MOBA? LOL? WTF? eSports FTW!

18. Juli 2013

Den ersten Erfolg in der Gleichstellung virtueller Athleten in Amerika feiert ein Spiel, das einem Genre angehört, mit dem manche Gamer noch wenig anfangen können.

Klickt man sich durch das Banner auf der Webseite des amerikanischen Spielentwicklers Riot Games, steht da nach  „We are Riot“ und „We are Gamers“ in großen Buchstaben „We are eSports“. Das meinen Riot ernst: Ihrer Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass die US-Regierung nun ausländische Progamer als Profisportler anerkennt und ihnen ein entsprechendes Visum erteilt.

eSportler werden wie Sportler behandelt. (Foto: riotgames.com)

eSportler werden wie Sportler behandelt. (Foto: riotgames.com)

Das klingt für viele vielleicht weniger weltbewegend als es ist, schließlich gab es auch vorher schon genügend Turniere im eSport-Bereich mit internationalen Teilnehmern. Hier geht es aber darum, dass amerikanische Teams wie Team Coast nun zum Beispiel einen Spieler wie den Kanadier Danny ‘Shiphtur’ Le engagieren dürfen, so wie der Fußball-Club L.A. Galaxy den Engländer David Beckham oder der Basketball-Verein Dallas Mavericks den Deutschen Dirk Nowitzki verpflichten konnten.

Interessant ist, dass diese Gleichstellung einer Disziplin des eSports mit etablierten Sportarten wie Basketball und Fußball nicht etwa einem Ego-Shooter wie “Counter-Strike” oder “Modern Warfare” gelungen ist, und auch nicht “Starcraft 2”, dem Aushängeschild der Echtzeitstrategie. Zu verdanken haben wir es einem MOBA, einer Abkürzung, mit der etliche stolze Gamer bisher wenig anfangen können. Sie steht für Multiplayer Online Battle Arena, und der derzeit erfolgreichste Vertreter des Genres ist der Free2Play-Titel “League of Legends” mit der sympathischen Abkürzung “LoL”.

Ein Blick auf die Zahlen der Streamingplattform twitch.tv verdeutlicht den Erfolg von “LoL”. Dort schauen gerne doppelt so viele Zuschauer “LoL” wie “Starcraft 2” – das Spiel, das die ersten professionellen Streamer und Kommentatoren wie Sean „Day9“ Plott oder Steve „Destiny“ Bonnell ernähren konnte. Auf dem zweiten Platz: “DOTA 2”, das kürzlich erst von Valve auf Steam veröffentlicht wurde, und seines Zeichens Nachfolger des ersten erfolgreichen MOBAs ist: der Modifikation Defense of the Ancients für das Echtzeitstrategiespiel “Warcraft 3”.

DOTA 2 - ein ebenfalls populäres MOBA. (Foto: Valve)

DOTA 2 – ein ebenfalls populäres MOBA. (Foto: Valve)

“DOTA” war auf LAN-Parties vor fast zehn Jahren eine Art leichte Alternative zu “Warcraft 3”. Musste man bei bei diesem gleichzeitig Gebäude bauen, Rohstoffe sichern und eine ganze Armee befehligen, reduzierte sich hier die Kontrolle auf eine einzelne Einheit. Entsprechend konnte man sich damals auch die Beliebtheit der Mod auf LAN Partys erklären: Es war – zumindest auf den ersten Blick – leichter zu spielen. Wenn das Reaktionsvermögen soweit nachgelassen hatte, dass man die für Profispieler üblichen über 200 Eingaben pro Minute nicht mehr erreichen konnte, spielte man “DOTA” zur Entspannung.

Wer zum ersten Mal “League of Legends” spielt, weiß nach fünf Minuten, wie das Spiel funktioniert: Man steuert einen einzelnen Champion, levelt diesen langsam hoch, indem man computergesteuerte Gegner (sogenannte Creeps) tötet, und versucht durch das Zerstören schützender Türme bis in die feindliche Basis vorzudringen, um diese zu vernichten. Soweit wird noch jeder Spieler mitkommen, danach aber steigen alle aus, die sich nicht bereits ein paar Tage mit dem Genre beschäftigt haben! Denn wer wirklich das Spiel “League of Legends” lernen will, muss sich zunächst mit dem Metagame auseinandersetzen. Das sind die Regeln, Methoden und Strategien, die man kennen muss, um von anderen Spielern überhaupt ernst genommen zu werden. Um die Analogie zum Sport nochmals aufzugreifen: Es macht eben einen Unterschied, ob man auf einer Wiese einem Ball nachrennt, um ihn im besten Fall zu treffen, oder ob man auf einem Fußballplatz mit zwei vollen Mannschaften gegeneinander antritt.

Eine Szene aus Leage of Legends. (Foto: Riot Games)

Eine Szene aus Leage of Legends. (Foto: Riot Games)

Symptomatisch für die Komplexität der MOBAs sind ein Haufen Abkürzungen, die man wohl kaum lernt, wenn man nicht von einem bereits eingeweihten Spieler an die Hand genommen wird. Beispiele gefällig? Top, mid und bot stehen für die üblicherweise drei Pfade, “Lanes“ von der eigenen Basis zur gegnerischen. Schreibt jemand im Chat „ss“, dann meint er damit, dass der Feind, der ihm auf seiner Lane gegenübersteht, verschwunden ist (missing) und damit die Gefahr besteht, dass dieser überraschend einem anderen Spieler in den Rücken fallen könnte. Der beste Weg, das eigene Konto aufzubessern, ist der „cs“, der „creep score“ der anzeigt, wie viele feindliche Mobs man mit einem „last hit“ besiegt hat. Nur dann bekommt man nämlich Gold als Belohnung. Hat den tödlichen letzten Treffer ein eigener Minion ausgeführt, gibt es höchstens Erfahrungspunkte zum Trost.

Noch wichtiger ist allerdings die anerkannte Rollenverteilung. Der „Attack Damage Carry“, oder kurz ADC, ist sozusagen der Damage Dealer. Das ist ein häufig wenig widerstandsfähiger Champion, der zwar viel austeilen, aber nur wenig einstecken kann. Das Team unterstützt ihn zu Beginn des Matches, damit er später zum Leistungsträger wird und dank teurer Ausrüstungsgegenstände in Teamkämpfen sein volles Schadenspotential entfalten kann. Zahllose Details wie unterschiedliche Charakterwerte, Fähigkeiten und Gegenstandskombinationen steigern die Komplexität weiter. Experten streiten sich dann darüber, für welche Rolle ein Champion taugt und welche Ausrüstung er dazu braucht. Wer von diesen ungeschriebenen Gesetzen abweicht, gilt schnell als Troll, also als jemand, der – sei es nun durch Dummheit oder aus Absicht – den anderen das Spielvergnügen verdirbt.

Hier sind wir auch beim Knackpunkt der MOBAs angelangt; dieser macht das Spielerlebnis nicht nur so einzigartig, sondern auch so unberechenbar. Teamspiele und die Komplexität im Verlauf entstehen in erster Linie durch die Dynamik in der eigenen Mannschaft. Und diese hängt größtenteils davon ab, dass jeder die eigene Rolle versteht. Damit ist “League of Legends” (das übrigens im Vergleich zu “DOTA” und “DOTA 2” etwas weniger anspruchsvoll und leichter zu lernen ist, weil es auf ein paar Eigenheiten des Ur-“DOTA” verzichtet) einer Sportart wie American Football oder unserem Fußball gar nicht so unähnlich. Auch hier sind die Rollen vom Quarterback und Linksverteidiger festgelegt.

An dieser Stelle kann man sich fragen, warum ausgerechnet diese MOBAs so viele Zuschauer anlocken, wenn sie doch so schwer zu verstehen sind. Im Interview mit Polygon gab der Vizepräsident der eSports Abteilung von Riot Dustin Beck an, dass die Zuschauerzahlen von “League of Legends” bis zu 90% über den Sportarten liegen, über die vom amerikanischen Sportsender ESPN berichtet wird. Allein dem “League of Legends”-All-Star Event in Shanghai im Mai 2013 folgten 18 Millionen Gamer! Vielleicht verhält es sich auch hier ähnlich wie mit dem Fußball in Deutschland: Viele haben zumindest mal so lange gegen einen Ball getreten, um zu wissen, dass das, was die da im Fernsehen machen, eine Leistung ist. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass “LoL” auch einer der Vorreiter der Free2Play-Welle gewesen ist! Und das erklärt eventuell zum Teil die Aversion oder Skepsis mancher Gamer gegenüber dem Spiel. Denn “LoL” wurde in der Zeit groß, als viele Gamer entschieden dagegen waren, sich auf dieses Bezahlmodell einzulassen.

Unterm Strich ist der Erfolg von “League of Legends” damit womöglich kein weiterer Schritt von Computerspielen in die Mitte der Gesellschaft, sondern eine erste Anerkennung der konkreten Vielfältigkeit dieser Freizeitbeschäftigung. So oder so: Wer sich in Zukunft Gamer nennen will, sollte sich vielleicht zumindest soweit mit MOBAs auseinander setzen, dass er sie seiner Oma erklären kann! Die Chance steht gut, dass sie vor der ersten Fernsehübertragung wissen will, was da eigentlich auf dem Bildschirm passiert.

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One comment on “MOBA? LOL? WTF? eSports FTW!

  1. Ich habe “LoL” noch getestet und weiss noch, dass ich mich darueber aufgeregt habe, dass es lange Zeit so wenig Inhalt (nur zwei Karten) bot. Da habe ich wohl die Zeichen der Zeit falsch gedeutet, denn Riot hat es wirklich verstanden, ihren “DOTA”-Ableger zu einem perfekten Wettbewerbsspiel zu vermarkten, welches selbst mit etablierten Marken wie “StarCraft” den Boden aufwischen kann.

    Und ich stimme absolut der Grundaussage des letzten Absatzes zu, dass jeder Gamer sich an die MOBA-Welle gewoehnen sollte, denn sie hat tatsaechlich das Zeug dazu, das Gaming noch weit mehr in den medialen Mainstream zu befoerdern als das bislang schon der Fall war.