Als EA „Plants vs. Zombies: Garden Warfare“ enthüllte, konnte ich es nicht fassen: Aus dem erfolgreichen Casual Game einen Team-Shooter im Stil von „Team Fortress“ zu machen, ist doch absurd! Wer braucht so ein Spiel? Will EA Gelegenheitsspieler mit der „Plants vs. Zombies“-Marke für Shooter anfixen, sozusagen als Einstiegsdroge für „Battlefield“? Hat ein Marktforscher herausgefunden, dass die Nachfrage für Shooter existiert, die in einem familienfreundlichen Setting spielen? Hat eine Umfrage ergeben, dass Gamer von „Call of Duty“ die Schnauze voll haben und lieber als Sonnenblume durch den Vorgarten huschen wollen?
Shooter und Casual Game im Mixer: Leckerer Smoothie oder geschmacklose grüne Pampe?
Ihr könntet „Garden Warfare“ als die logische Mischung aus EA und Pop Cap sehen: Wenn ihr euch das EA-Portfolio und die erfolgreichsten Spieleserien darin anschaut, kann ja aus „Plants vs. Zombies“ fast nur ein Sportspiel oder Online-Shooter werden. Dann sollte man sich aber fragen, ob diese beiden ungleichen Teile tatsächlich zu einem harmonischen Ganzen werden können. Metaphorisch gesprochen: Wird aus den Zutaten ein leckerer Smoothie oder einfach nur eine grüne Pampe? Jedenfalls war „Garden Warfare“ für mich ein Spiel, das ich aus reiner Neugier haben wollte: Ich wollte einfach wissen, was aus dieser durchgeknallten Idee geworden ist!
Reden wir nicht lange um den heißen Brei: „Garden Warfare“ ist ein richtig gutes Spiel! EA und Pop Cap haben was das Gamedesign angeht offensichtlich viele Rezeptbücher gewälzt und ein rundes Menü zusammengestellt, das nicht nur leicht bekömmlich, sondern auch wirklich lecker ist. Von der Schokoladenseite betrachtet spielt sich „Garden Warfare“, als hätte Nintendo beschlossen, einen Online-Shooter zu basteln: Der Titel ist bunt, kurzweilig und erstaunlich rund was Balancing und Langzeitmotivation betrifft. Ihr merkt, dass die Zutaten sorgfältig ausgewählt wurden. Es stört nicht weiter, dass sich die Entwickler an anderen erfolgreichen Shootern orientiert haben: Wer Spiele wie „Team Fortress 2“, den Horde Modus von „Gears of War“ oder natürlich das hauseigene „Battlefield“ kennt, wird insgesamt wenig Neues finden. Aber man muss den Koch schon loben, der es schafft, die unterschiedlichen Klassen wie Medic, Sniper und Assault formgerecht auf Pflanzen und Comic-Zombies zuzuschnippeln. Beide Parteien sind sich ähnlich genug, um das Spiel fair und ausgeglichen zu gestalten. Sie unterscheiden sich aber auch hinreichend, um eine große Bandbreite an unterschiedlichen Figuren zu offerieren, mit denen Spieler experimentieren können, bis sie ihre Favoriten gefunden haben und deren Eigenheiten meistern können.
Interessanter Rollen-Mix mit fürsorglicher Lernkurve
Nehmen wir den Heiler als Beispiel: Die Pflanzen schicken die Sonnenblume ins Rennen, die ähnlich wie der Medic aus „Team Fortress 2“ mit einem Sonnenstrahl hinter ihren Teamkameraden herrennt, um ihre Hitpoints kontinuierlich zu erneuern. Auf Wunsch schlägt die Sonnenblume Wurzeln und wird zu einem stationären Sonnenlaser, der Zombies in kürzester Zeit brutzelt. Die Untoten haben als Äquivalent einen Wissenschaftler, welcher ähnlich wie die Medics in „Battlefield“ Heilstationen abwirft, an denen sich andere Zombies regenerieren. Zudem teleportiert er sich über kurze Distanzen, um entweder zu entkommen oder aber nah genug für einen tödlichen Schuss aus seiner Pumpgun heranzukommen sowie dem Gegner eine Bombe anzuheften.
Ähnlich unterschiedlich spielen sich die anderen Pflanzen und Zombies. Die Grundfunktionen sind leicht zu verstehen, die Feinheiten müsst ihr zunächst verinnerlichen. Aber dafür haben sich die Entwickler ein gutes System überlegt: Die einzelnen Fähigkeiten müssen für jede Klasse erst durch Level Ups freigeschaltet werden, und um diese zu erreichen, genügt es nicht, einfach Erfahrungspunkte zu sammeln: Ihr sollt bestimmte Aufgaben erfüllen, die sich gerade am Anfang stets an dem Einsatz der neu erworbenen Fähigkeiten orientieren. Beispielsweise andere Spieler zu heilen. So lernt ihr nicht nur die jeweiligen Klassen, sondern taktische Shooterfeinheiten, die ihr euch in Spielen wie „Battlefield“ entweder selbstständig aneignen müsst oder von erfahreneren Spielern beigebracht bekommt, unter anderem erhöhte Positionen wie Dächer ausnutzen und im Gegenzug diese mit (Knoblauch-)Dronen und vergleichbaren Mitteln sauber halten. „Garden Warfare“ taugt damit tatsächlich zum universellen Shooter-Tutorial für kleine Geschwister und zukünftige „Battlefield“ Profis!
Sticker-Grinds und Bulletsponges
Die Dinge, die „Garden Warfare“ anders als altbekannte Online-Shooter macht, nerven mich lustigerweise am meisten: Zum Beispiel die Sticker Packs, die ihr euch für die Ingame Währung kaufen könnt, mit der mit denen ihr nach jedem Match belohnt werdet. Damit schaltet ihr nicht nur kosmetische Items wie neue Kostüme frei, sondern auch die für den Koop-Modus „Garden Ops“notwendigen Topfpflanzen. Diese setzt ihr wie die Turrets im Hordemodus von „Gears of War“ ein, um KI-gesteuerte Zombiemassen auszudünnen. Als Old-School-Gamer hätte ich mir hier ein spielbezogeneres und nicht so sehr zufallsabhängiges System gewünscht, das sich irgendwie nach free2play anfühlt. In den Stickerpacks, die die Türme enthalten, findet ihr nämlich auch noch andere Dinge wie Gegenstände, die das ganze Team wiederbeleben und fast wie Cheats wirken. Was mich an den Sticker Packs stört, das ist nicht nur die Unberechenbarkeit insgesamt – ihr könnt euch z.B. nicht gezielt auf ein bestimmtes Outfit für die Klasse, die ihr am liebsten spielt,hinarbeiten – sondern gerade die Beliebigkeit der Items im “Garden Ops”-Modus: Irgendwas habt ihr immer die Blumentöpfe parat, aber die Entscheidung, was ihr pflanzt, ist keine taktische, sondern eher eine, bei der ihr abwägt, ob ihr jetzt lieber ein seltenes oder weniger seltenes Objekt opfert.
Bemerkenswert – gerade im Vergleich zu neueren Shootern wie „Titanfall“, in denen ja schon Pistolen markierte Ziele automatisch treffen – ist außerdem, dass die Pflanzen und Zombies wirklich jede Menge einstecken können. Vermutlich soll das ebenfalls ein Zugeständnis für Shooter-Neulinge sein. Dadurch werden aber insbesondere diejenigen belohnt, die es schaffen, beim Schießen permanent in Bewegung zu bleiben, ohne dabei das Fadenkreuz von ihrem Ziel zu nehmen. Für PC-Spieler wie mich mit dem Joypad in der Hand ist das nicht unbedingt eine leichte Übung! Mit der “Titanfall” Beta bin ich jedenfalls etwas besser zurecht gekommen.
Unfreiwillige Lauschangriffe und damit verbundene Lachattacken
Kommen wir zurück zur ursprünglichen Frage: Wer will so etwas überhaupt spielen? Zumindest spielerisch wird eigentlich nichts geboten, was ihr in ähnlicher Form nicht auch bei „Battlefield“ und Co haben könntet. Also: Welche ist die ominöse Zielgruppe des Spiels? Dank Kinect habe ich hier einige (unfreiwillige aber durchaus lustige) Einblicke in die Demographie der User bekommen: Das Spiel überträgt nämlich an der Xbox One ungefragt die eigene Stimme an die Mitspieler. Zwar könnt ihr andere Leute stumm schalten, aber eine Option, um das Senden der eigenen Übertragung zu stoppen, habe ich anfänglich nicht gefunden. In diesem Fall konnte ich wohl wirklich froh sein, dass ich überwiegend allein im Raum bin, wenn ich zocke. Andere haben nicht so viel Glück!
Vieles von dem, was über den Kinect-Äther ging, habe ich aber ohnehin nicht verstanden, denn mehr als Deutsch und Englisch verstehe ich nicht. Vermutlich wollte die spanische Mama, die ihren noch nicht im Stimmbruch gewesenen Sohnemann kurz nach Mitternacht vor der Xbox erwischte, aber, dass er schleunigst ins Bettchen geht. Dann wären da noch die großen Brüder oder jungen Väter, die das Spiel ihren kleinen Geschwistern oder ihrem Nachwuchs zeigen. Hier lauschte ich beispielsweise französischen Mädchen, die vermutlich irgendeine Pflanze besonders süß fanden. Schockiert hat mich eher der kleine Bruder aus England, der wissen wollte, ob man das tolle Eis-Skin für den Sniper-Kaktus nicht auch einfach wie in anderen Spielen gleich mit der Kreditkarte bezahlen könne. Aus Deutschland habe ich überwiegend ältere Spieler belauscht: „Schatz, kommst du jetzt auch mal ins Bett oder was?“, „Nur noch die eine Runde!“, „Das hast du vorher schon gesagt! (Pause) Sag mal was für nen Scheiß spielst du denn da? Bist du ne Erbse, die Ameisen jagt?!“.
Vielleicht liegt’s an der noch überschaubaren Softwarebibliothek der Xbox One, aber das Spiel scheint wirklich in allen Altersgruppen gut anzukommen! Ich bin allerdings skeptisch, ob das eher kurzweilige „Garden Warfare“ auch nach dem Erscheinen von „Titanfall“ noch viel gespielt wird. Da EA aber kostenlose Contentpatches versprochen hat und ihr dank zufälliger Stickerbelohnungen sowie langwierigem Levelprozess so schnell nicht alles erreicht haben dürftet, kann ich mir durchaus vorstellen, dass ihr dieses Spiel gerne mal wieder für die berühmte Runde zwischendurch hervorkramt! Gegebenenfalls kommt das Werk bei einer Zielgruppe sogar besser an als riesige Kampfroboter:
„Alter, hast du die ganzen Kekse gefressen?!“ Diese beiden Jungs waren für mein persönliches Highlight bei „Garden Warfare“ verantwortlich. Nie hatte ich so viel Spaß in einem Online-Spiel wie in dem Moment, als ich ein vermeintlich privates „Alter! Pass auf! Du schmeißt gleich die Bong um!“ mit einem unerwarteten „Hier spricht die Polizei! Drogenkonsum gefährdet ihre Gesundheit!“ beantworten konnte. Das darauf folgende „Scheiße! Hast du das auch gehört?!“ war einfach unbezahlbar!