E.T. go home!

28. April 2014

E.T. darf endlich nach Hause telefonieren. Der Softwareentwickler Fuel Entertainment, die Filmproduktionsfirma Lightbox und Microsoft haben auf einer Müllkippe in der Nähe der Stadt Alamogorno / New Mexico angeblich einige Exemplare des Megaspieleflops “E.T. – The Extra-Terrestrial” gefunden. Die Fundstelle galt als eine Art Area 51 der Spieleindustrie, da nie bewiesen wurde, dass Hersteller Atari in den 1980ern angeblich Millionen Spielmodule verbuddelt haben soll. Jetzt ist das Geheimnis ausgegraben, gelüftet und enthüllt. Oder doch nicht?

Die ersten Bilder zeigen nämlich keineswegs Berge von “E.T.”-Modulen. Stattdessen finden sich daneben auch ein paar Exemplare von “Asteroids” oder “Centipede”. Und das sieht jetzt nicht gerade wie ein Millionengrab aus. Es wirkt eher so, als ob ein paar örtliche Softwarehändler damals ihre Module weggeworfen hätten. Das mag 30 Jahre her sein, aber die Müllkippe gibt es ja nicht erst seit gestern. Auch möglich: In den 80ern gab es offensichtlich eine “Atari”-Fabrik in El Paso, die diverse Module in Alamogorno entsorgt hat.

Ausgebuddelt. Das ist ein offizielles Foto von Microsoft.

Ausgebuddelt. Das ist ein offizielles Foto von Microsoft.

Die Ausgrabung wurde jedenfalls medienwirksam inszeniert. Der Dokumentarfilm “The Atari Dig” bildet die Grundlage der Ausgrabungsarbeiten, über den hochoffizielle Ausgrabungsantrag wurde in einschlägigen Medien berichtet. Und offensichtlich pilgerten sogar einige Fans an den Wallfahrtsort in New Mexico, um die Auferstehung E.T.’s live mitzuerleben. Das Motto “Dumping the Alien“.

Bevor ein Leser dies als ein weltumspannendes Medienereignis wahrnimmt, sollten vielleicht ein paar Fakten klar sein. Es sind nämlich keine unabhängigen Filmemacher, die sich auf die zugegeben reizvolle Suche gemacht haben. Lightbox arbeitet laut ihrer Webseite schon mit Microsoft zusammen, der Film wird exklusiv auf Xbox Live erscheinen und Fuel Entertainment macht Spiele. Es würde wohl niemanden wundern, wenn in den nächsten Wochen und Monaten überraschend ein Remake des “schlechtesten Spiels aller Zeiten” angekündigt wird. Und Microsoft? Die brauchen wohl mal eine kultige Nerd-Aktion, um ihre Street Credibility wieder herzustellen. Ist doch alles super, wenn dann die Module gleich gefunden werden.

Hat jemand schon mal das Wort “viral” gehört? Spielejournalisten wohl nicht. Die plappern nämlich brav nach, was ihnen die PR-Abteilungen ins Ohr flüstern. Nirgends findet sich ein Wort des Zweifels, aber da wäre wohl zu viel verlangt. Sicherlich wird die Wahrheit über den Fund der E.T.-Module nicht die Welt verändern, aber dennoch hätten die Leser ein bisschen mehr Sorgfalt verdient. Warum? Weil die Geschichte dann spannender wäre, als das Nachschreiben einer Pressemitteilung.

Etwas wenig, oder? (Foto: Microsoft)

Etwas wenig, oder? (Foto: Microsoft)

Aber heh, vielleicht wird das Ganze doch noch ein coole Aktion. Möglicherweise stehen in New Mexico noch ein paar “Polybius”-Automaten rum, das FBI war an allem Schuld und vielleicht finden die Filmemacher auch noch das Benzin für eine Kettensäge. Irgendeine gute PR-Abteilung wird das locker als News verkaufen können.

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9 comments on “E.T. go home!

  1. Super! Ich kann da echt nur zustimmen. Irgendwie hat es echt niemand hinterfragt, was da abgegangen ist. Dass die Module und Packungen in der Wüste kaum gelitten haben – okay, das kann ich hinnehmen, auch wenn ich schon glaube, dass es zu chemischen Prozessen kommt, wenn Tausende Module unter der Erde liegen. Aber genau da fängt schon das Problem an: Auf den Fotos sieht man nur ein paar einzelne.

    Davon ab: Was erwarten die Leute, wenn Konzerne Ziele verfolgen? Kurz nach der Ausgrabungssache kündigt Microsoft die Xbox Originals (http://news.xbox.com/2014/04/ent-xbox-originals-unveil) an? Zufälle gibts….nicht bei Marketing-Aktivitäten.

    • Hamrath Apr 28, 2014

      Natürlich ist das kein Zufall. Es ist Marketing. Microsoft wird sich wohl kaum gedacht haben: “Hey, wir drehen da mal ein Filmchen und der Rest ist egal.” Nein, Überraschung: Sie wollen in dem Zusammenhang etwas verkaufen! Das gab’s noch nie bei einer solchen Aktion! Super recherchiert!

      • Ach, du deutest damit an, die Aktion wäre genauso erfolgreich gewesen, hätten sie nichts gefunden? Also gar nichts? Nicht einmal Centipede? Du musst die Zielgruppe schon bedienen, sonst interessiert das keine Sau. Also hilft man im Zweifel nach, oder etwa nicht?

      • Hamrath Apr 28, 2014

        Das Ziel des Filmteams war es, zu beweisen, dass die Geschichte nicht stimmt. Und das hätte die Zielgruppe genauso bedient.

      • Genau. Die hätten dann an 3-4 Stellen vergebens gesucht…und dann wäre die Doku zu Ende gewesen? Ja, so verkauft man Xbox-Produkte. :P

      • Hamrath Apr 28, 2014

        Und jetzt haben sie was gefunden und die Doku ist an der gleichen Stelle zu Ende (bzw. 2-3 Löcher früher).

    • Hamrath Apr 28, 2014

      Achso, um nochmal auf die Module und Verpackungen zu kommen: Es… ist… eine… Wüste. Die durchschnittlichen Höchsttemperaturen in Alamogorno unterschreiten die 13° nicht, im August sind dort über 30°. Die Gegend hat kaum Niederschlag. Sand konserviert ganz ordentlich, sieht man übrigens auch in ägyptischen Gräbern, wo jahrtausende alte Zeichnungen ans Tageslicht kommen (und dank UV-Strahlung erst dann vergilben).

  2. Hamrath Apr 28, 2014

    Ich hätte es schön gefunden, wenn du noch erklärst, warum du an der Geschichte zweifelst. Ein paar Fakten aufzählen und dabei verschwörerisch mit den Armen wedeln ist mir persönlich zu wenig.

    “Viral” ist schön und gut, aber was hätten Microsoft oder die Filmer davon? Jetzt wissen es ja alle, die Module sind da. Schneidet sich Microsoft damit nicht ins eigene Fleisch, wenn es sich um eine virale Kampagne handelt? Wer soll die Doku denn jetzt noch gucken wollen, das Geheimnis ist gelüftet. Oder glaubst du tatsächlich, jemand von Microsoft hätte in der Nacht die Module im Sand vergraben, damit sie medienwirksam ausgebuddelt werden?

    Meine Vermutung ist eher: Die Pressemitteilung wurde raus gehauen, weil es hunderte Schaulustige an der “Ausgrabungsstelle” gab, die Geschichte wäre also eh ans Licht gekommen. Die Reporter von polygon, die bei der Ausgrabung dabei waren, sprachen in ihrem Artikel am Samstag davon, dass sie in den Buddellöchern viele, weitere Module gesehen haben.

    Und was man auch nicht vernachlässigen sollte: Es handelte sich um “Legende”, die in den letzten 30 Jahren entstanden ist. Und in solchen Legenden wird immer gerne etwas übertrieben. Ob jetzt dort 14 LKW-Ladungen liegen oder “nur” 1.000 Module – prinzipiell stimmt die Geschichte. Und dass dort auch Centipede-Module gefunden wurden, ist mehr oder weniger eine Sensation, denn davon wusste bisher niemand.

    • Die Fakten sind in meinen Augen ausreichend für das Fazit. Ich behaupte beispielsweise auch nicht, dass die Funde ein Fake sind. Die “Videogame Archeologists” haben eben dort gebuddelt, wo sie eine 90 % – Chance hatten.

      Schön und gut, wenn Polygon von vielen anderen Modulen spricht. Mir fehlt der Money-Shot der das alles beweist. Wegen der Legende: Aber ist doch genau der Reiz daran! Wenn der Fund ein Flop ist, sollte man das ruhig zugeben und es nicht unnötig aufblasen.