Polysnack #12: A Maze Festival 2025

29. Juni 2025

Das internationale A Maze Festival ist eigentlich ein absolutes Muss für alle, die Games tatsächlich als Kunstmedium anerkennen. Anders als großen Messen wie die Gamescom, ist das Festival nicht in erster Linie kommerziell orientiert und strebt stattdessen an, Games und digitale Kultur nicht nur als Produkt, sondern als Ausdrucksmedium zu zelebrieren. Seit 2012 präsentiert das Team um Thorsten Wiedemann eine ganz besondere Erfahrung rund um “playful media” wie sie es nennen. Mittlerweile gibt es weitere A Maze Festival Ableger in anderen Ländern wie Südafrika oder Großbritannien.

In Berlin wurde beim A Maze Festival 2025 auf dem Silent Green Gelände im Wedding wieder vier Tage Programm geboten. Neben mehreren spielbaren Ausstellungen, gab es Diskussionsrunden und Vorträge auf zwei Bühnen, zahlreiche Workshops und die hauseigene Awardshow.

Screenshot aus einem Game. Eine Szene, die wie aussieht als wäre es ein Rennaissance Gemälde. Links steht ein Edelmann der sagt "Morning, nerds!!" rechts liegen verschiedene Personen auf dem Boden.

Der DIGITAL MOMENT AWARD ging dieses Jahr an Some Goodbyes We Made von Safe Flight Games. Durch eine Reihe von skurrilen Erinnerungen, sorgfältig ausgearbeiteten Minispielen und einer persönlichen Erzählstimme werden wir eingeladen, über verschiedene Formen des Abschieds nachzudenken und zu überlegen, was es eigentlich bedeutet, sich von jemandem oder etwas, das man liebt, zu trennen. Some Goodbyes We Made nimmt uns mit auf eine emotionale Reise, auf der wir Momente erleben, die zutiefst persönlich und doch nachvollziehbar sind.

Den HUMAN HUMAN MACHINE AWARD bekam “Synch.Live” von Hillary Leone und dem Synch.Live Team. Dieser spezielle Award zelebriert ein Spiel, das unsere digitalen Werkzeuge nicht nutzt, um uns zu distanzieren, sondern um uns zueinander zurückzubringen. Es bringt uns zurück zu unseren Instinkten, unserem Bewusstsein und unserem Menschsein. Das diesjährige Siegerprojekt macht dabei etwas ganz Seltenes: Es lässt Technologie alt aussehen. Synch.Live erinnert uns daran, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, auch wenn wir von Licht, Technik und Code umgeben sind. Es verlangt von seinen Spieler*innen etwas sehr Einfaches, aber dennoch sehr Komplexes: sich zu verbinden und zu einem einzigen, sich bewegenden Organismus zu werden. Es ist teils Performance, teils Experiment, teils Spiel. Es ist ein wenig chaotisch, äußerst clever und wirkt irgendwie ursprünglich und futuristisch zugleich.

Der LONG FEATURE AWARD ist eigentlich für komplexe Spiele gedacht, die uns in detailreiche Welten eintauchen lassen. THRESHOLD von Julien Eveillé sieht auf den ersten Blick vielleicht etwas kleiner aus als man es bei der Kategorie erwarten könnte, überrascht einen aber immer wieder, wenn man bei jedem neuen Durchgang mit wechselnden Entscheidungen die vielen Schichten des Games enträtselt. Mich persönlich hat das Game auch wegen der plastischen Darstellng der Thematiken nachhaltig beeindruckt.

Im Gegensatz dazu steht der EXPLORER AWARD für die experimentellen Ausprägungen der Games-Kultur. Die interaktive Installation Flora von Judit Castells, Daniela Guevara, Paula Jaime und Mariana Pac zeigt in herausragender Weise, wie die Teile unseres Ökosystems miteinander verknüpft sind. In dem gemeinsamen Spiel entwickelt sich eine Vielzahl von Metaphern, die sich auf den Einfluss des Menschen auf natürliche Prozesse beziehen. Spieler*innen werden eingeladen, den Raum zu erkunden, zuzuhören und Teil eines größeren Kreislaufs zu werden. Das geschieht auf eine technisch und erzählerisch sehr schöne, spielerische und poetische Weise.

Für Frauen und andere marginalisierte Gender im Gamesbereich gibt es den vor drei Jahren eingeführten WINGS AWARD. Céline & the Silly Stars haben mit Curiosmos einen verspielt-poetischen Sandkasten geschaffen, in dem wir unser eigenes Sonnensystem von Grund auf aufbauen: Wir formen Planeten, ziehen Monde in die Umlaufbahn, stellen die Schwerkraft ein, fummeln mit der Atmosphäre herum
und schaffen am Ende sogar Leben. Es ist die Art von Spiel, bei der man sich mächtig und klein zugleich fühlt, wie ein kosmischer Ingenieur mit einem Kinderbastel-Set.

Den Hauptpreis, der MOST AMAZING AWARD, hat die Jury an despelote von Julián Cordero, Sebastián Valbuena, Gabe Cuzzillo und Ian Berman vergeben. Wir spazieren über das weiche Gras eines vertrauten Parks, durch das leise Summen von uns umgebenden Gesprächen, die wir nicht ganz verstehen können, die aber irgendwie tröstlich auf uns wirken, entlang der zerbrechlichen und doch warmen Straßen einer Heimatstadt, die sich wie unsere eigene anfühlt. Und dann dämmert es uns: Dieser Ort, an den wir uns erinnern, ist ein Ort, an dem wir noch nie wirklich gewesen sind, nicht ein einziges Mal, nicht einmal im Traum. Während die Grenze zwischen den Erinnerungen des Schöpfers und denen von uns Spieler*innen langsam verschwimmt, werden wir an die einfache Wahrheit erinnert, dass die persönlichsten Geschichten oft die allgemeingültigsten sind.

Auch das Festival Publikum durfte einen Preis auf dem A Maze Festival verleihen und hat den AUDIENCE AWARD an Breaking News von Danil Bialo, Tamir Herzberg und Evyatar Cohen verliehen. Das Game verwandelt einen alten Röhrenfernseher in den ultimativen Controller, der den nostalgischen Akt des Draufhauens auf einen flackernden Bildschirm neu interpretiert. Denn in diesem chaotischen Abenteuer verändert das Draufhauen auf den Fernseher die Realität! Die Spieler surfen durch kultige Szenen, wobei jeder Schlag zu unvorhersehbaren und lustigen Konsequenzen führt.

Neben diesen und vielen anderen spielbaren Games, konnte man auch vielen Gesprächen und Präsentationen lauschen. Absolutes Highlight im Bühnenprogramm waren wieder die Hypertalks – die Wundertüte an mini Vorträgen. Von persönlichen Quirks, besonderen Hobbies oder kleine Game-Dev Post Mortems gab es wieder eine große Bandbreite an Input, interessant und unterhaltsam. Spannend fand ich vor allem exhibit play, eine Kurationsplattform für Games zu bestimmten Themen und ein kleiner Einblick, wie Fischgeräusche in Games klingen und gemacht werden.

Neben dem überwältigenden Programm kann man sich aber auch einfach mit ganz vielen Leuten unterhalten. Näher kommt man der deutschen Indiegame Szene wohl nicht. Dabei ist der Vibe immer locker und einladend, man kann absurd-witzige oder ernsthaft-reflektierte Gespräche führen. Das A Maze Festival ist wie eine Wundertüte voller einzigartiger Erfahrungen.

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