Django Unchained: Tarantino in Ketten

22. Januar 2013

Für so manche Fans des Kult-Regisseurs geht mit “Django Unchained” ein Traum in Erfüllung. Das ist vielleicht das große Problem dieses Films: Quentin Tarantino liefert genau das, was der Zuschauer von ihm erwartet.

Ein Mann mit einer Mission: Django alias Jamie Foxx. (Bild: Sony Pictures)

Ein Mann mit einer Mission: Django alias Jamie Foxx. (Bild: Sony Pictures)

“Django Unchained” will vieles sein: ein wütender Protest gegen Rassismus, eine Hommage an den Italo-Western, eine Rachegeschichte, ein Blaxploitation-Film, ein geschwätziges Kammerspiel und ein Thriller. Die Geschichte handelt vom gepeinigten, aber mutigen Ex-Sklaven Django (Jamie Foxx), der zusammen mit dem Kopfgeldjäger King Schultz (Christoph Waltz) seine Frau (Kerry Washington) aus dem Besitz des psychopatischen Plantagenbesitzers Monsieur Candie (Leonardo DiCaprio) befreien will. Die beiden geben sich als Sklavenhändler aus, die einen Mandingo-Kämpfer suchen, aber Candies Diener Stephen (Samuel L. Jackson) erkennt den Betrug. Das Ende ist blutig, sehr blutig.

“Django Unchained” ist der massentauglichste aller Tarantino-Filme. Der Regisseur hat sich damit in Hollywood als Erfolgsgarant etabliert. Diesmal versucht er nicht seine Zuschauer mit allzu schrägen Vorbildern zu verschrecken. “Il Silencio” und “Mandingo” mögen noch die massenunverträglichsten Filme sein, aus denen der Regisseur schöpft. Der Rest setzt sich aus durchschnittlichen Western der 60er und 70er Jahre zusammen. Zudem hat man das Duo Schwarzer/ Weisser oder Kopfgeldjäger/Schüler nun wahrlich oft genug gesehen. Diese Konstellation ist längst nicht mehr so provokativ wie vor 40 Jahren. Tarantino scheint alt zu werden.

Protestfilm, Rachegeschichte, Blaxploitation, Thriller - ob Tarantino da den Überblick behalten hat. (Bild: Sony Pictures) Überblick behalten.

Protestfilm, Rachegeschichte, Blaxploitation, Thriller – ob Tarantino da den Überblick behalten hat. (Bild: Sony Pictures) Überblick behalten.

Trotzdem hat der Regisseur wieder ein gutes Gespür für die richtigen Schauspieler und treffsichere Dialoge sowie Monologe. Ein eloquenter Christoph Waltz spielt zwar nur den “guten” Zwillingsbruder des Oberst Landa aus “Inglorious Basterds”, aber es reicht locker, um seinen Co-Star Jamie Foxx an die Wand zu spielen. Leonardo DiCaprio scheint sich in seiner ersten Rolle als Bösewicht wohlzufühlen, doch der eigentliche Star des Films ist Samuel L. Jackson als Candies treuer Sklave Stephen. Sein Auftritt kommt spät, aber umso gewaltiger. Fraglich, ob Tarantino je eine hinterhältigere Figur geschaffen hat.

Dennoch stolpert dieses Ensemble durch eine weitgehend überraschungsfreie Handlung. Der Zuschauer muss lange warten, bis er einen großen Moment erlebt. Wenn Candie bei einem Abendessen über den Skelettschädel eines ehemaligen Sklaven philosophiert, ein Betrug aufgedeckt und ein Vertrag unterschrieben wird, zeigt sich Tarantino als Meister der Suspense. Wie er hier die Spannung in den Dialogen und einer kammerspielartigen Umgebung aufbaut, ist ebenso typisch für ihn wie die Zeitsprünge oder die zahlreichen Popkulturzitate. Egal ob beim Gespräch über Madonna, beim Warten auf den Kellner oder im Dialog zwischen englischem Spion und deutschem Nazi – Tarantino besitzt stets ein gutes Timing vor dem Gewaltausbruch. Dass dieser dann besonders blutig erfolgt und wie in “Django” die Fontänen hochspritzen, ist die logische Konsequenz. Wenn alles gesagt ist, sind Tarantinos Figuren in die Ecke gedrängt und können nur mit Gewalt antworten. Er inszeniert diesen “Mexican Standoff” seit “Reservoir Dogs” in ständig neuen Variationen. Es ist das dramaturgische Prinzip jedes Tarantino-Films.

Erneut ein großer Auftritt von Christoph Waltz als deutschstämmiger Kopfgeldjäger. (Bild: Sony Pictures)

Erneut ein großer Auftritt von Christoph Waltz als deutschstämmiger Kopfgeldjäger. (Bild: Sony Pictures)

Von diesen Szenen gibt es zu wenige in “Django”. Stattdessen werden pflichtbewusst die allseits bekannten Zeitsprünge eingebaut, die Songauswahl wirkt diesmal sehr willkürlich. Und es gibt mit Don Johnson und Jonah Hill zwei Gastauftritte zu viel. Fast drei Stunden dauert das Ganze und am Ende erkennt vermutlich jeder die Anklage gegen die Sklaverei. Aber es bleibt auch die Erkenntnis: Diese Geschichte hätte Tarantino in der Hälfte der Zeit erzählen können. Vielleicht fühlte er sich auf ungewohntem  Terrain – “Django” ist sein erstes Period-Picture – doch nicht so wohl? Vielleicht geht es ihm inzwischen so gut, dass er nicht noch einmal so ein wütendes und unkonventionelles Drama wie “Inglorious Basterds” raushauen kann oder will? Vielleicht war die Liebe zum Sujet auch einfach zu groß. Dann sollte man lieber die Finger davon lassen. King Schultz sagt einmal im Film “I couldn’t resist”. Das Endergebnis ist in beiden Fällen mehr oder weniger das Gleiche.

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4 comments on “Django Unchained: Tarantino in Ketten

  1. Hamrath Jan 22, 2013

    Mich hat an Django eines wirklich gestört: wie Schultz aus der Story geschmissen wurde. Das wirkte ein bißchen wie “Den brauchen wir ab jetzt nicht mehr, der kann weg.” Ist zwar typisch für ‘nen Tarantino, aber bei einem so tollen Charakter total unpassend. Ich hab bis zum Ende immer wieder gewartet, dass er irgendwann aufspringt und ruft: “Haha, alles nur Spaß! Bin gar nicht weg!”

    • Sobald sie in Candyland waren, habe ich darauf gewartet. Es war ja ein ganz klassischer Erlösungs- bzw. Vergebungsplot: Ich habe jahrelang Böses getan und buße jetzt dafür. Du hast insofern Recht, weil diese Entwicklung recht unvermittelt kommt und ich sie auch nicht nachvollziehen konnte.

    • Hätte Foxx zur Ikone werden können, wenn Waltz ihn bis zum Filmende begleitet hätte? Wohl kaum. Foxx’ Figur konnte erst dadurch zur HAUPTfigur des Films werden. Durch seinen wachsenden Anteil am Dialog in Candyland deutete sich der Abgang von Waltz-Figur ja bereits an.