Neutron Games: Mit Handball ins Spielebusiness

22. Juli 2010

Sie sitzen seit 2007 an einem ambitionierten Projekt, das nächstes Jahr im besten Fall Millionen Sportfreunde begeistern soll: Das kleine Studio Neutron Games aus Berlin bastelt nämlich an dem Vollpreis-Produkt “Handball-Challenge”. Und das Ziel ist kein kleines, schließlich soll die Simulation endlich ein ordentlicher Genrevertreter werden, der den beliebten Sport hochwertig auf die heimischen PCs bringt. Dass das alles nicht so einfach ist, wie es klingen mag, erfuhr Polygamia.de direkt von Björn Kaminski, einer der Chefs von Neutron Games.

Polygamia.de: Seit knapp einem Jahr seid ihr unter dem Namen Neutron Games unterwegs und arbeitet an eurem ersten Spiel „Handball Challenge“, das 2011 erscheinen soll. Ihr habt Fördergelder in Höhe von über 80.000 Euro erhalten und seid mittlerweile zu einem kleinen Entwickler-Team herangewachsen. War der Einstieg ins professionelle Spielebusiness eigentlich schwer oder ging das recht problemlos über die Bühne?

Das kostenlose Trainingscamp gibts zum Download.

Das Trainingscamp gibts zum kostenlosen Download.

Björn Kaminski: Die 80.000 Euro, von denen du sprichst, sind ein Darlehen des Medienboard Berlin-Brandenburg, das wie einige andere deutsche Filmförderungen auch, ein Games-Förderprogramm aufgelegt hat. Unser Team besteht mittlerweile aus 17 Leuten. Um das zu finanzieren, sind natürlich deutlich mehr Mittel notwendig. Unser Weg zu einem richtigen Entwickler-Team war in dieser Hinsicht schon sehr schwierig und mit viel Konzeption und Überzeugungsarbeit verbunden. Wer sich für Fördermöglichkeiten im Gamesbereich interessiert, kann unseren Werdegang ausführlich in der Making Games vom Dezember 2009 nachlesen, den Artikel gibt es auch online. Unser Weg entspricht jedenfalls nicht unbedingt dem klassischen Modell einer Firmengründung im Gamesbereich. Wir haben 2007 angefangen mit einem EXIST-Gründerstipendium, das uns ein Jahr lang direkt nach der Uni ermöglicht hat, mit einem kleinen Team einen rudimentären Prototypen, noch auf der Open-Source-Engine Ogre basierend, zu entwickeln. In dieser Phase war unser größtes Ziel zudem eine langfristige Vision zu gestalten, um Finanzpartner für das Projekt zu begeistern, was nach vielen intensiven Monaten mit Präsentationen, Businessplänen und Anträgen erstellen glücklicherweise auch geklappt hat.

Polygamia.de: Wie geht ihr allgemein mit eurem Budget um? Wenn ihr für „Handball Challenge“ knapp zwei Jahre Entwicklungszeit vorgesehen habt, dann kostet dies ja jede Menge Geld. Also Büro, Gehälter, Lizenzkosten für Software und dergleichen – reicht das oder müsst ihr nebenbei noch Minijobs annehmen? Toiletten putzen wie die Jungs vom „Klo-Manager“? :- )

Björn Kaminski: Ja, du hast recht. Wenn am Ende des Monats die Miete fällig wird, kommt man selbst mit einer gesunden Portion Idealismus nicht mehr weiter. Das haben wir relativ schnell gemerkt und uns deshalb während der EXIST-Phase sehr ausführlich mit der Finanzierung beschäftigt und einen Plan entwickelt, um die Kosten aufzuteilen. Die Basis für Handball Challenge ist ein Serious Game-Konzept – Handball Trainer 3 D (HT3D), für das wir 2009 sogar den Serious Games Award in Berlin gewonnen haben. Für die Entwicklung des Handball Trainers haben wir eine Finanzierung bis Anfang 2011 bekommen. Technisch bauen wir da vieles auf, das wir auch für Handball Challenge verwenden werden, alleine schon die ganzen Animationen, die KI usw. Auch unsere aktuell veröffentlichte Minigame-Serie Handball Challenge Trainingscamp ist zum Teil eine Auskopplung aus dem Entwicklungsprozess von HT3D. Einige Elemente, wie das Erklären von Trainingseinheiten durch bekannte Handball-Spieler, werden wir auch in HT3D wiederfinden. Für das Vollpreisspiel benötigen wir eine weitere Finanzierung, es soll ja ein richtig gutes Spiel werden. Das versuchen wir allerdings erstmal auf dem klassischen Weg, bevor wir den Jungs vom Klo-Manager Konkurrenz machen.

Björn Kaminski, CEO von Neutron Games

Björn Kaminski, CEO von Neutron Games

Polygamia.de: Euer Debüt versucht sich zugleich an einem an sich sehr beliebten Thema. Wie kamt ihr auf die Idee, ein Handball-Spiel entwickeln zu wollen? Persönliches Interesse? Spielt ihr selbst? Oder habt ihr einfach den Bedarf gesehen?

Björn Kaminski: Nun da kamen mehrere Faktoren zusammen und es gibt dazu eine kleine Anekdote,. Gregor Ilg, einer der beiden Gründer von Neutron Games, spielt seit 20 Jahren Handball,  immerhin in der 4. Liga in Berlin, und hatte 2005 einen Kreuzbandriss. Ans Bett gefesselt vertrieb er sich die Zeit mit seiner PS2 – Fifa, NBA, NHL – alles außer Handball, weil das gab es ja leider noch nicht. Er hat dann irgendwann begonnen zu recherchieren, warum das so ist. Bei den Handballern stieß man natürlich sofort auf offene Ohren, die Umsetzung war das große Problem. Er hat diesbezüglich u.a. auch mit dem G.A.M.E Verband gesprochen,  der ihm zwei Dinge mit auf den Weg gab: man braucht 100.000 Euro für einen Prototypen und einen Publisher. Beides war nicht vorhanden. So wurde erstmal ein kleines Team gesucht, um die Aufgaben Schritt für Schritt anzugehen. Mittlerweile ist daraus Neutron Games geworden. Gleich zu Anfang haben wir erst einmal eine ausführliche Marktrecherche durchgeführt und mit vielen Handballvertretern gesprochen, die uns seitdem sehr stark unterstützen. Weltweit gibt es immerhin 19 Mio. aktive Handballer, von denen der ein oder andere durchaus auch gerne mal ein Computerspiel zockt. Wenn das kein Markt ist?

Polygamia.de: Das stimmt. Aber ganz unbefleckt ist das Thema ja nicht: Habt ihr selbst mal den „Handball-Simulator“ oder die ebenfalls nicht sonderlich tollen „Handball-Manager“ gespielt?

Björn Kaminski: Ja, und beides relativ schnell wieder weggelegt. Ich denke, der Handball Manager ist ein solides Produkt. Allerdings handelt es sich dabei ja eher um eine Wirtschaftssimulation. Das, was mich am Sport interessiert, die Dynamik, das Spektakuläre, das kann man in einem Manager nur sehr schwer umsetzen. Mit den Entwicklern des „Handball Simulators“ hatten wir gelegentlich Kontakt, es gab aber für eine Zusammenarbeit zu unterschiedliche Interessen. Wir hatten von Anfang an das Ziel, ein qualitativ hochwertiges Vollpreisspiel zu entwickeln, damit wir eine Chance haben, mit Handball langfristig auf dem hart umkämpften Sportspielmarkt zu bestehen. Der Handball Simulator wurde in vergleichsweise kurzer Zeit mit geringem Budget entwickelt, aber das ist bei einem so komplexen Sport wie man sieht zu wenig. Klar ist es eine große Leistung, überhaupt ein Handballspiel zu produzieren, aber ich glaube im Sportspielbereich muss man mehr zeigen, um überhaupt ernst genommen zu werden.

Mit dabei: Offizielle Lizenzen

Mit dabei: Offizielle Lizenzen

Polygamia.de: Die Entwickler vom „Handball Manager“ basteln ja aktuell auch an dem potentiellen Konkurrenztitel „Handball Action“. Macht ihr euch um Mitbewerber Sorgen, sie könnten ein qualitativ besseres Produkt abliefern, noch bevor ihr mit der Entwicklung von „Handball Challenge“ fertig seid?

Björn Kaminski: Die Entwickler von Handball Action haben ja durch den Handball Manager selbst einige Erfahrung im Handballsport gesammelt, das hat aber auf unsere eigene Entwicklung wenig Einfluss. Es ist sicher, dass Handball Action definitiv früher auf den Markt kommen wird als Handball Challenge, aber uns geht es ja nicht darum einen Wettlauf zu gewinnen, sondern ein qualitativ gutes Produkt abzuliefern. Handball Action lässt sich momentan schwer einschätzen. Bis auf einen kurzen Trailer gab es noch nicht viel zu sehen. Da ist sicherlich noch Luft nach oben. Wir werden das natürlich beobachten, bleiben aber unserer langfristigen Strategie treu, erst Handball Challenge Trainingscamp, dann den Handball Trainer, und dann mit Handball Challenge ein Spiel, das diesem tollen Sport gerecht wird.

Polygamia.de: Was sind eure persönlichen Vorbilder? „FIFA“? Andere Sportspiele? Oder macht ihr einfach das, was ihr für richtig und für Gamer spannend haltet?

Björn Kaminski: An FIFA und ProEvo kommt man gar nicht vorbei, das sehen wir jeden Tag in unserem Forum. Wenn es da um Ideen für Gameplay oder Steuerung geht, dann ist eigentlich immer eines der beiden Fußballspiele die Referenz und das gilt auch für uns. Gleichzeitig brauchen wir uns auch nicht die Illusion machen, dass wir an eines der beiden Spiele herankommen, das sind immer noch Welten,  immerhin sitzen bei EA vermutlich 200 Leute, bei uns nur 15-20. Dennoch ist es unser langfristiges Ziel, so nah wie möglich an die Großen heranzukommen, insbesondere was Animationen und Gameplay angeht. Das Feedback, das wir in der Hinsicht bekommen, ist bisher sehr positiv.

Das Trainingscamp soll andeuten, was die Vollversion bieten wird

Das Trainingscamp soll andeuten, was die Vollversion bieten wird

Polygamia.de: Schaut man sich eure kostenlose Minispiele-Sammlung „Handball Challenge: Trainingscamp Volume 1“ an, setzt ihr ebenfalls auf Mikrotransaktionen. Leute sollen echtes Geld ausgeben können, um sich im Spiel Vorteile zu schaffen. Kommt dieser Aspekt bei den Spielern des „Trainingscamps“ an? Und wird das auch ein Element für die Vollversion?

Björn Kaminski: Es haben schon Leute gefragt, ob es denn bald weitere Items zu kaufen gibt, z.B. neue Trainingshallen. Da sind wir dran. Für Vol. 1 haben wir erst einmal das Shop-System aufgebaut, was für ein Client-basiertes Spiel schon sehr aufwendig ist. Uns ist aber wichtig, dass, wie bei Free-to-play Games üblich,  jeder die Minigame-Serie spielen kann, ohne einen Cent auszugeben. Man muss dazu sagen, dass ein Handballspiel natürlich nicht dem klassischen Setting für Microtransactions entspricht, aber wir wollen versuchen, das System auf unsere Minigame-Serie zu transportieren. Richtig Geld verdienen werden wir, wenn alles gut läuft, erst mit dem Vollpreistitel Handball Challenge,  aber ein paar Umsätze müssen wir dennoch machen, um Kosten querzufinanzieren. In erster Linie geht es bei der Minigame-Serie dennoch nicht um große Umsätze, sondern darum zu zeigen, Handball macht als Computerspiel Spaß und darum, die Leute für das Vollpreisspiel zu begeistern.

Polygamia.de: Ist „Handball Challenge“ auch für Konsolen geplant? Ist die Entwicklung für Xbox 360 oder PS3 nicht auch noch kostenintensiver und anspruchsvoller – oder für euch aktuell gar kein Thema? In Deutschland werden schließlich aktuell kaum Games für „NextGen“-Konsolen produziert…

Björn Kaminski: Jaja, alle entwickeln Browsergames. Ein richtiges Handballspiel, also sieben gegen sieben, sehe ich da zum Beispiel (noch) nicht, das würde als Browsergame nicht funktionieren. Natürlich gibt es auch in Deutschland NextGen-Produktion. 49games hat zum Beispiel Wintersports2010 auch für PS3 entwickelt, aber klar ist das teurer und anspruchsvoller. Wir produzieren daher momentan auch erst einmal für PC, was technisch schon anspruchsvoll genug ist. Mit der Vision-Engine haben wir jedoch bewusst eine multiplattformfähige Engine gewählt, eine Portierung ist also möglich. Etwas näher liegend, rein entwicklungstechnisch gesehen, ist die Produktion für XBox 360. Das hängt aber letzten Endes auch vom Publisher ab. Klar ist für mich jedoch: um eine Konsolenentwicklung werden wir nicht herum kommen. Wir haben HC Trainingscamp bereits bei einigen Handballevents präsentiert und jede zweite Frage lautete: „Ist das Spiel für Playstation?“

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Ingame-Trailer aus dem Gratis-Trainingscamp.Polygamia.de: Mit welchen Argumenten bzw. Alleinstellungsmerkmalen wollt ihr potentielle Käufer vom „Handball Challenge“ überzeugen?

Björn Kaminski: Wir haben zum einen als bisher einziges Team die offiziellen Lizenzen der TOYOTA HBL (Deutsche Handball Bundesliga), wir haben bereits für Trainingscamp eine wie ich finde innovative Torwurfsteuerung implementiert, und wir haben aktuelle Topstars für die Minigame-Serie und für Handball Challenge gewonnen. Aktuell kann man ja bereits 1-vs-1 gegen Dominik Klein spielen, der vor kurzem mit dem THW Kiel die Champions League gewonnen hat. Mit dabei wird auch der schwedische Nationalspieler Jonas Källman sein, einer der besten Linksaußen weltweit, und wir haben noch ein paar weitere internationale Großkaliber in Aussicht, die großes Interesse haben, Handball Challenge zu präsentieren.

Polygamia.de: Na, das klingt schon prima, also theoretisch. Aber findet ihr das nicht ein wenig komisch: Alle Welt redete bis vor ein paar Tagen von der Fußball-WM in Südafrika und ihr sitzt seit Ewigkeiten im dunklen Kämmerlein und werkelt an einem Handball-Spiel?

Björn Kaminski: Haha, unser Kämmerlein ist momentan eher zu hell und zu warm. Aber wir haben uns die WM auch selbst gerne angeschaut und spielen sie in unserem Neutron-Cup gerade nach (auf der Playstation). Und nachdem ich die Frankreich- oder England-Spiele gesehen hatte, bekam ich eher noch mehr Lust auf ein Handballspiel. Nein, mal im Ernst, die WM ist eben auch nur vier Wochen lang, wir beschäftigen uns aber seit 2007 intensiv mit unserem Handballspiel, da gehen vier Wochen schnell vorbei. Ende August fängt in Deutschland die neue Bundesligasaison wieder an und bis dahin gibt es wieder ein neues Minigame, neue Features, neue Spieler und viele Leute, die richtig viel Lust haben auf Handball zocken. Das ist übrigens auch im echten Leben ein richtig cooler Sport, ich kann jedem nur empfehlen ein Handballspiel einmal live zu erleben.

Polygamia.de: Danke für das Gespräch. Euch mit “Handball Challenge” viel Erfolg!

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2 comments on “Neutron Games: Mit Handball ins Spielebusiness

  1. gutes Interview.. ! danke