Loving – Große Geschichte im Kleinen

21. Juni 2017

Wer keine Lust auf Superhelden-Gedöns hat, aber ins Kino will, für den könnte “Loving” genau das Richtige sein. Vor 50 Jahren erklärte der Oberste US-Gerichtshof das „Rassenintegrations-Gesetz“ des Bundesstaates Virginia, welches Ehen zwischen Weißen und Schwarzen unter Strafe verbot, für verfassungswidrig. Auslöser war der Fall der Eheleute Mildred und Richard Loving, die neun Jahre gegen den Staat Virginia und für die Anerkennung ihrer Liebe kämpften.

Das Biopic des Ehepaars wird von Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols erfreulich ungewöhnlich inszeniert. Weder gibt es große, pathosschwangere Szenen noch stellt er die historische Ungerechtigkeit in gewaltvollen Voyeurismen dar. Nichols konzentriert sich auf das Ehepaar selbst. Joel Edgerton und Ruth Negga spielen Richard und Mildred Loving als würden sie ein Leben lang nichts anderes tun. In vielen kleinen, oft alltäglichen Szenen zeigen sie ihre Zuneigung zu einander auf behutsame Weise.

Das Ehepaar Loving hat sich auch selbst nie als die großen Vorkämpfer einer Gesellschaftswandlung gesehen. Sie wollten nie im Mittelpunkt oder in der Öffentlichkeit stehen. Das überlassen die beiden lieber den Anwälten der American Civil Liberties Union (ACLU). Stattdessen versuchen sie trotz der Widrigkeiten ein glückliches Leben als Familie mit ihren drei Kindern zu führen.

Nichols entgeht der allzu naheliegenden Gefahr ein rührseliges Moraldrama hervorzubringen aber auch, indem er dem Antagonisten kaum Raum bietet. Der Staat Virginia und seine Exekutive in Form der Polizei bekommen nicht mehr Aufmerksamkeit als notwendig. Der einer rassistischen Ideologie anhängende Polizeichef wird nicht als das Urböse dämonisiert. Rassismus ist nichts mystisches sondern etwas menschliches, mensch-gemachtes. So wird das Unrecht der damaligen Gesetzgebung schonungslos offensichtlich.

Anders als viele Filme gibt Nichols nicht dem zerstörerischen Raum sondern widmet sich ganz dem positiven der Liebe zwischen Richard und Mildred. Damit spannt er einen wunderbaren Bogen zum Amerika von heute. Die Liebe schlägt den Hass. Terror, staatliche Brutalität und das Zurückdrehen wichtiger Gesetze sind zweifelsohne furchtbar. Aber wir können all das überwinden, wenn wir zusammenstehen, zu unserer gegenseitigen Liebe stehen. Das mag etwas hippiesk klingen, ist aber zur Abwechslung einmal eine deutlich optimistischere Botschaft als die vielen zynischen Betrachtungen der letzten Jahre.

Das ist mühsam und harte Arbeit, jeden Tag. Das weiß Nichols und zeigt es in seinem Film immer wieder durch die Metapher von Richards Alltag als Maurer. Ziegelstein um Ziegelstein setzt er aufeinander und verankert sie mit Mörtel und Zement. Ein Haus zu bauen dauert lange, die Gesellschaft zu verändern manchmal auch. Aber “Loving” zeigt, dass sich die Mühen am Ende lohnen.

 

“Loving” läuft seit dem 15. Juni in den deutschen Kinos.

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