Ich liebe außergewöhnliche Controller! Am liebsten möchte ich sie alle haben, egal ob Gitarre, Schlagzeug, Buzzer, beleuchtete Mikrofone, Kinect, Move-Eistüten, Lichtpistolen – eben all das, was der europäische Spielemarkt so hergibt. Seit Dreamcast-Zeiten horte ich regelrecht diesen ganzen Plastikkram. Mittlerweile hab ich so viel, dass eine Ölborinsel den kostbaren Rohstoff nur für diese Spielzeuge vermutlich einen ganzen Tag aus der Erde pressen musste. Von Umweltfreundlichkeit kann wohl keine Rede sein, wenigstens töte ich keine Fische (direkt). Denn dank witziger Eingabegeräte kann ich ja virtuell an der Konsole angeln. Mit dieser grausigen Überleitung wollte ich nur sagen: „Rapala Pro Bass Fishing“ musste ich mir einfach antun, denn der Petri-Heil-Simulation liegt ein Angel bei, mit der man…ähm..naja..angeln kann.
Das erinnerte mich sicher nicht zufällig an „SEGA Bass Fishing“, das mir auf der letzten Konsole des japanischen Spielekonzerns unglaublich viel Spaß bereitete. Dort gab es auch schon eine Plasteangel, die zwar alles andere als schön war, dafür aber einwandfrei in Kombination mit der acadelastigen Fischfangerei funktionierte. Dank einer integrierten Rumble-Funktion gaben Spiel und Angel sogar Feedback, wenn eine Flossenkreatur anbiss und aus dem kühlen Nass geholt werden wollte. Mit einem Joypad wollte niemand freiwillig „SEGA Bass Fishing“, den Nachfolger oder „SEGA Marine Fishing“ genießen, dafür bereitete das weiße, angelähnliche Ding in der Hand zu viel Freude. Ganz anders sieht es bei „Rapala Pro Bass Fishing“ aus, das weder von SEGA stammt noch für die Dreamcast erhältlich ist. Das Werk von Activision Blizzard wird ebenfalls mit einem Angel-Controller ausgeliefert, der tatsächlich einer echten Angel nachempfunden wurde. So gibt es eine Rolle, einen Teil der Rute und dank einer Funkverbindung wird sogar auf ein Kabel zur Xbox 360 (oder PS3) verzichtet. Zusammengebastelt wirkt das Gerät wirklich sehr authentisch, stecken noch die zwei AA-Batterien in dem Zubehör, stimmt auch das Gewicht. Und das Heranziehen des Köders mittels der Kurbel ist nicht mehr im Ansatz so „billg“ bzw. unglaubwürdig „schwabbelig“ wie zu Dreamcast-Zeiten. Alles könnte also prima, toll und realistisch sein, wären da nicht einige Haken – ha, im wahrsten Sinne des Wortes.
Das größte Problem von „Rapala Pro Bass Fishing ist nicht einmal der eher überschaubare Umfang, im Gegensatz zu einem „SEGA Bass Fishing“ hat dieser Titel sogar deutlich mehr zu bieten. Zahlreiche schicke Schauplätze könnt ihr mit einem Motorboot befahren, um mittels eines Navigationsgerätes die perfekte Angelstelle zu finden. In den Meisterschaften werden euch schöne Seenlandschaften serviert, die mir visuell sogar sehr gut gefallen. Habt ihr einen passenden Ort aufgespürt, um eure Rute auszuwerfen, beginnt die erste Schwierigkeit: Die verbauten Bewegungssensoren im Controller leisten beim Auswurf hervorragende Arbeit, das klappt perfekt. Doch dann sollt ihr den Köder langsam einfahren und diesen gleichzeitig am Haken bewegen, was bedeutet: Angel nach links, rechts, unten, in die Mitte bewegen – das freilich in einem ganz bestimmten und vorgegebenen Rhythmus. Dummerweise geht das überhaupt nicht vernünftig, sodass ihr es quasi nie schafft, den Köder so zu kontrollieren, dass er für digitalen Fische attraktiv genug ist. Die Konsequenz ist klar: Die Angel ist geradezu unbrauchbar, wenn die Fische nicht anbeißen wollen. Dazu kommt ein mächtiger Logikfehler: Ich kann durch das Drücken der RT-Taste, die auf der Unterseite der Angel zu finden ist, automatisch die Sehne einfahren – die Kurbel wird demnach überhaupt nicht benötigt, zumal ihr Widerstand ohnehin viel zu gering ist und ihr dadurch unnötig häufig an dieser drehen müsstet. Und dass auf ein Rumble-Effekt komplett verzichtet wurde, ist noch unverständlicher, hätte sich dieser bei einer Angelsimulation doch geradezu angeboten, um ein stimmiges Abbild des beliebten Sports zu erschaffen.
Der schlechte Witz ist aber, dass es mit dem typischen Xbox 360-Joypad viel einfacher und fast schon intuitiver ist, Hechte, Barsche und allerlei andere Fische aus dem Wasser zu holen. Hier sind sinnvollen Kombinationen beim Lenken des Köders nachvollziehbar und soweit für jedermann reproduzierbar. Rund zwei Stunden hab ich mit der Angel verbracht und mich über die unendlich vielen Misserfolge geärgert. Beim Umstieg auf das Pad klappte es von Anfang an. Das kann doch nicht sein, oder? Wozu liegt dem Spiel im besten Fall dieser an sich hübsche Controller bei, wenn er keinen konkreten Sinn hat?
Aber auch so begeistert mich „Rapala Pro Bass Fishing“ nur im Ansatz: Das Fangen läuft immer nach dem gleichen Muster ab, ihr müsst versuchen, eure Beute immer in der Bildschirmmitte zu haltenund gleichzeitig die Angel einholen. Taktische Finessen könnt ihr an einer Hand abzählen. Dadurch stellt sich flott Routine ein, die droht, in Langeweile zu münden. Immerhin muss ich zugeben, dass es tatsächlich Spaß macht, an den Meisterschaften teilzunehmen, auch weil ihr wirklich viele Objekte, z.B. Köder, freischalten oder euer Fisch-Archiv vervollständigen könnt. Das hält die Motivation gerade so in einem grünen Bereich. Aber weshalb wurde eigentlich auf Online-Modi verzichtet, so mit Bestenlisten und kooperativem Angeln an einem See? Das wäre doch mal was gewesen, stattdessen gibt’s nur einem läppischen Zweispieler-Modus ohne irgendeinen nennenswerten Anreiz.
Was gibts über „Rapala Pro Bass Fishing“ noch zu sagen? Die Grafik ist gerade oberhalb des Wassers wie angedeutet sehr attraktiv, unterhalb ist sie so lala. Die Fische kann man freilich als solche erkennen, doch von den Besonderheiten der wählbaren Gewässer ist kaum eine Spur. Der deutsche Moderator, der tatsächlich im Sekundentakt (!!) immer den gleichen Scheiß labert, erzählt mir etwas von versunkenen Bäumen in einem See? Und wo sind die? Das kommt leeren Versprechungen gleich, viel tragischer finde ich aber ohnehin, dass es pro Szenario tatsächlich nur einen einzigen Satz gibt, der euch immer und immer wieder vorgesetzt wird. Nach ein paar Stunden mit „Rapala Pro Bass Fishing“ dürftet ihr alle Aussagen auswendig kennen – unfassbar nervig ist das!
Die 20 Turniere mit ihren 50 Herausforderungen sind aber wirklich nett inszeniert und echt unterhaltsam, wenn ihr euch mit dem Thema anfreunden könnt. Umso ärgerlicher ist es, dass Activision Blizzard bzw. die Entwickler es versäumt haben, den Controller sinnvoller einzusetzen, den Sprechern mehr zum Quatschen zu geben und dem Spiel etwas mehr Leben und Leidenschaft einzuhauchen. Die Wettbewerbe sind zwar atmosphärisch in Szene gesetzt, aber nicht konsequent genug, was man schon beim Angeln selbst merkt. Ich gehe weiterhin davon aus, dass richtige Angelexperten, zu denen ich mich in keinem Fall zählen möchte, nicht erfreut darüber sein dürften, dass ausschließlich der Hersteller Rapala mit seinen Ködern, Ausrüstungsgegenständen und so weiter wirbt. Als gäbe es nichts anderes? Gut, im Grunde ist es mir aber egal…