868 – Hack: Das Märchen vom kleinen Byte

9. Januar 2014

Es war einmal ein Byte, das lebte in einem Labyrinth. Tagaus, tagein wartete es ängstlich darauf, von gefährlichen Viren gefressen zu werden. Wie es hier herkam und was es an diesem dunklen und muffigen Ort sollte, wusste es nicht. Es hatte sich schon mit seinem Schicksal abgefunden, als eine Stimme ertönte und so laut rief, dass es von den Wänden zurückschallte: „Fliehe und du wirst mit einem großen Schatz belohnt!“. Das Byte stutze, hatte es doch nie zuvor ein anderes Geräusch vernommen, als das ständige metallische Schlurfen der bösen Wächter. Es überlegte kurz, doch dann nahm es all seinen Mut zusammen und machte sich auf den Weg. Denn das Byte war es leid, ständig regungslos in der Ecke zu sitzen und auf den sicheren Tod zu warten.

Dummerweise hatten die hinterhältigen Wächter die Stimme vernommen und machten sich auf die Jagd nach dem kleinen Byte. Diese tödliche Gefahr schien auch die geheimnisvolle Stimme zu spüren. Deshalb tauchten überall im Labyrinth nun kleine Programme auf, die dem Byte auf seiner beschwerlichen Reise zur Seite standen. Zwar musste das Byte dazu mühsam Energiereste und Cyber-Taler aus den Datenleitungen kratzen, doch dann durfte das kleine Byte, das früher sogar von den kleinen Bits gehänselt wurde, zurückschlagen. Was war es für eine Genugtuung und ein Spaß, als es die bösen Wächter endgültig aus dem Speicher löschte, ganzen Reihen von ihnen zerplatzen ließ und sich unbemerkt an ihnen vorbeischleichen konnte! Dennoch musste das kleine Byte vorsichtig sein! Kaum hatte es einen Wächter besiegt, tauchte schon wieder ein neuer auf. Alle waren anders; ständig musste sich das kleine Byte neue und noch gemeinere Tricks einfallen lassen, um seinen Häschern zu entwischen.

Dennoch spürte das kleine Byte das erste Mal in seinem langen, darbungsreichen Leben so etwas wie Hoffnung. Sollte es doch einen Ausgang aus diesem Labyrinth geben? Schnell häufte es noch einen kleinen Schatz an, denn schon immer träumte es davon, am Rand des Datenstroms sorglos seinen Lebensabend zu verbringen. Aber was war das? Als es durch den Ausgang trat, blickte es erneut auf die kahlen Wände eines weiteren, noch gefährlicheren Labyrinths. Einen kurzen Moment lang verkroch sich das kleine Byte in eine Ecke und heulte bitterlich. Schließlich aber trocknete es sich die Tränen ab! Trotzig machte es sich wieder auf den Weg und tilgte ohne jedes Mitleid die Wächter aus dem Speicher.

Im achten Level des achten Tags blickte das kleine Byte erneut auf eine Tür. Es hatte heute noch weit mehr böse Wächter besiegt, als zuvor. Und aus seinen zahlreichen Wunden tropfte glänzend perlendes Datenblut. Nach kurzem Zögern trat das kleine Byte durch die Tür…und fand sich wieder im ersten Labyrinth! Da lachte die Stimme schallend und rief wieder: „Flieh und du wirst mit einem großen Schatz belohnt!“ Da erkannte das kleine Byte, dass die Stimme noch viel hinterhältiger war, als die Wächter, die es besiegt hatte. Sein beschwerlicher Weg durch das Labyrinth, die vielen Gefahren und Kämpfe dienten der Stimme nur zur Unterhaltung! Das kleine Byte wusste nun, dass es aus diesem Labyrinth kein Entkommen gab. Gleichzeitig bemerkte es, dass ihm nun neue Programme zur Seite standen, aber seine Taschen leer waren. Da durchströmte das kleine Byte ein merkwürdiges Gefühl. Hatte es nicht inzwischen Gefallen an diesem bösen Spiel gefunden? Wollte es seinen Widersachern nicht auf alle Ewigkeit all das heimzahlen, was sie ihm angetan hatten? Ein grimmiges Lächeln zog sich durch seine Mundwinkel. Das kleine Byte maß den Abstand zum nächsten Wächter, schätzte seine Chancen ein, überlegte, mit welchem Programm es ihn töten würde und stürmte los. Kurz bevor ihn die Augen des todgeweihten Gegners erblickten, schoss es dem kleinen Byte den Kopf: „Gibt es noch andere wie mich?“ Doch da schmolz sich schon sein Strahl durch die Rüstung des Wächters und ließ von seinem Opfer nichts mehr übrig.

An diesem Tag schwor sich das kleine Byte, dass es niemals aufgeben würde. Bis an sein Lebensende wollte es in dem tödlichen Labyrinth nach Schätzen suchen und seinen Widersachern kein Mitleid angedeihen lassen. Schließlich hatte es sowieso nichts anderes zu tun.

P.S: Michael Broughs „868 – Hack“ ist ein Cyper-Dungeon-Stealth-Crawler. In ihm geht es um nichts anderes als pure, minimalistische Perfektion. Es ist eines der seltenen Beispiele, wo sich ein cleveres Spielprinzip, visuelle Umsetzung und Herausforderung nahtlos ergänzen. 

Das Spiel. (Foto: Michael Brough)

Das Spiel. (Foto: Michael Brough)

„868-Hack“ gibt es nur im Appstore, der Vorgänger kann kostenlos hier heruntergeladen werden. Eine PC-Fassung ist geplant.

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