Eine funktionierende, intuitive und leicht handhabbare Spielmechanik ist die Basis eines guten Spiels. Aber was ein „nur“ gutes Spiel für mich von einem mitreißenden, fesselnden Spiel unterscheidet, ist eine spannende Geschichte mit stimmigen Charakteren. Interessante, nachvollziehbare und lebendige Charaktere. Sie ziehen mich mit in ihre Welt und lassen mich oft den dünnsten Plot vergessen. Die hundertste Zombie-, Gangster- oder Fantasy-Geschichte kann packend sein, wenn die Charaktere passen. Spiele wie “Beyond: Two Souls“, “Enslaved“, “Tomb Raider“, Telltales “Walking Dead”, “L.A. Noire” oder “Remember Me” sind nur ein paar Beispiele.
Protagonist, Antagonist und sämtliche Nebenfiguren sind dabei allesamt gleichermaßen wichtig, um eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen. Und nur dann entsteht für mich eine emotionale Bindung. Bei Games ist diese Verbindung zu den Personen sogar noch wichtiger als in anderen audio-visuellen Medien, da ich als Spieler aktiv in das Geschehen eingreife. Wenn mir die Figuren in einem Spiel egal sind, dann verkommt das Zocken zum reinen, dumpfen und maschinellen Abspulen von Befehlen. Bei Multiplayer Shootern wie “Titanfall” oder “Battlefield” ist mir der gesichtslose Soldat egal. Der nächste Respawn kommt bestimmt. Hier stehen Teamplay, Taktik und das Scoreboard im Vordergrund. Es wird die Monotonie geradezu kultiviert und perfektioniert. Aber Singleplayer-Titel dürfen nicht eintönig sein. Je öfter man die immer gleichen Charaktere (Landschaften/Gegnertypen/Rätsel) vorfindet und spielt, desto uninteressanter wird es.
Anachronismen überwinden
Trotzdem hat sich über die Jahre ein Prototyp in Spielen durchgesetzt und bis heute gehalten: Weiß, männlich, sportlich, zwischen 25 und 30 Jahre alt, hetereo. Rollenspiele klammere ich hier bewusst aus, weil diese aus der analogen Tradition des Pen & Paper dem Spieler die Figurenbestimmung überlassen. In Action-Adventures, Hack&Slays oder Horror-Survivals ist das anders. Stellt man nun die Frage, warum das so ist, bekommt man sehr oft die Antwort: Die meisten Gamer sind eben weiß, männlich und hetero. Willkommen in der Denkstruktur des letzten Jahrtausends! Selbst wenn das wahr wäre, dann ist das noch lange kein Grund für eine monotone Charakterzeichnung. Denn eine Identifikation findet nur in geringer Weise über Äußerlichkeiten statt. Erst recht bei einer Spielzeit von mindestens zehn Stunden. Und wird von Gamern nicht immer behauptet, der Reiz an Spielen wäre die Möglichkeit, zu handeln, wie es in der Wirklichkeit nicht möglich ist? Zu sein, was man nicht ist und nie sein wird? Also wo sind denn dann die ganzen Hauptfiguren aus den Minderheiten? Überspitzt ausgedrückt: Wo ist die bisexuelle, halb asiatische, halb afrikanische, mollige, 43-jährige Frau als Hauptperson? Gibt es nicht. Man kann es auch weniger polemisch sagen: Minderheiten sind in Spielen kaum vorhanden; und wenn, dann nahezu ausschließlich als stereotype Nebenfiguren. Der faule Mexikaner, der schmierige Italiener, der besoffene Ire, der proletenhafte Redneck – sie alle lassen sich in Games auffinden. Was in Zeichentrick-Point & Click Adventures oder überdrehten Hack&Slay-Orgien (huhu, Platinum) vielleicht noch lustig ist, ist in realistischen Settings einfach fehl am Platz. Oder anders herum: Es fehlt an echten Charakteren.
Anzeichen für Veränderung?
„Der übergroße Wunsch der Entwickler zielt darauf, im Gamer neben Schadenfreude, Wut und Hoffnung auch feinere Regungen wie Mitleid oder Zuneigung zu entfachen. (…) Noch aber sind die Avatare der Spielfiguren zu deutlich als elektronische Pappkameraden zu durchschauen. (…) [I]rgendwann [werden] die ersten Tränen über das Schicksal seelenloser Roboter vergossen werden.“
So beschrieb Andreas Rosenfelder 2008 in seinem Buch „Digitale Paradiese“ noch das Verhältnis zwischen Spieler und Spielfigur. Doch es hat sich etwas verändert. Mittlerweile wurden diese Tränen vergossen.
Aber ist das nur die Ausnahme oder wird hier tatsächlich ein Paradigmenwechsel eingeläutet? Erleben wir eine erkennbare Personen-Vielfalt jenseits von Stereotypen? Es gibt Anzeichen dafür. “The Last of Us” ist so ein Beispiel. Das scheinbar ausgelutschte Zombie-(Post)-Apokalypse-Setting wird durch die Beziehung zwischen Ellie und Joel aufgebrochen. Diese lebt vor allem davon, dass sich die Personen weiterentwickeln. Steht Ellie anfangs noch unsicher und verschüchtert im Raum, ist sie im späteren Verlauf aufmerksam, selbstbewusst und schlagfertig. Dem folgt auch die Story: Statt Joel, steuert der Spieler nämlich Ellie, die nicht nur keinen Beschützer mehr braucht, sondern selbst zum Beschützer wird. Auch die Nebenfiguren sind weder stereotyp noch platt und allesamt in ihren Handlungen nachvollziehbar. Endlich gibt es einen schwulen Charakter, der nicht dämlich oder tuckig ist (Bill)! Mit Dave haben wir einen Antagonisten, der nicht einfach nur böse ist. Er ist kein psychopathischer Sadist, er steht als kannibalischer Pädophiler aber eben moralisch auf der anderen Seite. Doch Naughty Dog geht noch einen Schritt weiter und macht im DLC Ellie komplett zum Hauptcharakter. Die jugendliche (auch sexuelle) Unsicherheit ist dabei das erzählerische Sahnehäubchen. Selbstverständlich ist “The Last of Us” nicht perfekt. Warum war der Hauptcharakter kein Afro-Amerikaner, Asiate oder Hispanic? Hätte das Spiel dann nicht mehr funktioniert? Warum keine Frau als Hauptcharakter [Tess!]? Warum ist die Spiegelung der Joel-Ellie Konstellation schwarz? Das Scheitern von Henry und Sam ist durchaus nicht unbedenklich, betrachtet man es unter dem ethnischen Aspekt. Damit eng verbunden ist Marlene, Anführerin der zweifelhaften Fireflies und auch schwarz. Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass “The Last of Us” rassistisch sei, es fällt mir nur auf.
Ein weiteres Beispiel ist “BioShock Infinite“. Schon im Hauptspiel trug mich die Geschichte der Paralleluniversen, Entscheidungen und Konstanten über das eher simple, teilweise zähe Gameplay hinweg. Ähnlich wie bei “TLoU” entwickelt sich die Beziehung zwischen Elizabeth und Booker konstant weiter. Außerdem verändert sich die Persönlichkeit von Elizabeth. Vom unterwürfigen, passiven und gutgläubigen Mädchen wird sie zur einer kritischen, handelnden und bestimmenden Person. Auch hier wird die Entwicklung im DLC “Burial at Sea” Teil Zwei weitergetrieben und Elizabeth wird die spielbare Hauptperson. “BioShock Infinite” ist nicht frei von Kritik und besitzt dabei sogar einige Parallelen zu “The Last of Us”. Denkt mal an die von einer schwarzen Frau angeführte radikale Gegenbewegung. Darüber hinaus wird extra eine Multiversum-Theorie etabliert sowie erklärt und dann nutzt man sie auf die billigste, weil einfachste Art und Weise: Man führt Charaktere und Orte aus allen “Bioshock”-Spielen einfach zusammen. Das freut sicherlich viele Fans, ist aber nicht sonderlich kreativ. Wenn es doch unendliche Varianten gibt, also unendliche Möglichkeiten, warum dann die simpelste nehmen, gerade die, die den Spieler am wenigsten fordert? Weshalb die Variablen nicht ändern, beispielsweise eine asiatische Elizabeth oder ein nicht westliches Setting? Die Kritik am us-amerikanischen Exzeptionismus hätte man dadurch noch deutlicher machen können, indem man während des Spiels per Dimensionsriss in eine chinesische Variante von Columbia gekommen wäre. China als Weltpolizei hätte der Sache noch einen stärkeren Zerrspiegel vorgehalten. Weiterhin gibt es etwa noch “Assassin’s Creed Freedom Cry”, den DLC zu “AC 4”. Hier spielt man den Schwarzen Adéwalé, der sich vom Sklaven zum Piraten und schließlich Assassinen mausert. Mal was Neues.
Im DLC-Abseits
Aber hier haben wir den Punkt erreicht, an dem ich skeptisch werde, ob es wirklich eine Veränderung im Storytelling von Games gibt: Warum passiert das alles im DLC und nicht im Hauptspiel? Fehlte doch der Mut? Soll hier eine Veränderung durch die Seitentür auf den Weg gebracht werden? Sind die DLCs Tests, wie erfolgreich Spiele mit von der Norm abweichenden Protagonisten sein können? Oder ist es doch nur bloße Appeasement-Politik gegenüber den Kritikern und dem eigenen Gewissen? Denn machen wir uns nichts vor, DLCs (oder PS Vita Ableger a la “Assassin’s Creed: Liberation”, in dem eine Frau die Hauptperson ist) erreichen nur einen Bruchteil der Konsumenten. Vielen sind die DLCs einfach zu teuer oder sie betrachten das Hauptspiel als abgeschlossen und finden Story-DLCs schlichtweg unnötig.
Geht die Gamesbranche in Sachen Vielfalt neue Wege oder bleibt es bei kleinen Seitenpfaden?
Die Menschheit ist vielfältig, genauso wie die Gamerschaft. Die Charaktere in den meisten Games spiegeln diese Vielfältigkeit allerdings leider nicht wider. Sogenannte Randgruppen und Minderheiten sollten eine bessere Repräsentation in Spielen erhalten, vor allem in Triple-A-Mega-Blockbuster-Systemseller-Over-the-top-Budget-Games. Davon profitieren alle. Diejenigen, die Teil einer dieser Gruppen sind, erhalten mehr Aufmerksamkeit und (vielleicht) auf diesem Wege auch mehr Akzeptanz sowie Respekt. Die anderen Spieler bekommen frische Ideen, also mehr Spielspaß. Und die Entwickler und Publisher erschließen sich unter Umständen neue Kunden. Ob sich die zaghaften Schritte in diese Richtung von DLCs in Hauptspiele übertragen werden, wird sich zeigen. Ich kann es nur stark hoffen, denn sonst werden die meisten kommenden Spiele für mich vor allem eins: langweilig.
Ich würde nicht einmal sagen, dass DLCs unnötig sind, nur sind sie leider in vielen Fällen schlicht und ergreifend zu teuer. Wenn ich mir anschaue, dass ich für mein Borderlands 2 mehr für die DLCs ausgeben muss, als mich die mittlerweile erhältliche Borderlands 2 GotY Edition kostet, sag ich halt einfach nein danke. Oder das im Beispiel genannte Bioshock Infinite warum wurde Burial at Sea Part 1 nicht auch komplett synchronisiert? Ich habe nun mal keinen bock, Untertitel zu lesen, und mein Englisch ist auch nicht mehr unbedingt so gut, um Spiele in englisch spielen zu können.
Ich “oute” mich hier ja immer wieder gerne als Verfechter von DLC, wobei ich hier betont diejenigen meine, die das Hauptspiel auch wirklich sinnvoll und spürbar erweitern, verbessern oder dessen Handlung weiter erzählen. Irgendwelche zusätzlichen Challenges, komische Equipment-Packs oder kosmetischer Mist können mir gestohlen bleiben.
“Burial at Sea” ist aber sicherlich ein Paradebeispiel eines hervorragenden Service für alle Fans des Hauptspiels – von der fehlenden Synchro mal abgesehen, die mich persönlich überhaupt nicht stört. Aber wer es komplett synchronisiert mag, sollte sich mal die beiden umfangreichen und fantastischen DLCs von “Dishonored” anschauen.
Für diese beiden Beispiele gilt: Es handelt sich aus meiner Sicht nicht um Dinge, die man im Hauptspiel vermisst hat, sondern eben um sinnvollen, neuen Inhalt. Und gerade die “Dishonored”-Erweiterungen beweisen, dass das ohnehin hervorragende Hauptspiel noch besser werden kann.
Also, gebt mir mehr von solchen DLC (die ja nichts anderes als die Add-Ons und Erweiterungsdisks von früher waren), und ich werde sie auch weiterhin gerne kaufen und spielen.
Ich hab grundsätzlich auch nix gegen Story DLCs, ganz im Gegenteil ich finde die meisten super.
Mir ging es hier ja um was anderes: In Sachen Charaktervielfalt werden neue, spannenden Protagonisten (Frauen, Schwarze) – noch – in DLCs verbannt. Mich interessiert dabei, was der HIntergedanke dabei ist:
– Neues über Umwege ins Gamerbewusstsein zu bringen?
– Kritiker beruhigen?
– ….?
Für mich sprichst Du da einen wichtigen Punkt mit einer momentan noch sehr traurigen Antwort an:
Solche durchaus lobenswerte Experimente werden eben wirklich aus der Furcht vor dem ausbleibenden geschäftlichen Erfolg in den Bereich der DLC geschickt. Geradezu frappierend ist das bei “Assassin’s Creed” zu sehen: Erst nachdem Connor in “AC 3” als ziemlich dröger Held von den Kritikern abgetan wurde, das Spiel an sich aber ein riesen Verkaufserfolg war, entschied man sich mit “AC: Liberation” für einen mutigeren Weg, was den Auftritt von Aveline erklären sollte. Und weil das so gut geklappt hat, hat man das mit dem Add-on für “Black Flag” auch gleich nochmal probiert, wobei man es aber nicht unterlassen hat, im Hauptspiel wieder auf Nummer Sicher zu gehen.
Und wenn man sich mal die letzten, erfolgreichen Spiele mit Protagonistinnen ansieht, ergibt sich ein ähnliches Bild: Wer hatte Erfolg? Richtig, “Tomb Raider” mit einer zwar etwas menschlich aussehenden, aber immer noch ziemlich etablierten Lara Croft! Eine Nilin aus “Remember Me” hat praktisch jeder schon vergessen, wobei das natürlich auch an der fehlenden Qualität des Spiels an sich liegen mag. “Remember Me” war einfach nicht gut genug, um Nilin als interessanten Charakter in den Spielerköpfen zu verewigen.
“Überspitzt ausgedrückt: Wo ist die bisexuelle, halb asiatische, halb afrikanische, mollige, 43-jährige Frau als Hauptperson? Gibt es nicht.”
Aus gutem Grund. Und zwar einem anderen, als von Minderheiten-Verteidigern behauptet. Es wäre unrealistisch mit so einer Person so einer Abenteuer zu bestehen. So eine Person würde beim ersten Gegner sterben – Spiel vorbei!
Zweiter Grund, unattraktive Personen treffe ich in der Realität häufiger als Supermodels, klar. Aber genau das ist der Punkt! In meiner Freizeit, wenn ich Spiele oder irgendwelche Medien konsumiere, dann will ich der grauen, tristen Realität entfliehen! Ich will nicht in die Rolle des hässlichen Entleins schlüpfen, ich identifiziere mich nicht mit einem Larry Laffer wenn ich ihn spiele, ich sehe ihn losgelöst. Heutige Spiele bieten oft eine große Immersion, ich will in die Rolle eines strahlenden Helden schlüpfen. Dabei ist es mir recht egal ob männlich oder weiblich, weiß oder asiatisch. Aber verdammt, er oder sie muss cool sein und geil aussehen!
“Minderheiten sind in Spielen kaum vorhanden; und wenn, dann nahezu ausschließlich als stereotype Nebenfiguren. Der faule Mexikaner, der schmierige Italiener, der besoffene Ire, der proletenhafte Redneck – sie alle lassen sich in Games auffinden.”
Das sind die üblichen Stereotypen. Diese sind als Nebencharaktere beliebt, weil sie halt jeder kennt und sofort identifizieren kann. Sie bedürfen keiner Erläuterung, was ihre (unwichtige) Rolle stützt.
Mal ehrlich, will irgendwer einen rechtsradikalen, versifften, inzestgezüchteten, drogensüchtigen Schwarzen mit einem weichen Kern, der älteren Damen gerne über die Straße hilft und drei Hauskatzen hat als Hauptcharakter spielen? Denn wenn schon Diversität bei den Charakteren gefordert wird, dann MUSS auch so etwas bei raus kommen. Aber ich sehe schon den Aufschrei der betroffenen “Minderheiten” bzw. deren selbsternannter Verteidiger, bei einem weißen Muskelprotz wären oben genannte Eigenschaften nämlich okay, im Zweifel wird er als Antiheld geschrieben, der im Laufe der Handlung politisch korrekt geläutert wird. Bei Minderheiten als komplexerer Charakter ist jede negative Eigenschaft ein sofortiges politisches “No Go”. Damit lassen sich also keine komplexen Charaktere bauen.
Ich glaube nicht, dass es darum geht, den absoluten Gegenpol zum stereotypischen Superhelden in ein Spiel zu packen. Es geht vielmehr darum, tiefgehendere Geschichten mittels anderer Heldentypen zu erzaehlen.
Du hast insofern recht, SpiritOgre, dass im Spiel genauso wie im Film meistens die stereotypischen Figuren bedient werden, weil es sich um Unterhaltung handelt, in der sich der Konsument fluechten will. Er will nicht immer an die Realitaet erinnern werden, sondern in eine Scheinwelt entfuehrt werden, in der er der Held sein kann, den er im echten Leben nicht abgibt.
Aber auch Filme entfernen sich immer wieder mal von diesem Rezept und erzaehlen ihre Geschichten aus anderen Perspektiven. Es mag sein, dass das ohne die “Interaktivitaet” eines Spiels einfacher ist, aber auf der anderen Seite bin ich der Meinung, dass ein Spiel solch kritische und nachdenkliche Inhalte, wenn es gut gemacht ist, noch weitaus eindringlicher erzaehlen kann als ein Film.
Ansaetze sind ja schon erkennbar, z.B. in “The Walking Dead”, “To the Moon”, “Gone home” oder auch in “Beyond”, ebenso wie in “Heavy Rain”. Und all das sind doch sehr gute Beispiele dafuer, dass das Spielerlebnis nicht zu kurz kommen muss, damit eine Geschichte trotzdem ohne typischen Helden-Stereotypen funktionieren und unterhalten kann.
Die genannten Beispiele sind aber spielerische Sonderfälle, wo der Fokus stark auf der Geschichte liegt, bzw. einzig auf der Geschichte.
Wichtig ist eigentlich, dass der Spielcharakter zur Geschichte und zum Gameplay passt. Die ältere dicke Halbmexikanerin, ich weiß, das Beispiel war übertrieben, passt z.B. überhaupt nicht bei actionlastigen Spielen. Und ich denke, dass sind die Spiele, die eben bei den Hauptcharakteren hauptsächlich bei einigen Leuten Ärgernis verbreiten. Denn letztlich, in Adventures und ähnlichen storylastigen Titeln, gibt es schon lange die ungewöhnlichsten Charaktere. Leute mit Problemen und Ecken und Kanten.
Was oft gefordert wird, dass es Hauptcharaktere gibt die homosexuell sind oder z.B. muslimisch – ich weiß nicht!? Muss man solche Dinge extra erwähnen, wenn sie zum Spiel nichts beitragen? Da kann sich doch jeder selbst vorstellen, welche Eigenschaften seine Spielfigur hat. Aber solche Dinge Spielern aufzuzwingen, die damit nichts am Hut haben, finde ich kontraproduktiv. Im Zweifel schreckt das doch ab. Ich glaube, ich würde ein Spiel das versucht mich islamisch oder homosexuell zu indoktrinieren ganz schnell als Propaganda wieder zur Seite legen. Der schmale Grad zwischen “so ist der Charakter” und “aus diesem Grunde sagt und tut er dieses und jenes” ist in so einem Fall nämlich schnell überschritten. Schließlich werden solche Thematiken in den meisten (Action-) Spielen nicht einmal angeschnitten. Die Spielfigur ist häufig einfach eine leere Hülle.
Und ich denke eben auch nicht, dass es Minderheiten gefallen würde wie eine Persiflage dargestellt zu werden. Denn die meisten Actionhelden sind genau das, allen voran natürlich der Duke.
Die jüngeren Bioware RPGs (Mass Effect, Dragon Age) lassen dem Spieler doch z.B. freie Wahl. Wenn die Story es zulässt, dann ist das eher die Art, wie es noch häufiger vorkommen sollte. Aber in einem Witcher sieht die Sache eben wieder völlig anders aus. Geralt ist eben der narbengezeichnete, zeugungsunfähige Weiberheld.
Natürlich müssen die verwendeten, nicht-stereotypischen Charaktere auch zur erzählten Geschichte passen. Aber genau das ist doch auch die hiermit verbundene Kritik, denn es geht letztlich darum, interessante Geschichten mit komplexeren Charakteren zu erzählen anstatt mal wieder den Hurra-Patriotismus a la “Call of Duty” mit Testosteron-geschwängerten Elite-Soldaten mit Heiligenschein zu bemühen.
Ich gebe Dir absolut recht, dass es nicht funktionieren kann, in ein “Tomb Raider” plötzlich die lesbische, übergewichtige Anti-Heldin etablieren zu wollen. Und die Versuche von Bioware waren zwar bislang löblich, aber sie haben ihr Ziel insofern verfehlt, da sie mit der Möglichkeit, homosexuelle Beziehungen einzugehen, zwar zur Gleichheit, aber nicht zum Nachdenken beigetragen haben, weil es der Geschichte schlussendlich nicht mehr Tiefgang verschafft hat, mit wem man nun in die Kiste steigt.
Aber gerade das Computerspielmedium bietet doch die Möglichkeit, andere Geschichten nicht nur erzählen, sondern sie aus ungewöhnlichen Perspektiven erlebbar zu machen. Und das müssen nicht immer Indies sein, wie die extrem positive Reaktion auf den DLC von “Last of Us” beweist.
Das Medium ist mittlerweile so erwachsen geworden, dass sowohl für die reine Unterhaltung als auch für das reflektierende Spielen genügend Platz ist. Jetzt müssten sich einfach nur noch mehr trauen, ungewöhnliche Wege mit ungewöhnlichen Helden zu gehen!
auch wenn es mittlerweile vielleicht niemanden mehr interessiert, hier der Vortrag “Misogyny, Racism and Homophobia: Where Do Video Games Stand?” von Manveer Heir (bioware):
http://www.gdcvault.com/play/1020420/Misogyny-Racism-and-Homophobia-Where
Nach diesem Aufschrei bei Nintendos Tomodachi gleitet für mich die Diskussion langsam ein wenig in das Lächerliche über. Die Minderheitenvertreter müssen unheimlich aufpassen, dass sie nicht über das Ziel hinausschießen. Wenn bei jedem kleinen “Kinderspiel” in dem geheiratet werden kann Homoehen etc. gefordert werden, wogegen grundsätzlich tatsächlich ja nichts spricht, aber das Spiel das eben nicht hat, dann muss man da auch nicht immer so ein Fass aufmachen, dann hat es das eben einfach nicht und wer das auf Brechen und Biegen will, der muss halt ein anderes Spiel spielen.
Achso, noch ein Nachtrag. Ich bin großer Fan des koreanischen Kinos. Wobei Korea durchaus ein (im Vergleich zu uns) sehr konservatives Land ist. Dort habe ich schon Ende der 90er einen Action-(!) Film über einen homosexuellen Boxer und seinem Freund gesehen. Vor ein paar Jahren noch ein Drama über einen homosexuellen Soldaten. Und kürzlich einen Film, der eine polygame Beziehung thematisiert hat. Was die Filme auszeichnet ist, wie offen sie mit dem Thema umgegangen sind, das kenne ich aus westlichen Filmen bei solchen Themen kaum. Entweder wird überdramatisiert oder Comedy gemacht aber Homosexualität einfach als gegeben hinzustellen ist sehr selten, was ich als viel größeres Problem ansehe.
hum ja und nein.
ich kann durchaus verstehen, dass man sich da vor den kopf gestoßen fühlt, wenn einer der größten unternehmen im gaming bereich einen so ausgrenzt. da hat nintendo einfach wenig fingerspitzengefühl gezeigt und einen großen teil seiner fans enttäuscht. dass man dieser enttäuschung luft macht ist auch in ordnung.
andererseits war nintendo noch nie besonders gut im diversität zeigen. meistens haben sie sich durch das verwenden von fantasie wesen einfach aus der sache rausgehalten. aber ich erinnere nur mal an dinosaur planet erinnern, welches zu star fox umgemodelt wurde und der weibliche hauptcharakter zur damsel in distress degradiert.
der shitstorm jetzt kam ja meines wissen größtenteils in den staaten vor? dort ist die gay-mer gemeinschaft größer, anerkannter und hat dementsprechend mehr selbstbewusstsein.
zu deinem filmexkurs: thailand ist da ähnlich. beispielsweise der film “beautiful boxer” über eine transsexuelle thai boxerin.
aber hier kommen wir ja wieder zurück zum eigentlichen thema: diversität in games bedeutet nicht unterschiede (wie race, gender, sexuelle vorlieben) in den vordergrund zu stellen und ein spiel drum rum zu bauen. genau das gegenteil, diese unterschiede sollen als völlig normal vorkommen. leider ist das bisher kaum der fall. auch in spielen wird überdramatisiert oder ins lächerliche gezogen.
ps: um auf einen deiner früheren einträge einzugehen. jeder, der gta V gespielt hat, hat schon einen übergewichtigen charakter gespielt ;)
Das ist mein Problem mit der Thematik. Homosexualität oder “unattraktive” Charaktere gerne aber bitte NORMAL darstellen. Ich glaube, dann stört es auch keinen.
Ja, Nintendo ist in vielerlei Hinsicht sehr konservativ. Das ist aber auch nichts neues, sie sehen sich als Unternehmen, das Unterhaltungsprodukte für Familien herstellt. Nintendo hat ja auch ziemliche Probleme mit Gewaltdarstellung (und Sex) und vermeidet solche Spiele, wann immer es geht. Gerade wegen dieser Ausrichtung auf harmlose Kinder- und Familienunterhaltung finde ich Big N aber auch gerade als falschen Ansprechpartner, wenn man “Vorzeigeprodukte” bezüglich Gesellschaftsformen und -Normen wünscht, weil die halt in der Regel kein Risiko eingehen möchten. Gerade die USA ist in weiten Teilen ja recht konservativ und ich denke, Nintendo lässt da lieber anderen Firmen die Vorreiterrolle.