Elyisum: Eine Welt voller Konstrukte und Klischees

29. August 2013

Jüngst las ich, ob Neill Bloomkamps neuester Film “Elysium“ nichts weiter als “District 10“ sei. Ich gebe gleich die Antwort preis: Nein, ist es nicht – allenfalls ein “District -4“.

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Ist es ein kahler Forrest Gump? Nein, doch nur Matt Damon in einem enttäuschenden Science-Fiction-Film. (Bild: Sony Pictures)

Meiner einer gehört ganz zu den Fans und den Verfechtern von Bloomkamps Regiedebüt. Er kreuzte eine ernste Thematik (die Apartheid in Südafrika, seinem Geburtsland nebenbei erwähnt) mit einem fantastischen Science-Fiction-Szenario. Er begann mit sehr viel Witz und endete mit glaubwürdiger Dramatik. Er verwendete die Kunst der visuellen Effekte mit Bedacht anstatt den Zuschauer damit zu bombardieren. Einzig ein paar hastige Sprünge sowie einige dezent blutige Kämpfe störten mich. Doch unterm Strich keimte die Hoffnung auf, dass mit Neill Bloomkamp ein kleiner, neuer Stern am Himmel der Sci-Fi-Auteure schwebte.

Verstrahlt

“Elysium“ macht das zunichte. Bereits der grundlegende Plot klingt dezent abgedroschen, aber passt immer noch in die Schublade: “Da kann man was daraus machen.“: In relativ naher Zukunft ist die Erde vollends verarmt wie überbevölkert. Die Menschen stapeln sich regelrecht in verwahrlosten Wolkenkratzern und werden der medizinischen Versorgung, die benötigt wird, nicht mehr Herr. Hoch droben am Himmel glitzert die kreisrunde Raumstation Elysium, die eher einem künstlichen sowie bewohnten Planeten gleicht. Dort sind die Wiesen grün und saftig, die Bewohner hausen in glänzend weißen Villen und dank einer Wundermaschine wird jede erdenkliche Krankheit mit einem Fingerschnips geheilt. Die Mächtigkeit dieses Gerätes wird erst gegen Ende des Filmes so richtig deutlich, doch ich will nicht auf Teufel komm raus spoilern. Nur so viel: Bloomkamp übertreibt maßlos.

Matt Damon spielt Max Da Costa, einen halbwegs jungen Mann, der wie die meisten Menschen auf der Erde versauert. In Rückblenden wird gezeigt, wie er als kleiner Junge seiner Jugendfreundin Frey versprach, sie irgendwann nach Elysium zu bringen. Dieses Versprechen ist kaum mehr als ein wager Traum, stattdessen regiert der harte Arbeitsalltag in einer verstaubt-dreckigen Fabrik. Doch genau da kommt es zu einem Unglück: Max kriegt versehentlich eine tödliche Strahlendosis ab und bekommt von einem Roboter kalt gesagt, er habe nur noch fünf Tage zu leben. Er denkt sich sofort: Seine einzige Chance ist eine dieser Wundermedizinstationen, für die er wiederum nach Elysium muss.

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Elysium ist das Paradies auf Erden… oder so ähnlich… (Bild: Sony Pictures)

Praktisch gleichzeitig stößt er auf seine damalige Jugendfreundin. Diese ist inzwischen Mutter eines kleinen Mädchens, das (natürlich) an Leukämie erkrankt ist. “Natürlich“ deshalb, weil zu Beginn des Films eine kurze Szene gezeigt wird, in der mehrere Trupps illegaler Raumgleiter versuchen, nach Elysium zu gelangen. Die meisten von ihnen werden gnadenlos abgeknallt, nur ein Schiff kommt durch. An Ort und Stelle werden die Ausreißer zwar sofort eingefangen, jedoch schafft es eine Mutter, ihre Tochter mit einer der Maschinen zu heilen. Darüber hinaus wird das Schicksal aller Beteiligten nicht weiter erwähnt – von dem Kerl, der die illegalen Transporte organisiert, einmal abgesehen.

Berechenbar

Das Problem an dieser Szene ist ihre Offensichtlichkeit, den Zuschauer auf ein künftiges Ereignis vorzubereiten. Will heißen: Genau in dem Moment wusste ich, dass die Tochter der Jugendfreundin ebenfalls geheilt werden muss. Und diese “Offensichtlichkeit“ zieht sich durch den gesamten Film, weil Bloomkamp ein Klischee nach dem anderen aus der Kiste zaubert. Das Ende von “Elysium“ ist genauso berechenbar wie das Schicksal von Matt Damons Charakter. Es trieft nur so vor Pathos, Heldensiff und völlig überzogen dargestellten Bösewichtern (darunter praktisch jeder, der auf Elysium wohnt), dass ich mich ernsthaft frage: “Und das hier stammt von dem selben Mann, der mit “District 9“ eine wunderbare Gratwanderung zwischen “Leben ist scheiße“ und “Gib die Hoffnung nicht auf“ gepackt hat?“

Dies ist allein deshalb tragisch, weil uns Bloomkamp eigentlich erneut einen Spiegel vor das Gesicht halten möchte. Es geht um die ungerechte Verteilung zwischen Wohlstand und Armut, die er mit diesem Szenario auf die Spitze treibt. Doch die Art, wie er die einzelnen Charaktere zeichnet, ist viel zu unglaubwürdig, weshalb ich seine Message nicht ernst nehme. Spätestens wenn Max’ Arbeitgeber kaltherzig meint, ob sich aufgrund der Verstrahlung seine Haut ablösen würde und er deshalb Angst um ein sauberes Laken (!) habe, denke ich mir nicht “Boah, was bist du böse!“ sondern “Ja, klar… rechtfertigt nur, warum der Kerl vier Szenen später sterben wird.“.

Überhaupt regt mich der ganze Verstrahlungsmist auf, weil er meines Erachtens die Geschichte nicht vorantreibt, sondern nur künstlich dramatisiert. Es hätte auch so genügend Gründe und Wege gegeben, Damons Charakter zurück zu seinem Traum zu führen und ihn nach Elysium zu schicken. Auch darüber hinaus riechen viel zu viele Plotbausteine nach “Mittel zum Zweck“ oder “Ereignisse mit der Brechtstange erzwungen“. Am Ende steht ein sehr wackeliges Konstrukt, das aus allen Ecken unschön herausragt.

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“Grmbl… wieder keine Oscar-Nominierung…” Jodie Foster ist wie gewohnt ein Highlight für sich, doch ihre Filmauswahl war vor über zwanzig Jahren geschickter. (Bild: Sony Pictures)

Bizarr dabei: Ohne das Drehbuch (!) wäre “Elysium“ ein toller Film. Die Schauspieler erledigen mehr als ihren Job und versuchen jeweils ihr Bestes, so etwas wie Glaubwürdigkeit in die Geschichte zu packen. Jodie Foster als bestimmte wie verbohrte Verteidigungsministerin von Elysium hat mich gar richtig beeindruckt. Die Special-Effects-Künstler haben genau so ihre Aufgaben gemacht, wie die Leute in der Sound- und Musik-Abteilung. Selbst Bloomkamp zeigt zumindest als Regisseur erneut Talent, sobald er einzelne Szenen durchaus kompetent umsetzt – wenn denn nur die Verbindung untereinander stimmen würde. Neben der verkorksten Geschichte ist allenfalls die stellenweise arg übertriebene Wackelkamera sowie die erneut überzogene Gewaltdarstellung problematisch. Aber das sind Dinge, für die ich allein den Film nicht schlecht finden würde.

Bloomkamp hat sich vor vier Jahren mit “District 9“ einen Namen gemacht und einen echten Sleeperhit gelandet. Der Film war clever, gewitzt, dramatisch und vor allem einzigartig. “Elysium“ ist rein auf die Handlung bezogen das glatte Gegenteil, weshalb ich Bloomkamp kaum mehr einschätzen mag. Vielleicht lag es daran, dass er diesmal das Drehbuch alleine verfasst hat? Das würde immerhin Mut für seinen nächsten Film “Chappie“ geben, weil dort seine Ehefrau sowie Co-Autorin Terri Tatchell wieder mit dabei ist. Frei nach dem Motto: Gib die Hoffnung nicht auf…

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3 comments on “Elyisum: Eine Welt voller Konstrukte und Klischees

  1. Oguz-Khan Aug 30, 2013

    Das Problem mit Filmen wie “Elysium” ist, dass sie vorgeben kapitalistisch, systemkritisch zu sein. Dabei können sie das gar nicht sein. Der Film selbst ist nicht mehr als ein kapitalistisches Vorhaben. Die Schauspieler sollen dem westlichen und lateinamerikanischem Geschmack treffen. Die Handlung und das Setting soll jungen Videospielern und irgendwie Hippen irgendwie kritischen Menschen gefallen. Am Ende drückt der Held nur noch die “Enter” Taste und alles ist wieder im Lot. Im Lot bedeutet das die Konsumgüter welche vorher nur auf Elysium waren, nun auch den Armen zugänglich gemacht werden. So wie dieser Film argumentiert jeder Schlager “mit ein bisschen Liebe und Menschlichkeit wird alles wieder gut auf der Welt”. Dabei wäre es viel interessanter gewesen was den nun nach der Auflösung von Elysium passiert? Solche Problemchen wie Überbevölkerung, Massenarbeitslosigkeit, Kriminalität, Hunger, zerstörte Umwelt, massive Ungleichverteilung von Reichtum wurde mitnichten behoben. Wenn ich es richtig sehe wurden diese sogar noch verschärft. Ich empfehle den Film “The Bling Ring” von Sofia Coppola. Hier wird eine Generation von Jugendlichen präsentiert welche im Konsum die einzige Erlösung sieht. Dieser ist in seiner Art subversiver und Kritischer als jeder Film der Machart von “Elysium”. Aber wie viele werden das schon tun? Sie haben ja die dazugehörende Werbekampagne nicht gesehen.

  2. Ganz so harsch wie Andy will ich mit Elysium nicht ins Gericht gehen, da für mich viele der ernsten Botschaften des Films durchaus rüberkamen. Überbevölkerung, Umweltzerstörung, Überwachungsproblematik durch Robotertechnologie – das wurde durchaus überzeugend dargestellt!

    Unweigerlich bleibt aber die Erinnerung an das mit Klischees überladene, vorhersehbare Drehbuch bestehen, welches gerade im Vergleich zu District 9 doch wahrlich enttäuscht. Es macht den Eindruck, als habe sich Bloomkamp weit zu viel vorgenommen und habe letztendlich nur noch einen Actionfilm von der Stange vor einem ernsthaften Hintergrund produzieren können. Schade, sehr schade…

    • Ich habe ehrlich gesagt nach den Trailern nicht viel anderes erwartet. Wesentlich interessanter finde ich Oblivion, ich hoffe, das wird ein guter Film.

      District 9 fand ich aber ehrlich gesagt ziemlich überbewertet. Es war ein netter Film aber insbesondere die übertriebene Gewalt hat mich total angenervt. Wie da alles zersplattert ist, das ist okay bei einem Expendables aber bei einem Film, der nicht nur unterhalten sondern vor allem auch ernst genommen werden will, empfand ich es völlig deplatziert.