Dragon’s Dogma: Schizophrener Spielspaß

22. Juni 2012

Da sitze ich jetzt seit gut zwei Wochen an “Dragon’s Dogma“, um exklusiv für Polygamia einen richtig tollen, innovativen, hübschen, knuffigen, selbstverlie… äh… nützlichen Erfahrungsbericht zu schreiben. Und dann komme ich einfach nicht voran. Kaum ein Spiel hab ich in jüngster Zeit so oft gestartet, nur um es nach ein, maximal zwei Stunden wieder zu beenden. Ihr kennt das vielleicht: Ihr seid total heiß auf ein Game, eure Finger jucken stets in Richtung Joypad, aber wenn ihr dann mal am Spielen seid, dann stellt sich immer dezente Ernüchterung ein – genau wie beim Essen von Chips. “Dragon’s Dogma“ ist ein Paradebeispiel für dieses Phänomen.

In Angesicht der Gefahr darf der selbst generierte Held auch gerne mal doof gucken. (Bild: Capcom)

Nein, es wird kein Verriss: Das Spiel ist gut. Capcom bietet zunächst einen hübschen, wenn auch letztlich belanglosen Plotansatz, der den selbst generierten Helden zum Auserwählten macht – also direkt nachdem ein Drache sein Herz aus seinem Leib gerissen hat. Dieses möchtet ihr freilich wieder zurück erlangen, wofür ihr euch ein paar Vasallen zur Begleitung schnappt. Einer ist ebenfalls hausgemacht und trägt einen von euch gewählten Namen, während ihr die anderen beiden in so genannten Rifts heraus sucht sowie gegebenenfalls austauscht, falls ihr für die folgende Quest ein paar Haudegen mit anderen Fähigkeiten benötigt.

Jedenfalls sind diese Vasallen recht muntere Gesellen, die fröhlich drauflos plaudern. Sie geben beispielsweise während des Kampfes massig Tipps – sollte dieser „Flieht!“ lauten, dann beherzigt bitte den Ratschlag. Auf Dauer können die zwangsläufig immer gleich klingenden Bemerkungen zwar nerven, aber sie sind durchaus nützlich und helfen der Atmosphäre unterm Strich auf die Sprünge. Man fühlt sich jedenfalls wie der Anführer einer kleinen Heldentruppe, die auf Zusammenarbeit aus ist.

Der eigentliche Star des Spieles ist in meinen Augen das Kampfsystem: Je nach Wahl der Klasse, von denen es neun verschiedene gibt und die ihr bei Bedarf wechseln dürft, agiert ihr zum Beispiel als Hack’n’Slay-Kämpfer, als gewitzter Magier oder als ein auf Distanz bleibender Bogenschütze. Ich habe mich primär mit letzterer Technik beschäftigt und muss sagen: Das Zielen, das Schießen und das Ausführen von feschen Spezialangriffen, z.B. einen vom Himmel herab fallenden Pfeilregen, fühlt sich sehr, sehr gut an. Es ist ein Genuss, eine wild herum flatternde Harpyie mit dem Bogen vom Himmel zu holen und sie anschließend mit dem Dolch zu bearbeiten.

Es kommt noch besser – dank der Greifentaste: Mit dieser könnt ihr zum einen ein handliches Objekt aufnehmen und in Richtung Gegner werfen. Oder ihr haltet euch an einem der größeren Endbosse fest, um ihn “Shadow-of-the-Colossus“-like zu erklimmen sowie mit eurer Nahkampfwaffe zu löchern. Euer Ausdauerbalken sorgt dafür, dass ihr zwischendurch immer wieder pausieren müsst – logisch, sonst wäre es zu einfach.

Ein Hauch von Coloss. (Bild: Capcom)

Bislang also nur positive Aspekte? Ja, aber jetzt kommt der schizophrene Part: So schön es auch ist, den ersten Riesen im Ausdauerkampf zu bewältigen, so nervig wird es, wenn ihr dem dritten seiner Artgenossen über die Füße stolpert. Egal ob ein mächtiger Greif oder die dreiköpfige Chimäre: Die Biester sehen gewaltig aus, sie schinden Eindruck und es macht einen Heidenspaß sie zu besiegen… aber leider tauchen sie viel zu oft in der Welt von “Dragon’s Dogma“ auf. Erde an Capcom: Solche Kämpfe wie gegen diese Hünen sollten einmalig sein.

Auf offenem Feld respawnen die Viecher gar – was aufgrund der riesigen Welt sowie der eingeschränkten Schnellreiseoption alles andere als motivierend ist. Zwar gibt es diverse Reisesteine sowie Zielkristalle, die ihr selbst platzieren müsst, jedoch sind all diese Objekte recht selten und teuer.

Auch darüber hinaus zerrt das Spiel an euren Nerven: Ihr verliert praktisch bei jedem Kampf einen Bruchteil eurer maximalen Lebensenergie, was ihr nicht so ohne weiteres regenerieren könnt. Ihr benötigt wahlweise etwas zum Futtern oder ein Bett zum Schlafen – letztere Option ist rar gesät. Der Weg zwischen zwei Unterkünften ist nicht nur lang, sondern auch voller irreführender Sackgassen gespickt.

Soweit jubelt der Profi, während der Einsteiger stöhnt. Doch wenn mich “Dragon’s Dogma“ fordern soll, warum kann ich dann beliebig oft meine Vasallen wiederbeleben, sofern ich schnell genug zu ihnen eile? Es ist eine durchaus vertretbare Taktik, sich vom Kampfgeschehen zu distanzieren, den Vasallen bei der Drecksarbeit zuzuschauen und stets zu ihren “Leichen“ zu rennen, um sie wieder auf die Beine zu stellen. Zwar haben sie dann nur die Hälfte ihres Lebenssaftes übrig, doch man kann ihnen bei Bedarf ja wieder helfen. Der eigene Charakter hingegen gehört gut behütet, denn wenn der die Null erreicht, dann bleibt nur das Laden des letzten Speicherstandes.

Warum also hat sich Capcom für dieses “System“ entschieden? Ich befürchte, weil man dem Spieler nicht die notwendige Kampfübersicht geben konnte, ohne dabei die Pace zu halbieren. Es ist nämlich sehr schwer, auf sich UND auf seine Gefährten zu achten, wenn ringsherum ein Dutzend Wölfe, Gnome oder Banditen auf einen eindreschen. Capcom möchte durchaus klotzen und Action bieten. Aber um den Spieler nicht zu frustrieren, haben sie diese in meinen Augen sehr generöse Wiederbelebungsoption gewählt, die sich wie Flickwerk anfühlt.

Sie sind schon spaßig, diese Chimären… nur leider haben sie zu viele Zwillingsbrüder. (Bild: Capcom)

Die Welt von “Dragon’s Dogma“ strahlt ein Kombi-Feeling aus “Skyrim“ und “Dark Souls“ aus, ohne auch nur im Ansatz den gleichen Reiz zu vermitteln. Es sitzt zwischen zwei Stühlen, nämlich einerseits verträumt-leichtfüßig und andererseits düster-brutal, und verliert im direkten Vergleich aufgrund der fehlenden Extreme. Speziell wenn die Sonne untergeht und ihr nur mit einer grell leuchtenden Lampe noch den Boden vor euren Füßen seht, schaut die Umgebung einfach nur grau und traurig aus.

Und genau darin liegt mein Problem begraben: Das fesche Kampfsystem motiviert mich stets, es noch einmal zu probieren. Aber sobald ich länger als eine Stunde vor dem Bildschirm hocke, stellt sich viel zu schnell aufgrund der Welt sowie den Nervfaktoren ein Sättigungsgefühl ein. Eigentlich möchte ich die vielen Wege und Landstriche erforschen – doch müssten diese etwas kürzer, etwas kompakter oder etwas interessanter, im Sinne von abwechslungsreicher, sein.

Einen ganz bestimmten, positiven Aspekt darf ich nicht unter den Teppich kehren: Laut der begeisternden Fangemeinde lohnt es sich, nach dem Ende der Hauptstory weiter zu machen. Es steckt sehr viel drin, in der Welt von “Dragon’s Dogma“ – etwas, was ich durchaus bestätigen kann, weil ich weniger der Geschichte als meinem Entdeckerinstinkt gefolgt bin. Allerdings müsst ihr einen gewissen Preis bezahlen und mit den genannten Schwachstellen klar kommen. “Dragon’s Dogma“ ist kein fehlerfreies Spiel, aber eines mit einem erstaunlich hochwertigen Potenzial. So sehr ich hier und jetzt gemeckert habe: Ich möchte es gerade eben am liebsten doch noch mal für ein oder zwei Stündchen probieren…

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