir die Lebensdauer der VHS-Hardware nach unten reduziert haben.

Es war definitiv ein Fest – ein Fest des gemeinschaftlichen Spielens und des kollektiven Spaßes! Es war vor allem ein Fest der grandiosen Anekdoten, wie beispielsweise die von einem meiner Freunde, der mich wie besessen durch eine Map jagte und dann, als er mich nicht finden konnte, sich in eine Ecke verzog (Blickrichtung Wand), um die Chat-Nachricht „Ja, wo isser denn?“ zu verfassen, worauf er postwendend den Raketentod starb, da ich just während seines Tippens hinter seinem Rücken auftauchte. In aller Seelenruhe hatte ich diesen „Overkill-Frag“ genüsslich vorbereitet. Oder unsere verzweifelten Versuche, den „Cyberdemon“-Boss der zweiten „Doom“-Episode gemeinschaftlich nur mit Pistolen bewaffnet zu besiegen, was auf eine Lebenserwartung von knapp über eine Sekunde hinauslief.

Knecht Rupprecht á lá Doom - unser aller Nemesis! (Foto: Dustycartridge.com)

Knecht Rupprecht á lá Doom – unser aller Nemesis! (Foto: Dustycartridge.com)

Diese Nacht des 23. Dezember 1994 war zudem der Beginn eines Rituals. Denn von nun an wurde in der „Nacht vor dem Heiligen Abend“ alljährlich ein Zocker-Festival abgehalten. „Quake 3 – Arena“, „Age of Empires 2“, “Operation Flashpoint”, “Diablo 2”, “StarCraft”, „Age of Mythology“, „Painkiller“, „Doom 3“, “Far Cry”, “Flat-Out 2” und “Company of Heroes” waren alles Titel, mit denen wir uns in der “staaden” Zeit besonders laut beschäftigten. Nur blöd, dass das mit der VHS nicht mehr klappte, und so verbrachten wir alle Jahre wieder wertvolle Stunden mit der Netzwerkkonfiguration, welche im Schulgebäude natürlich schon bestens vorbereitet war. Aber was tut man nicht alles für eine „magische“ Nacht?

So, Kinder, jetzt ist es spät geworden, und Ihr wollt doch sicherlich Eure Geschenke aufmachen, oder? Drum rennt schnell nach Hause, übt Euch im Geduld während des Weihnachtsessens und bleibt zumindest noch ein paar Anstandsminuten mit den Eltern vor dem Tannenbaum stehen, bevor Ihr die Systeme hochfahrt, um all die neue Daddel-Software auszuprobieren.

Frohe Weihnachten!

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6 comments on “Ver-DOOM-te Weihnachten: Stille Nacht, hitzige Schlacht!

  1. Hihi, schöne Geschichte. Wie fanden deine Eltern das überhaupt?

    • Die haben das so weder mitbekommen noch verstanden! Fragende Blicke, als ich am nächsten Morgen mit Augenringen nach Hause gekommen bin, gab’s zwar schon, aber nach den Spielinhalten haben sie dann doch nicht gefragt. Dafür waren sie “zu alt” (so wie ich jetzt für die ganze Social Media-Sache)…

  2. Ui, schon damals Red Bull? Das thailändische Getränk wurde 1994 gerade erst zugelassen, da wart ihr wirklich am Puls der Zeit.

    1994 ein 486 DX2? Angeber, Prolet! Kind reicher Eltern! Pfui! ^^
    Neidisch schau … ;-) ich brauchte ein Jahr länger um meiner Oma die benötigten 6000 DM für den dann aktuellen (zweitschnellsten) Pentium 100 aus der Tasche zu leiern *Hüstel*. Die benötigten 6000 für den 486 DX2 66 ein Jahr vorher wollten meine Eltern nicht finanzieren …

    Wenn ich gerade daran denke, in voller Ausbaustufe mit Drucker, 16MB RAM (heute habe ich 16GB), Quadspeed CD ROM und 17 Zoll Monitor lag mein erster PC letztlich sogar bei rund 7000 DM. Wahnsinn im Vergleich zu heutigen Preisen. Und dann wurde das Teil ja schon nach ein, zwei Jahren ordentlich aufgerüstet (Voodoo Karte für 450 Mark) um dann 1998 nach nur drei Jahren schon in Rente geschickt zu werden – bitter.

    • Ja, in Sachen “Red Bull” half es, dass ich nah an der österreichischen Grenze aufgewachsen bin. Da wurde das Zeug immer in Paletten über die Grenze gebracht. Hatte dann zusätzlich den verführerischen Reiz des Verbotenen…

      Und, ganz ehrlich, mit dem 486 DX/2 bin ich mir vom Jahr nicht mehr ganz sicher. Ich weiß, dass es mein zweites PC-System nach einem 386er war, und ich weiß, dass ich rund um 1992 diesen 386er bekam. Der wurde mir dann aber spätestens bei “Ultima VII – Black Gate” zu langsam, weswegen ich für die Fortsetzung “Serpent Isle” dann um ein schnelleres System gebettelt habe. “Serpent Isle” hatte ich in den USA während meines Highschool-Intermezzo erstanden, und das war Anfang 1993! Daher die Vermutung, dass ich 1994 beteits den besagten 486 DX2 hatte.
      Argumentation war ja immer, sich nicht mit kleinem Aufrüsten begnügen, sondern gleich große Sprünge wagen, um “in die Zukunft zu investieren”. Das hat anfangs bei den Eltern schon noch geholfen! :-)

  3. Martin W Okt 1, 2015

    Toller Artikel, vielen Dank! Irgendwie kann ich sie mir richtig bildlich vorstellen, diese LAN Parties in der Vorweihnachtszeit… fast so, als wäre ich das ein oder andere Mal dabei gewesen ;)

    Ich habe übrigens gerade mal wieder The Ultimate Doom in seiner ganzen Pixelpracht gespielt und finde es immer noch ein äusserst kurzweiliges Spiel!

    Viele Grüsse,
    Martin

    • Und wie Du dabei warst, mein Freund! Ist schon echt eine Zeitlang her, aber manche Erinnerungen sind einfach nicht todzukriegen, eben weil sie so einprägsam waren.

      Und ich kann mir gut vorstellen, dass das gute alte Pixel-“Doom” auch heute noch seinen Charme hat, auch wenn ich es ewig nicht mehr angespielt habe. Ich weiß nur, dass ich die Levels des ersten Kapitels auswändig kannte und quasi blind spielen konnte. :-)

      Auf bald,

      Sebastian