Splinter Cell: Blacklist – Plädoyer für freies Speichern

15. Oktober 2013

Warum gibt es immer noch Spiele ohne vernünftige Speicheroption?  “Tom Clancy’s Splinter Cell: Blacklist” von Ubisoft ist ein eindeutiger Beweis dafür, wie eine eigentliche hohe Spielmotivation durch ein derartiges “Vergehen” nachhaltig getrübt werden kann.

Ich befinde mich mit Sam Fisher im libyschen Bengasi und soll einen Informanten aus einer Polizeistation holen. Hierzu lass ich Fisher geduckt über Hausdächer schleichen und von Deckung zu Deckung hechten, was aber spätestens gegenüber dem Polizeigebäude ein jähes Ende findet. Dort gibt es für ein „Splinter Cell“-Spiel extrem viele Gegner, aber dafür – ebenso ungewöhnlich für die Reihe – kaum Schattenplätze. Vielmehr brennt mir die Wüstensonne von oben ein Loch in meine coole, aber völlig sinnlose Nachtsichtbrille, während ich mir überlege, wie ich mich an den Gegnerhorden vorbei schleichen soll.

Hier beginnt das Speichern zum Drama zu werden. (Foto: Ubisoft)

Hier beginnt das Speichern zum Drama zu werden. (Foto: Ubisoft)

Letztlich dauert es geschlagene 45 Minuten, bis es mir endlich gelingt, alle Feinde hinter mir zu lassen und meinen Auftrag in der Polizeistation abzuschließen. Während dieser Zeit bin ich unzählige Male gestorben, habe mindestens ebenso oft unflätige Ausdrücke in den Mund genommen und mich dabei aber nicht über einen vermeintlich hohen Schwierigkeitsgrad echauffiert. Nein, „Splinter Cell: Blacklist“ ist für mich vielmehr ein weiterer Beweis dafür, warum ich ein glühender Verfechter des freien Speicherns bin! Da mag Ubisofts neueste Sam Fisher-Episode noch so abwechslungsreich, schön inszeniert und technisch beeindruckend daher kommen – wenn ich zum x-ten Mal nach minutenlangem Taktieren am letzten Gegner scheitere und alles wieder von vorne machen muss, werde ich zu einem Tier, welches selbst Mr. Fisher fürchten sollte.

Damit sehe ich mich mit der wenig schmeichelhaften Fragestellung konfrontiert, ob ich zu der Sorte von Spielern zähle, die über die letzten Jahrzehnte aufgrund der zunehmenden Abwesenheit von virtuellen Todeserfahrungen in Spielen als verweichlicht und verwöhnt verschrien sind. Doch es geht eben nicht um einen gesalzenen Schwierigkeitsgrad, sondern um meinen Wunsch, wenigstens optional eine vernünftige Speicherfunktion angeboten zu bekommen. Wenn die Elite-Spieler, die „Super Meat Boy“ mit verbundenen Augen genießen und „Dark Souls“ zum Mitternachtsimbiss vernaschen, ein freies Speichern als Ausdruck des verpönten Casual-Gaming sehen wollen, können sich diese gerne einen „Hardcore“-Mode mit Permadeath und ohne jegliches Speichern wünschen. Aber ich habe schlicht auf Dauer ein Problem mit dem „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Effekt in Spielen!

"Her mit der Speicheroption oder ich bedroh Dich immer und immer und immer wieder!" (Foto: Ubisoft)

“Her mit der Speicheroption oder ich bedroh Dich immer und immer und immer wieder!” (Foto: Ubisoft)

Vielleicht liegt der Grund dafür, dass mein Ärger über ein fehlendes freies Speichern gerade beim neuen „Splinter Cell“ wieder aufflammt, in den weiten Abständen begründet, die bei diesem Spiel oftmals zwischen den Speicherpunkten liegen. Da ist dann nicht nur die große Anzahl der Kontrahenten ein Problem, der ich mich ein ums andere Mal stellen muss. Mehr noch gehen mir da die ewig gleichen Dialoge und Zwischensequenzen auf den Keks. Das beeinträchtigt für mich die gesamte Atmosphäre des Spiels, ähnlich wie ein Kratzer auf einer altehrwürdigen Schallplatte nachhaltig den Musikgenuss empfindlich gestört hat.

Ab und zu bringt mich das Fehlen einer freien Speicherfunktion auch auf den Gedanken, dass es hier um eine reine Verlängerung der Spieldauer geht. Je öfter ich an bestimmten Stellen scheitere und gezwungen werde, immer wieder das Gleiche zu spielen, je weniger wird mir möglicherweise bewusst, wie wenig Inhalt mir das Produkt eigentlich bietet. Aber das hätte „Splinter Cell: Blacklist“ objektiv überhaupt nicht nötig, denn das Spiel bietet ohnehin sehr lange und verzweigte Einsätze, deren Zielsetzung sich gerne mitten drin ändert. Das ist spannend und dynamisch inszeniert, aber wird aus meiner Sicht ein weiteres Mal dadurch getrübt, dass man einige dieser Wendungen aufgrund der mangelhaften Speicherpunkte ständig wieder serviert bekommt. Und da schmeckt selbst die spektakulärste Handlungsentwicklung irgendwann mal wie kalter Kaffee…

Ganz dick kommt es dann bei Missionen mit Zeitlimit (darüber könnte ich gleich die nächste Grundsatzdiskussion anfangen, aber das spare ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf) oder Sequenzen, in denen ich eine Person gegen eine anrennende Eliteeinheit verteidigen muss. Gepaart mit diesem Speichermurks bringen mich diese Momente doch oftmals bedenklich nahe an den nächsten Mülleimer – mit dem Datenträger in der wurfbereiten Hand!

Fisher schaut skeptisch dem Datenträger nach, den ich gerade in die Tonne geworfen habe. (Foto: Ubisoft)

Fisher schaut skeptisch dem Datenträger nach, den ich gerade aus Wut in die Tonne geworfen habe. (Foto: Ubisoft)

Es ist wirklich schade, dass ich mich bei Sam Fishers neuestem Thriller über eine grundsätzliche Spielmechanik aufregen muss. Das Spiel an sich ist nämlich durchaus ein empfehlenswerter Schleich-Shooter, der angenehm an alte „Splinter Cell“-Tugenden erinnert, ohne auf die Action zu verzichten. Was ich ihm zudem besonders hoch anrechne, ist die spürbare Freiheit, jede Situation unterschiedlich angehen und lösen zu können. Das geht tatsächlich so weit, dass ich in der ganzen Hatz keinen Gegner wirklich umbringen müsste, selbst wenn die Haudrauf-Methode der einfachste Weg sein mag. Gerade das macht die Herausforderung, als „Geist“ zu spielen und so unentdeckt wie möglich zu bleiben, erst richtig motivierend.

Wer also weder Frustbeulen noch Magengeschwüre angesichts der Untugend eines nicht vorhandenen, freien Speicherns bekommt, dem sei „Blacklist“ wärmstens ans Herz gelegt. Wer meinen Unmut allerdings verstehen kann, ist wohl gut beraten, sich der Terrorbekämpfung Marke “Sam Fisher” mit etwas mehr Skepsis zu nähern. Für etwaige Petitionsvorschläge für ein verbindliches Integrieren einer vernünftigen Speicheroption in allen Spielen bin ich jederzeit offen (Kontaktaufnahme bitte unter sebastian@polygamia.de).

Leave a Reply to Altair Cancel Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

eMail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.
Auch möglich: Abo ohne Kommentar.

4 comments on “Splinter Cell: Blacklist – Plädoyer für freies Speichern

  1. Altair Dez 4, 2013

    Danke für diesen Artikel! Endlich spricht es mal jemand aus.
    Mich nerven diese Speicherpunkte auch so dermaßen, dass ich das Spiel ansich gar nicht mehr genießen kann :( Das war schon beim Vorgänger Conviction der Fall. Diese Mechanik schränkt mMn auch total die Kreativität ein. Man hat schon Angst , einen spezielleren Weg einzuschlagen, weil man immer der Gefahr ausgesetzt ist, alles noch einmal zu spielen…
    Was ich vor allem nicht verstehen kann: Bei einem alten Spinter Cell Titel (Chaos Theory) war es ja bereits möglich, frei zu speichern. Warum also nicht auch bei neueren Spielen? Sind die Entwickler zu faul, das Spiel vernünftig von Konsole auf PC zu portieren?
    Zum Glück habe ich das Spiel beim Steam Sale nur für die Hälfte bekommen. Immerhin nicht zu viel ausgegeben. -.-

    • Somit hat sich meine Befürchtung auch bestätigt, dass dieses Speichersystem auch auf dem PC Einzug gehalten hat. Da ich “Blacklist” nur auf der PS3 gespielt habe, dachte ich, dass dieses Manko zumindest auf PCs ausgeräumt sein könnte. Bei den früheren Titeln war das ja der Fall, wie Du schon erwähnt hattest.

      Aber selbst bei den Konsolen muss das doch nicht mehr sein. Wofür gibt es denn Festplatten, die das Anlegen eines Speicherstandes leicht machen? Und wenn man schon auf freies Speichern verzichtet, kann man es dann doch auch fairer machen. Ich spiele gerade “Max Payne 3”, und das ist beileibe auch kein einfaches Spiel, aber es frustriert im Gegensatz zu “Blacklist” um ein Vielfaches weniger, weil das Speichersystem überwiegend fair ist.

      • Ich denke, die Hersteller machen es sich einfach bequem. Ein vernünftiges Speichersystem kostet scheinbar zu viel Zeit und Geld in der Entwicklung, deswegen nutzen viele die “billige” Lösung. Zu wirklichen Abwertungen bei Spieletests führt selbst ein total vermurkstes Speichersystem ja auch nur in den seltensten Fällen.

      • Richtig, und genau das ist aus meiner Sicht einfach falsch! Ich sage ja nicht, dass der ein oder andere Spieler so ein Speichersystem in Ordnung findet bzw. dass es in manchen Fällen nicht gar so frustrierend umgesetzt wurde (siehe meinen vorherigen Verweis auf “Max Payne 3”). Aber mich nervt es kolossal, dass man nicht mal die Wahl zum freien Speichern hat. Meinetwegen könnte das dann mit dem generellen Schwierigkeitsgrad verbunden werden, so dass Profispieler eben mit einer reduzierten Speicheroption auskommen müssen. Aber wenn ich nur derart unfair platzierte Speicherpunkte zur Verfügung habe, dann MUSS das aus meiner Sicht eine spürbare Abwertung mit sich ziehen.

        “Blacklist” hätte für mich das Potential eines niedrigen 80er-Titels, käme aber durch das Speichersystem über eine niedrige 70 nicht hinaus. Das kratzt einfach gewaltig am wichtigsten Punkt eines Spiels, nämlich dem Spielspaß. Wenn ich mich darüber in einem Spiel maßlos aufrege, kann es einfach nicht unkommentiert und ohne Folge in der Gesamtwertung bleiben.