Mittelerde: Mordors Copy Cat

8. November 2014

Okay, besinnen wir uns einmal auf folgendes: Spieler motzen gerne. Titel XY hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht großartig/zu sehr verändert. Die Grafik ist altbacken oder aber stilistisch so anders, dass das Spiel Mist ist. Keine virtuelle Garderobe mehr? Buh! Ein anderer Held? Weg damit! Mich wundert es daher, dass “Mordors Schatten” von der Community bisher so positiv aufgenommen wurde.

Schleich dich? "Mordors Schatten" mixt verschiedenste Spiele. Schmackhaft ist es trotzdem nicht. (Bild: Warner Bros.)

Schleich dich? “Mordors Schatten” mixt verschiedenste Spiele. Schmackhaft ist es trotzdem nicht. (Bild: Warner Bros.)

Seit gut einem Monat ist “Mittelerde: Mordors” Schatten auf dem Markt – bislang für PC, Xbox One und PlayStation 4, Fassungen für PlayStation 3 und Xbox 360 folgen in wenigen Tagen. Man kann von der Veröffentlichungspolitik des Publishers Warner Bros. halten, was man möchte – bislang war sie erfolgreich. Das Spiel ist ständig und überall ausverkauft. Nicht nur Kunden, auch Kritiker lieben es.

Am Anfang

Die ersten Minuten mögen dem recht geben. Die Story rund um Waldläufer Talion, der im Halbdunkel zwischen Dies- und Jenseits die Chance erhält, seine getötete Familie zu rächen, ist nicht nur eines der klassischsten Motive der Literatur, sondern fesselnd und spannend inszeniert. So springt die Erzählung munter zwischen narrativer Gegenwart und Vergangenheit hin und her, zeigt die Charaktere mal lebendig, dann wieder als leblose Hülle. Davon werdet ihr regelrecht angezogen sowie fasziniert und könnt auch den ewigen Kampf ums Überleben in Mittelerde nachempfinden. Was es bedeutet, Hab und Gut zu verlieren, die eigene Familie leiden sehen zu müssen. Und wie bestialisch und rücksichtslos Orks einst blühende Landschaften plündern. Weder Kenntnisse über die Filmtrilogie noch die Literatur der Tolkien-Saga werden vorausgesetzt, um die Story genießen zu können. Sie funktioniert auch ohne entsprechenden Background. Fans freuen sich trotzdem über ein Wiedersehen mit Granden wie Gollum.

In der gleichen Güteklasse wie die Narration ist die deutsche Vertonung anzusiedeln. Abgesehen von einigen Nebencharakteren und Orks, transportiert der Cast jene Stimmungen und Emotionen, für die ihr vermutlich eher ein Kino aufsuchen würdet als denn die Konsole oder den Rechenknecht anzuschmeißen. Dass der orchestrale Soundtrack dazu fähig wäre, mit einer geeigneten Anlage die Hälfte eures Häuserblocks in Schutt und Asche zu legen, ist das Formsache. “Mordors Schatten” ist technisch ein Brett und erzählerisch das beste Flickwerk seit “Alan Wake“.

Kultivierung nach bekanntem Muster

Aber jetzt kommt es. Hinter der technisch beeindruckenden Fassade steckt ein Spiel, das ihr kennt und mit großer Wahrscheinlichkeit schon gezockt habt: “Batman Arkham”. Ob nun Asylum, City oder Origins ist egal. “Mordors Schatten” nimmt die Essenz der Fledermaus-Reihe auf und bedient sich in fast allen Aspekten des Rocksteady-Hits. Das Kampfsystem mag da zuerst auffallen. Kombos, Ausweichmanöver, Fokussierung auf einen Gegner oder Rundumschläge – es fühlt sich sehr vertraut an, was “Mordors Schatten” auftischt. Oft hatte ich das Gefühl, dass Monolith das Free-Flow-System nicht nur als Inspiration nahmen, sondern gleich den Quellcode implementierten. Mag sogar stimmen, wären da nicht zwei Fußnoten: Viele Ork-Grüppchen werden geleitet von einem Kommandanten, der euch vom Spiel mit Namen vorgestellt wird und im Kampf auf Leben und Tod sinnlos vollbrabbelt. Und dann sind da noch die Trommler, die Nachschub mobilisieren. Schaltet ihr sie nicht aus, fallen hunderte oder tausende Orks über euch her. Das nervt auf Dauer, da es sich zu oft wiederholt.

Ja, es ist düster! Das war Batman aber auch! (Bild: Warner Bros.)

Ja, es ist düster! Das war Batman aber auch! (Bild: Warner Bros.)

Batmans Arkham-Triplett, und das ist die nächste Krux, kopierte wiederum einen Großteil der “Assassin’s Creed”-Serie. Nicht das Questsystem, sehr wohl aber die Art, wie die Welt erkundet und erschlossen wird, wie sich die Karte Stück für Stück lichtet. Das Schleichen – kenne ich so aus “Far Cry 3”. Und selbst die Bullet-Time aus “Max Payne” findet ihren Wiedergänger – zückt Held Talion den Bogen, läuft die Zeit langsamer ab. Langweilig? Schon. Solange, wie sich “Mordors Schatten” anderer Spiele bedient, funktioniert der Titel.

Anders bei den eigenständigen Elementen. Das Nemesis-System wäre so eines. Klar, es ist Krieg in Mittelerde und die einzelnen Kriegsherren versuchen, sich ein großes Stück vom Kuchen einzuverleiben. Tötet ihr einen Ork-Anführer, füllt ein anderer das Vakuum, das der Verblichene hinterlässt. Diese Selektion treibt seltsame Blüten und befördert niedere Chargen zu höheren Weihen – weshalb die Wiederkehr bestimmter Ork-Fürsten aber nun sensationell sein soll, erschließt sich mir nicht, denn als Spieler kriegt man herzlich wenig davon mit. Nötig sind die Duelle einzig und allein, um Machtpunkte zu generieren, die dann neue Fähigkeiten freischalten. Nun ja…

Damit ist “Mordors Schatten” der Spiel gewordene Beweis, dass “Besser gut geklaut, als schlecht selbst gemacht” nicht nur ein geflügeltes Wort ist, sondern knallharte Realität. Um den Kreis zu schließen: Weshalb ist “Mordors Schatten” auf PlayStation 4 und Xbox One so erfolgreich? Meiner Meinung nach, weil es ansonsten in 2014 noch keine allzu großartigen Spiele gab, die auf diesen Plattformen rockten und das Vakuum eben mit irgendeinem Titel gefüllt werden musste. Mit diesem halt.

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One comment on “Mittelerde: Mordors Copy Cat

  1. Dominik Nov 9, 2014

    Ich finde das Spiel wirklich super und sehe bis auf das Kampfsystem wenig Überschneidung mit den Arkham Spielen. Für mich ist es eines der besten Open World Spiele überhaupt, weil hier – im Gegensatz etwa zu den GTA Spielen – das Open World Prinzip wirklich gut und sinnvoll mit der Geschichte und dem Nemesis System verbunden ist. Gerade letzteres finde ich einfach genial umgesetzt! Ich wurde durch den Wunsch mich “noch kurz” zu rächen schon öfters weit über die Schlafenszeit hinaus an das Spiel gefesselt. Für mich definitiv eine der großen Überraschungen 2014. Ja das Spielejahr war im AAA-Sektor bisher mau, aber das hier wäre auch in jedem anderen Jahr in meine Highlightliste gerutscht!