Kalypso Media: Mit 25.000 Euro zum florierenden Unternehmen

1. Oktober 2010

Kalypso Media wurde erst 2006 gegründet, hat aber innerhalb von vier Jahren ein beachtliches Wachstum hingelegt. Neben Niederlassungen in Großbritannien und USA verfügt Kalypso mittlerweile über drei interne Entwicklerstudios, die teils aus Insolvenzen hervor gegangen sind – darunter die von Ascaron oder die von The Games Company. Die bekanntesten Spiele des Gütersloher Unternehmens sind “Tropico 3”, “Grand Ages: Rome”, das kürzlich veröffentlichte “Patrizier IV” und das Strategie-Schwergewicht “Sins of the Solar Empire”.

Diese Titel haben sich also so gut verkauft, dass sich Kalypso ausbreiten durfte? Offenbar.Polygamia fragte für euch mal bei Stefan Marcinek nach, um herauszufinden, wie man in nur ein paar Jahren zu einem recht großen Unternehmen heranwachsen konnte. Her Marcinek ist Global Managing Director der Kalypso Media Group und gleichzeitig einer der beiden Gründer bzw. Geschäftsführer des Spieleherstellers.

Polygamia.de: Kalypsos Werdegang ist beeindruckend. Nur wie kann man so erfolgreich expandieren, während andere in die Pleite schlittern? Da müssen doch dicke Investoren dahinter stecken, oder?

Stefan Marcinek: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Bei uns stecken keine Investoren dahinter. Mein Geschäftspartner Simon Hellwig und ich haben Kalypso im Sommer 2006 komplett mit eigenen Mitteln gegründet, und die Firma ist immer noch in unserem Besitz. Und mit dem eigenen Geld geht man weitaus vorsichtiger um, als mit Fremdkapital. Wir geben nur das Geld aus, das wir auch wirklich haben und schauen uns neue Projekte genau an, bevor wir in sie investieren. Das Gleiche gilt natürlich auch für Firmenkäufe.

Patrizier IV: Das neueste Produkt von Kalypso Media

Patrizier IV: Das neueste Produkt von Kalypso Media

Polygamia.de: Ist die rasante Expansion nicht auch mit Gefahren verbunden, sich zum Beispiel zu verzetteln, zu viel Geld für Fehlinvestitionen auszugeben oder den Überblick über die sich in Entwicklung befindlichen Spiele zu verlieren?

Stefan Marcinek:Von diesem Risiko kann sich niemand freisprechen. Aber eben weil es unser eigenes Geld ist, sind wir hier sehr vorsichtig. Wir rennen nie vorschnell los und investieren in Projekte und sind auf den schnellen Erfolg aus. Für uns zählen langfristige Projekte und Partnerschaften.

Polygamia.de: Und wie hält man die Finanzen eigentlich unter Kontrolle? Bei Niederlassungen und Entwicklerstudios kommt ja monatlich allein an Personalkosten einiges zusammen?

Stefan Marcinek: Ja, das stimmt wohl. Kalypso besteht aktuell aus vier Kalypso-Firmen und drei Mehrheitsbeteiligungen an Studios. Insgesamt sind wir annähernd 100 Leute, die Monat für Monat versorgt werden wollen. Aber durch die Aufstellung in verschiedenen Ländern und mit einer eigenen Firma, die sich um den Onlinevertrieb kümmert, verteilt sich das Risiko auch dementsprechend und ist überschaubar und kalkulierbar.

Polygamia.de: Für  mich als Außenstehender ist das jetzt etwas verwirrend: Einerseits habt ihr die 100 Leute, die monatlich ihr Gehalt haben wollen, auf der anderen Seite wirkt es mit zwei Geschäftsführern, die auch aktiv mitarbeiten, fast schon ein wenig – sagen wir familiär. Wie kann man sich das eigentlich vorstellen?

Stefan Marcinek: Die meisten Mitarbeiter befinden sich auf der Entwicklungsseite, also in den drei Studios in München, Gütersloh und Berlin. Auf der Publishingseite sind wir etwa 25 Leute, verteilt auf Kalypso Deutschland, UK und USA. Insgesamt geht es bei uns wirklich sehr familiär zu, was bei einem kleinen aber leistungsstarken Team auch sehr wichtig ist.

Disciples III: Ein weiteres aktuelles Spiel, das Kalypso u.a. in Deutschland veröffentlicht

Disciples III: Ein weiteres aktuelles Spiel, das Kalypso u.a. in Deutschland veröffentlicht

Polygamia.de: Ich frag dann mal besser nicht, wie man die wahnsinnigen Lohnkosten Monat für Monat aufbringen kann. Im Lotto hatte vermutlich niemand vor der Kalypso-Gründung gewonnen? :- )

Stefan Marcinek: Nein. Die Firma wurde mit 25.000 Euro gegründet. Dieses jahr werden wir einen zweistelligen Millionenbetrag umsetzen, Verlust hat bisher noch keine Kalypso-Firma gemacht. Wir sind also ein gesundes Unternehmen. Und im Gegensatz zu einigen anderen Firmen – eben die, die jetzt pleite sind – verkaufen sich unsere Spiele auch gut; und zwar weltweit.

Somit sind wir nach und nach ganz langsam gewachsen. Im ersten halben Jahr hatte Kalypso auch keine Mitarbeiter. Da gab es nur Simon und mich. Wir haben uns in den ersten sechs Monaten auch kein Gehalt gezahlt, sondern alle Einnahmen direkt wieder investiert. Kaum zu glauben, dass das gerade mal vier Jahr her ist.

Polygamia.de: Das verdient großen Respekt, finde ich! Erstaunlich ist auch das Sammeln ehemals berühmter Lizenzen. Kalypso schnappt sich eine ganze Menge, was vor allem in Deutschland früher sehr beliebt war – zum Beispiel „Patrizier“ (Ascaron) oder „Tropico“ (Take 2). Waren die Käufe der Marken nur „Zufall“, also weil es sich angeboten hatte? Oder steckt dahinter ein konkreter Plan?

Stefan Marcinek: Ein konkreter Plan ist vielleicht etwas zu viel gesagt, aber all diese Lizenzen basieren auf Spielen, die Simon und ich früher selber gerne gespielt haben. Und mit Kalypso haben wir hier die Möglichkeit, alte Marken wiederzubeleben und gute Spiele zu entwickeln.

Tropico: Erst die Lizenz eingekauft, dann Teil 3 der Aufbaureihe veröffentlicht. 2011 folgt Episode 4!

Tropico: Erst die Lizenz eingekauft, dann Teil 3 der Aufbaureihe veröffentlicht. 2011 folgt Episode 4!

Polygamia.de: Manche Lizenzen konnte sich Kalypso wohl nicht einverleiben? Aber kommt es bei Spielern gut an, wenn man ein inoffizielles „MAD TV“ „M.U.D. TV“ und eine Art „Dungeon Keeper“-Fortsetzung „Dungeons“ nennt?

Stefan Marcinek: Letztendlich kommt ein Name nicht bei den Spielern an, sondern das Spiel an sich muss gut sein. Wie es dann heißt, ist erst einmal Nebensache, wobei natürlich durch den Titel und das Cover schon etwas kommuniziert werden, was Käufer ansprechen sollte.

Polygamia.de: Bei The Games Company und auch manch anderen Firmen, die es mittlerweile nicht mehr gibt (10tacle z.B.), hatte man oftmals das Gefühl, als ginge es nur darum, ein NewEconomy-irgendwas auf die Beine zu stellen, schnell mal etwas aufzubauen, um dann einen gewinnbringenden Exit für die Gründer hinlegen zu können. Leidenschaft für Spiele war in solchen Fällen nie spüren, was oft früher oder später zu einer Insolvenz oder Zerschlagung führte. Welche Ziele verfolgt hier Kalypso? Wird auch zukünftig eine Eigenständigkeit angestrebt oder hätte man nichts gegen einen Kauf durch einen Mitbewerber einzuwenden – wenn der Preis stimmt?

Stefan Marcinek: Sag niemals nie, ist wohl die ehrlichste Devise. Aber uns geht es nicht darum, Investoren auf uns aufmerksam zu machen oder gar aktiv Geldgeber zu suchen. Wir sind unabhängig und möchten es auch bleiben. Und ja, viele Firmen gibt es nicht mehr. Aber viele davon waren auch genauso aufgebaut. Die Braut wird hübsch gemacht und dann verkauft. Wobei die Halbwertzeit solcher Luftnummern eigentlich immer bei vier bis fünf Jahren liegt. Dass es bei einigen solcher Firmen kein ernstgemeintes Business sein kann, sollte jedem klar sein, wenn man sich nach einiger Zeit das Produktportfolio anschaut…

Darkstar One: Broken Alliance ist einer der ersten Xbox 360 - Titel von Kalypso. Erschien nach dem Kauf von Ascaron und den Lizenzen des dt. Studios.

Darkstar One: Broken Alliance ist einer der ersten Xbox 360 – Titel von Kalypso. Erschien nach dem Kauf von Ascaron und den Lizenzen des dt. Studios.

Polygamia.de: Alle Welt redet von sinkenden PC-Spieleverkaufszahlen, steigender Beliebtheit von Konsolen-Titeln, Casual- sowie Socialgaming- Hypes und Online-Distribution via Cloud-Services oder Anbietern wie Steam und Gamersgate. Letztgenannte Dienste nutzt Kalypso zwar auch, aber das Portfolio liest sich eher konservativ: Das erstaunlich erfolgreiche „Sins of a Solar Empire“ war ein Taktik-Monster, „Patrizier 4“ ist eine komplexe Wirtschaftssimulation und „Tropico“ oder „Grand Ages Rome“ Aufbauspiele der klassischen Art – und fast alle Titel nur für PC. Da hat man fast das Gefühl, als widersetzt ihr euch den Trends und tastet euch nur sehr vorsichtig an den Konsolenmarkt heran? Kann das gut gehen?

Stefan Marcinek: Widersetzen ist das falsche Wort. Man muss nur nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Der PC ist immer noch weltweit die größte Einzelplattform, und das wird er auch bleiben. Wirtschaftlich machen NDS und Wii zum Beispiel auf lange Sicht keinen Sinn. Und Konsolenentwicklungen sind teuer. Als Neueinsteiger muss man sich dann auf eine Plattform konzentrieren. Das war bei uns immer der PC und ist es immer noch. Erst nach und nach kamen neue Plattformen und Vertriebswege hinzu. Aktuell sind wir PC- und Xbox 360- Publisher, die PS3 evaluieren wir gerade. Und mit der Kalypso Media Digital vertreiben wir unsere Spiele auf allen wichtigen Onlineportalen. Außerdem steht – in Zusammenarbeit mit Gamigo – mit “Patrizier Online” im Frühjahr 2011 unser erstes Free-to-Play-Browserspiel an.

Polygamia.de: Ende 2009 wagte sich Kalypso auch in den Bereich iPhone/IPod-Spiele mit der „Ceville“-App. Ist das Experiment gelungen oder doch eher zu risikoreich – zum Beispiel aufgrund der unzähligen Konkurrenten im AppStore?

Stefan Marcinek: Für uns war diese App immer ein Testlauf, um zu verstehen, wie der App-Markt funktioniert. Ob wir hier weitermachen, steht aktuell noch nicht fest.

Polygamia.de: Kürzlich gab Kalypso bekannt, dass man einige Reste von The Games Company aus der Insolvenzmasse erwerben konnte. Mit dabei ist „Demonicon“. Verfügt ihr auch über die „Das Schwarze Auge“-Lizenz oder wird das Rollenspiel ohne diese in Deutschland beliebte Marke auskommen müssen?

Stefan Marcinek: Durch die Insolvenz können wir zu der Marke DSA zur Zeit nichts Genaues sagen.

Polygamia.de: Wie geht’s bei Kalypso weiter? Also abgesehen von den bereits angekündigten Spielen. Aggressive Expansion vorantreiben oder erstmal Konzentration auf die vorhandenen Gegebenheiten?

Stefan Marcinek: Unser Ziel muss es natürlich sein, weiterhin gute Spiele zu entwickeln und zu publishen. Weitere Expansionspläne sind aktuell nicht geplant, aber ausschließen kann man nichts. Auch das dritte Studio in Berlin (das ehemalige TGC/Silver Style Studio) war nicht geplant. Aber wenn sich eine gute und wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit ergibt, kann es durchaus sein, dass wir zuschlagen.

Stefan Marcinek: (Relativ) jung und dynamisch. Einer der Kalypso-Chefs

Stefan Marcinek: (Relativ) jung und dynamisch. Einer der Kalypso-Chefs

Polygamia.de: Was denkt eigentlich die Konkurrenz über Kalypso und Kalypso über die „Kollegen“? In Deutschland ansässige Unternehmen wie DTP oder gar KochMedia sind teils seit Jahrzehnten aktiv, tun sich aber nicht selten schwer bei der Internationalisierung oder Ausweitung ihrer Geschäfte. KochMedia gab z.B. einem internen Entwickler-Studio (DeepSilver Vienna) quasi nur ein Spiel Zeit, um sich zu beweisen. Und DTP setzt neuerdings lieber auf DVD- und Blu-ray-Veröffentlichungen…

Stefan Marcinek: Ich denke, dass wir generell in der Branche recht gut angesehen sind. Zu einigen Firmen bestehen teilweise auch freundschaftliche Verhältnisse. Natürlich gibt es auch Firmen, die man vielleicht weniger gut leiden kann, wobei es viele davon auch schon nicht mehr gibt…

Polygamia.de: Dann wünsche ich euch für die Zukunft weiterhin viel Erfolg! Danke für das Interview, ich freu mich übrigens schon auf Capitalism 3. Das bringt ihr doch heraus, oder? Bitte, bitte? :- )

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2 comments on “Kalypso Media: Mit 25.000 Euro zum florierenden Unternehmen

  1. Ah, sehr schönes Interview. Finde Kalypso auch sehr symphatisch, vor allem wegen der meist gelungenen Neuauflagen legendärer Strategietitel. Ich bin noch ein PC-Spieler alter Schule und beinahe jedes Kalypso-Spiel fällt damit quasi in mein Beuteschema. Weiter so und bitte bitte niemals pleite gehen :)

  2. Schönes Interview. Mag die Kalypso's auch – sind noch so "oldschool", merkt man auch auf Messen und Meetings.