First Played: X-Com UFO Defense

15. November 2012

In einer hoffentlich langlebigen Serie möchte ich die Lücken meiner Vergangenheit schließen und mir die paar Kultgames zu Gemüte führen, die ich zu ihrer Zeit verpasst habe. “X-Com: UFO Defense“ stand mit großem Abstand ganz oben auf der Liste, so gilt es doch Genre-übergreifend als einer der besten Titel überhaupt.

Doch zunächst muss der interne Zeitreisesschalter aktiviert und auf das Jahr 1994 geschaltet werden: “Magic Carpet“… “Final Fantasy 6“… “Super Metroid“… “System Shock“… “Ultima 8“… “BattleIsle 2“… “Theme Park“. Just bevor die PlayStation die Welt der Spiele verändern sollte, behielt die Bitmap-Grafik gerade noch so die Oberhand, gleichwohl Texturen & Polygone kaum mehr aufzuhalten waren. Eine ausschweifende Geschichte gab es nur in Adventures und allenfalls bei Rollenspielen. Die Benutzerführungen waren abhängig vom Genre entweder supersimpel oder voller Icons übersät. Gut, das sollte als Einstellung reichen.

Als der Globus weniger als 1.000 Polygone zählte…

Ich starte eine Kampagne, entscheide mich als Strategie-Newb für den einfachsten Schwierigkeitsgrad und sehe… eine Weltkarte. Die kann ich drehen, wenn auch umständlicherweise nur mittels unscheinbarer Icons. Da ich zu faul bin, in meinem Schrank die Anleitung meines Originalexemplars herauszukramen (und ich nebenbei erwähnt dank der von mir gespielten Steam-Version dieses auch gar nicht haben müsste), probiere ich wild aus. Aber hoffentlich ist dies kein Fehler bei solch einem komplexen Werk wie “X-Com”, das mir eine Mixtur aus Basisbau, Produktionsmanagement und rundenbasierender Schlachten verkaufen möchte…

In der Tat sind die Optionen, die mir bereits von der ersten Spielminute an zur Verfügung stehen, zahlreich: Ich kann Abfangjäger auf Ufo-Suche schicken, Stützpunkte auf der Erde errichten, diese mit verschiedenen Einrichtungen ausstatten, Soldaten, Wissenschaftler sowie Ingenieure rekrutieren, Forschungsarbeiten in Auftrag geben, Waffen kaufen, Waffen ausrüsten, Flieger bauen, Flieger ausstatten, und so weiter und so fort.

Der erste Pluspunkt: Trotz fehlendem Tutorial verstehe ich den Optionsoverkill recht schnell. Die vielen Funktionen sowie Anklickflächen zum Trotz, begreife ich nach kurzer Eingewöhnungsphase, was man hier überhaupt machen kann und wie man dies bewerkstelligen soll. Sofort knüpft mein Hirn Parallelen zum guten, alten “Civilization“, allein aufgrund der Forschungsgeschichte. Diplomatie hingegen gibt es keine – wozu auch: Die Außerirdischen sind durch und durch böse.

Mittel Zeitraffer-Button überspringe ich Minuten, Stunden oder gar Tage, bis ich dann endlich auf ein feindliches Ufo stoße. Dieses hat gerade zur Landung angesetzt, weshalb ich ruckizucki einfach ein Handvoll Soldaten zum betreffenden Ort schicke. Dabei habe ich mir kaum Mühe beim Ausrüsten meiner Crew gegeben und bin ganz froh, dass alle der acht Männer und Frauen von Haus aus Standardwaffen bei sich tragen.

Allemann bitte aussteigen, die Aliens stehen vor der Haustür!

Nun kommt bereits der zweite große Part des Spiels zum Tragen: Ich sehe den Flieger mitsamt Mannschaft aus einer isometrischen Ansicht. Genau genommen stehen die einzelnen Einheiten in der Ladefläche brav nebeneinander gereiht. Ich klicke eine an, befehle ihr die Laderampe herunter zu marschieren und… schon kriegt der gute Mann einen Schuss ins Gesicht geknallt. Bumm, Tod, der Nächste bitte. “X-Com: UFO Defense“ fackelt nicht lange.

Mit dem nächsten Soldat gehe ich vorsichtig Schritt für Schritt herab und springe seitlich von der Rampe. Noch ein paar Felder später blitzt in der unteren rechten Ecke eine Zahl auf: Aha, diese steht wohl für “Feind in Sicht!“. Es dauert auch nur gut eine weitere Stunde, bis ich den Trick herausgefunden habe, dass ich mit einem Klick auf diese Zahl die Kamera auf den besagten Feind zentrieren kann.

Allgemein überfordern mich die hier vorhandenen Icons mehr als die Optionen auf der Weltkarte: Solch kryptische Symbole hätte ich definitiv bereits im Jahre 1994 verdammt. Auch bewegen sich meine Leute doch etwas behäbig. Nachdem ich die ersten Aliens erledigt habe, muss ich in akribischer Sucharbeit alle weiteren erst einmal aufspüren, weil sich diese  irgendwo auf dem verwinkelten Schlachtfeld versteckt halten. Ich registriere also weiterhin: “X-Com: UFO Defense“ war und ist rein gar nichts für Ungeduldige.

Aber erstaunlich spannend ist es das Geschehen durchaus, für ein Spiel, dessen Grafik bereits zu seiner Zeit keinen Preis gewonnen haben dürfte. Schnell habe ich das Gefühl, dass die Aliens gar nicht so blöd sind. Ebenfalls nett: Euer Feind steht mitten in einem Haus und eure Sicht wird durch eine massive Wand versperrt? Na, dann packt ein schweres Geschütz aus und pulverisiert sie einfach. Eine zerstörbare Umgebung… das war 1994 alles andere als selbstverständlich. Gleichzeitig ist es für den Strategiekenner nicht weiter verwunderlich, schließlich hat “X-Com: UFO Defense“-Director Julian Gallop solche Features bereits in seinem ZX-Spectrum-Sleeperhit (!) “Laser Squad“ umgesetzt.

Meine erste Schlacht gegen die Aliens verläuft jedenfalls erstaunlich positiv: Ich gewinne mit nur drei Mann Verlust. Doch das zweite Gefecht verliere ich haushoch gegen seltsam aussehende Gegner, die mehr runden Scheiben anstatt echten Lebewesen ähneln. Von denen mache ich gerade mal einen platt, wobei das Ding in einem solch heftigen Knall explodiert, dass es zwei meiner besten Leute mit in den Tod reißt. Zum Glück darf ich in diesem Spiel jederzeit laden und speichern…

Drei Meter weiter und eine halbe Stunde später: Für das alte X-Com braucht es Zeit…

Mehr Zeit steht mir derzeit nicht zur Verfügung, was sicherlich der typische “X-Com“-Fan als Sakrileg bezeichnen wird. Doch bereits nach wenigen Stunden verstehe ich den Reiz: Das Spiel vereint einige sehr komplexe Mechaniken zu einer homogenen Einheit und wirkt dabei sowohl intelligent als auch herausfordernd. Und: Es ist abseits seiner Nachfolger sowie dem jüngsten Remake von Firaxis in der Tat nahezu einmalig geblieben.

Gleichzeitig bin ich von der allgemein so hoch angesehenen Reputation des Spiels leicht überrascht. Das mag mit am alten PC-Player Testbericht liegen, der “X-Com“ zwar lobte, jedoch mit vergleichsweise schwachen 74% harsch bewertete. Ein Blick auf die Argumentation der alten Haudegen Heinrich Lenhardt sowie Jörg Langer (holla!) deckt sich auch mit meinen Ersteindrücken: Der Taktikpart ist etwas zäh und speziell während der Suche nach versteckten Aliens langwierig. Ich würde das zwar aufgrund der restlichen Stärken bei weitem nicht so auf die Goldwaage legen. Doch auch ich hätte wohl 1994 keinen 90er, sondern gefühlt “nur“ einen hohen 80er rausgerückt – und für Julian Gallop eine Erwähnung als eine der fünf besten Spielregie-Leistungen des Jahres.

Letztlich steckt dahinter ein klein wenig Spekulation. Schließlich musste ich bei meinem kurzen Aufenthalt keine meiner Basen verteidigen und laut diversen Screenshots, die ich von dem Spiel gesichtet habe, scheint die Grafik zumindest vom Setting her auf lange Sicht genügend Abwechslung zu bieten.

Deshalb bleibe ich beim versöhnlichen Fazit: Das Experiment ist gelungen, ich habe Respekt vor “X-Com: UFO Defense“. Es war zu seiner Zeit höchst innovativ, schafft wunderbar die Gratwanderung zwischen Verständlichkeit sowie Komplexität und ist (laut Berichten vieler, vieler, vieler Fans) ein krasser Zeitkiller, speziell für Freunde des Genres. Und: Ich hab sogar ein klein wenig Lust auf das neue “X-Com“ bekommen. Denn die Idee, eine allumfassende Ufo-Invasion abzuwehren, empfinde auch ich als Strategie-Stinker reizvoll…

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