Frauen im E-Sport: Interview mit dem ESBD – eSport-Bund Deutschland e.V.

12. Februar 2018

Der E-Sport erfährt weltweit und speziell in Deutschland einen enormen Auftrieb. Selbst die Politik hat sich offen dazu bekannt. Ein Blick auf die Szene lohnt sich also. Ähnlich wie im Gaming allgemein, fällt einem als erstes auf, wie scheinbar männlich dominiert der E-Sport ist. Wir sprachen deswegen mit Hans Jagnow und Anna Baumann vom E-Sport Bund Deutschland über die möglichen Gründe und was sich ändern sollte.

Wie hat sich der Anteil von Frauen im E-Sport in den letzten 5 Jahren aus ihrer Sicht verändert? Wie ist der Anteil heute?

Anna Baumann: Meines Erachtens sollte man den Frauenanteil im Management und im E-Sport selbst als aktive Spielerinnen unterscheiden. Gerade im internationalen Kontext ist der Frauenanteil im Management in den letzten Jahren gewachsen, hervorzuheben sind hier erfolgreiche Managerinnen wie etwa Susan Tully, CEO von H2K Gaming, oder Ana Neguerela, E-Sport Direktorin bei Optic Gaming. Spielerinnen hingegen können sich kaum durchsetzen, vor allem im Spitzensport. Die Gründe dafür sind meines Erachtens vielfältig und müssten unbedingt auch wissenschaftlich aufgearbeitet werden, so dass man überzeugende Handlungsansätze umsetzen kann.

Hans Jagnow: Belastbare Zahlen, insbesondere titelübergreifend liegen uns dazu nicht vor. Gaming ist schon seit Jahren diversifizierter, als man es in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht vermutet hätte – der Branchenverband game hat ermittelt, dass 47% aller Spieler weiblich sind. Aus meiner Sicht haben wir kein Anteilsproblem, sondern ein Sichtbarkeitsproblem: Frauen sind im eSport insbesondere in der Spitzensportebene nicht vertreten.

Dreamhack 2018 vom 26.01.-28.01.2018 auf der Leipziger Messe

In welchen Games ist der höchste Anteil an Frauen im E-Sport?

Hans Jagnow: Auch hier kann ich nur auf die bisher fehlenden Zahlen verweisen. Allerdings stellt sich bei mir der Eindruck ein, dass MOBAs insgesamt für Spielerinnen attraktiver sind als Taktik-Shooter oder Sportsimulationen. Mein persönliches Empfinden ist: Titel mit starken weiblichen Charakteren sind zugänglicher für Frauen als solche Titel, die nur männliche Identifikationsfiguren tragen. Das mag ein zentraler Unterschied zwischen z.B. Overwatch und Counter-Strike sein, die im sportlichen Bereich ähnliche Mechaniken aufweisen. Es geht also auch um den Narrativ.

E-Sport möchte als Sport anerkannt werden, wie klassische Sportarten auch und denselben Respekt erhalten. Dazu müssen aber auch vergleichbare Standards vorhanden sein. Die Zugänglichkeit und affirmative Ansprache von Mädchen und Frauen ist Teil davon. Wie ist Ihre Einschätzung zur Tatsache, dass keine weibliche Gamerin für die Overwatch League Teams gedraftet wurde (z.B. Svetlana “Svetaska” Alexeeva oder Kim “Geguri” Se-yeo) ? Braucht es Ihrer Meinung nach getrennte Ligen? Sendet das ausschließliche Nominieren von Männern eher ein negatives Signal eines Männerclubs?

Anna Baumann: Während es keine verlässlichen Zahlen gibt, muss ich Hans hier etwas widersprechen: Gerade in Counter-Strike gibt es im internationalen Kontext bereits seit Jahren sichtbar erfolgreiche Spielerinnen wie z.B. Ksenia ‘Vilga’ Klyuenkova, die mit ihrem Team gerade bei einer Sportakademie in Dubai unterschrieben hat. Grundsätzlich erscheint jedoch der Einstieg für Mädchen in Spiele leichter, die wert auf ein Umfeld legen, in denen Sexismus und andere Feindlichkeiten keinen Platz haben. Gerade Spieleherausgeber wie Riot und Blizzard setzen ihre Forschung im Bereich „online – toxicity“ strenger durch Chat- und Spielsperren bei unerwünschtem Verhalten um. Ich würde daher vermuten, dass Spiele wie Overwatch und League of Legends einen höheren Frauenanteil aufweisen.

Foto: Intel

Hans Jagnow: Getrennte Ligen entbehren im eSport jeder sachlichen Grundlage und wären eher ein Kniefall vor dem männlichen Establishment. Es braucht viel mehr einen Kulturwandel in der Szene, in den Teams und in den Spielen. Scouting z.B. funktioniert gerade so: Männer wählen Männer aus, die zu den anderen Männern in den Draft passen könnten. Warum nicht an dieser zentralen Stelle eine Frau in den Teamaufbauprozess integrieren und ihr die Entscheidung lassen? Und wenn das überwiegend von Team-Managern gemacht wird, dann brauchen wir Frauen in genau der Position. Genug Kompetenz gibt es in diesem Bereich.

Aber das grundlegende Problem liegt an der Aufstiegskultur im eSport – und hier braucht es einen starken Breitensport mit fitten Coaches, die Spielerinnen und Spieler unabhängig von ihrem Geschlecht in ihrer Leistung fördern und ihnen diskriminierungsfreie Entwicklungsräume schaffen.

Welche Herausforderungen gibt es für den E-Sports Bereich in Bezug auf Frauen? Wie sind die Vereine und Teams des Bunds aufgestellt in Sachen Frauen?

Hans Jagnow: Die grundsätzliche Herausforderung habe ich beschrieben: Sichtbarkeit. Und zwar in allen Bereichen. Und das heißt: Aufstiegschancen schaffen und Männerkultur abbauen.

Da nehme ich unseren Verband nicht aus: für einen eSport, der den Anspruch erhebt der Sport des nächsten Jahrhunderts zu sein, ist ein rein männliches Präsidium eher ein Statement aus dem letzten Jahrhundert. Da müssen wir besser werden. Erster Schritt dafür wird das Angebot eines Netzwerkes im Verband sein, in dem sich Frauen organisieren und Perspektiven und Ansprüche mit geeinter Stimme kommunizieren können. Nach Wunsch begleite ich dieses Netzwerk auch persönlich, um eine Übersetzung in die Verbandspolitik zu gewährleisten.

2018-02-01 / Photo: Robert Paul for Blizzard Entertainment

Anna Baumann: Absolut. Allerdings müsste man meines Erachtens nach viel früher ansetzen, um eine Trennung nach Geschlechtern zu vermeiden. Cloud 9 in den USA hat dies bereits erkannt und baut eine Nachwuchsförderung auf, die auf das gemeinsame Spielen von Jungen und Mädchen setzt. Darüber hinaus sollten Top-Clubs verpflichtet sein, Trainingsräume zur Verfügung zu stellen, die auch Spielerinnen willkommen heißen. Im Moment leben und trainieren viele Spitzenteams nach wie vor in sog. „Gaminghäusern“, die Spielerinnen nicht einmal Einzelzimmer zur Verfügung stellen könnten. Daneben ist es unbedingt notwendig, jetzt in dieser jungen, noch offenen Phase des E-Sports eine Kultur zu entwickeln, die Frauen und Männern gleichermaßen Aufstiegschancen vermittelt bevor sich ein Männerclub dauerhaft etablieren kann.

Gibt es weitere relevante Zahlen und Fakten zum Thema Frauen im E-Sport von Ihrer Seite?

Hans Jagnow: Wir arbeiten daran, belastbare Zahlen noch in diesem Jahr zu erfassen. Ohne diese Datengrundlage werden wir nur schwer sachorientierte Maßnahmen entwickeln können, das ist Teil der Aufbauarbeit.

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