Xperia Play: Unnützer Spielekram weltfremder Techniker

14. Februar 2011

Ich lass mich häufig von großen Ankündigungen blenden, bin ein zwanghafter Early Adopter und kaufe mir gerne vermeintlich innovativen Schnickschnack, sobald er erhältlich ist. Vielleicht hätte ich mir sogar das PlayStation Phone geholt, obwohl ich mit meinem iPhone 4 glücklich bin und nicht noch ein weiteres Smartphone zum Spiele benötige. Aber schau ich mir jetzt das Xperia Play, so wie das PS-Phone jetzt heißt, an, dann gibt es für mich schon jetzt ein voreiliges Fazit: Den Quatsch braucht keiner! Niemand! Wirklich NIEMAND!

Hübsch, hübsch! Nur was? Model oder Xperia Play?

Hübsch, hübsch! Nur was? Model oder Xperia Play?

Wenn es stimmt, dass Sony Ericsson das Xperia Play ohne Vertrag für 649 Euro veräußern will, kann ich die Verantwortlichen nur als weltfremd bezeichnen. Für diese Summe erhalten Kunden nicht nur ein mindestens ebenwürdiges iPhone 4 (ohne Vertrag), sondern eine Reihe an anderen Alternativen, die technisch und konzeptionell dem Handy/Spielgerät-Hybriden überlegen sind.

Mir ist selbstverständlich bewusst, dass mich niemand zum Kauf des Xperia Play zwingt. Aber ich bin ein potentieller und technikaffiner Konsument, der stets Produkte hinterfragt. Und dies führt zu dem frühen Schluss: Was soll das? Bezogen auf die Hardware ist das Xperia Play schon keine Besonderheit. Ausgestattet ist das mobile Telefon mit einem 1GHz ARMv7-Prozessor, einem 4-Zoll-Touchscreen, 400MB RAM, 5 Megapixel-Kamera und den üblichen Connecitivity-Elementen WIFI, A-GPS, UMTS, GPRS, Edge, HSDPA, USB 2.0 und Bluetooth 2.1. Der interne Speicher kann mit microSD-Karten erweitert werden. Der Bildschirm verfügt über eine Auflösung von ordentlichen 854×400 Pixeln, zum Einsatz kommt Googles Android in der Version 2.3 . Eigentlich sind das akzeptable Werte, allerdings verfügen fast alle aktuellen und älteren Android-Smartphones über ähnliche, wenn nicht sogar bessere Daten. Da mit einer Veröffentlichung des Xperia Play schon im März zu rechnen ist, konkurriert das Smartphone mit etlichen anderen Produkten – und diese sind DEUTLICH besser, da zeitgemäßer. Nehmen wir das in Kürze erhältliche Samsung Galaxy S2. Die gesamte Reihe verkaufte sich weltweit über 10 Millionen Mal, entsprechend hoch sind die Erwartungen an das neue Modell. Und mit einem DualCore-Prozessor, Super AMOLED Plus-Touchscreen, Gyroskop, FullHD-HDMI-Ausgang und dem Erstellen von Videos in 1080p dank der 8-Megapixel-Kamera wird deutlich, zu was aktuelle Handys heutzutage in der Lage sind. WIFI, Bluetooth 2.1+EDR gehören zum Standard, preislich wird das Android 2.3-Monster wohl ebenfalls bei 650 Euro liegen. Zum Vergleich: Das aktuelle Galaxy S, das schon jetzt dem Xperia Play überlegen ist, gibt’s derzeit für 440 Euro.

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Der offizielle Werbespot zum Xperia PlayDoch nicht nur leistungsstarke DualCore-Prozessoren sind die Gegenwart und nahe Zukunft im mobilen Bereich, sondern auch kleinere Innovationen. Nehmen wir das LG Optimus 3D. In diesem Modell werkelt nicht nur eine flottere Dual-Cortex-A9-CPU mit 1,2GHz (pro Kern), sondern ein Tegra 2 3D-Chip von Intel, der auf den neuartigen Display zugeschnitten ist. Dieser beherrscht, welch Überraschung, stereoskopisches 3D ganz ohne eine Brille – vergleichbar mit dem 3DS, der die Gamer Ende März mit dem 3D-Feature begeistern will. Für das Handy-Segment ist der Optimus 3D was gänzlich Neues, LG wäre verrückt, hierfür nicht passende Spiele entwickeln zu lassen. Rein theoretisch könnte das eine spannende Alternative zum 3DS sein, Xperia Play läuft hier völlig außer Konkurrenz. Wieso auch? Technisch ist das Handy wirklich nicht einzigartig, abgesehen freilich von dem Slider, hinter dem sich ein Steuerkreuz, zwei kreisförmige Touchpads und Buttons befinden.

Xperia Play: Das Bild von Adrenaline 6 sieht genauso aus wie auf dem iPhone oder einem Android-Handy

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Ich frage mich, was sich die Techniker beim Xperia Play gedacht haben. Soll ich damit telefonieren und ab und zu mal ein PlayStation(1)-Spiel zocken? Aufregend, zumal Sony selbst ab März PlayStation Suite anbieten wird. Bei diesem Service sollen sämtliche Android-Handys und später wohl auch iOS-Geräte die Möglichkeit erhalten, PS1-Klassiker abzuspielen, nach dem Kauf der Spiele – versteht sich! Klar, auf anderen Handys werden dann Steuerkreuz und Knöpfe mittels des Touchscreens simuliert, bei einer guten Emulation könnte das für den Genuss ohne weiteres genügen – zumal sich Smartphone-Spieler längst an solche Eingaben gewöhnt haben dürften.

Was bleibt also noch übrig? Diverse Hersteller haben bereits angepasste Spiele für Xperia Play angekündigt. Überzeugend ist das Lineup in keinem Fall, denn auch hier scheint es sich nur um Umsetzungen längst erhältlicher Android-Titel zu handeln. EA kommt mit „FIFA 10“, „Die Sims 3“ oder „Tetris“, Fishlabs mit „Galaxy on Fire 2“ und Gameloft mit den üblichen Verdächtigen „Let’s Golf 2“, „Spider-Man: Total Mayhem“, „Modern Combat 2“, „Real Football 2011“, „Splinter Cell Conviction“ und „Brothers in Arms 2“. Für iOS- und Android- Fans sind das alles uralte Hüte, weil sie zum Teil schon für ein paar Cent in den jeweiligen Stores verscherbelt wurden. Ein Neukauf für diejenigen, die sich ein Xperia Play zulegen, soll Sinn ergeben? Welchen denn? Es wäre mutig und dumm von Sony Ericsson, würde man die Kompatibilität zu vorhanden Android-Spielen oder gar dem gesamten App-Marktplatz sperren. Und ist es nicht davon auszugehen, dass die Berücksichtigung der „echten“ Buttons ein völlig neues Spielgefühl zur Folge haben wird.

Xperia Play: Das Gerät selbst sieht solide und attraktiv aus. Das soll auch kein Kritikpunkt sein!

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Nicht vergessen werden sollten die klassischen tragbaren Spielkonsolen. Für 650 Euro könnte ich mir einen 3DS oder den PSP-Nachfolger kaufen. Mit denen dürft ich zwar nicht telefonieren, sehr wohl aber mit einem billigen Android-Handy aus der 300-Euro-Preisklasse. Noch günstiger wird es, würde ich mich für die gute, alte PSP entscheiden. Die hat genauso ein Steuerkreuz, eine Analogscheibe, Buttons und einen hochauflösenden Display. Nebenbei gibt es für sie tolle Spiele für echt wenig Geld, und PS1-Urgesteine laufen dank sehr ordentlicher Emulation ebenfalls. Die gefloppte PSPGo findet man doch sicher mittlerweile auf dem Wühltisch? Apropos: Wäre es nicht cleverer gewesen, die PSPGo mit Handy-Funktionen und (optional) Android auszustatten? Ach, vergesst es. Naheliegende Lösungen kommen für Sony Ericsson offensichtlich nicht infrage.

Sieht Sony Ericsson Xperia Play einzig und allein als Neuzugang in der Xperia-Reihe, hat das Spiele-Handy eventuell eine Daseinsberichtigung – vor allem dann, wenn Vodafone und Co. das Ding inklusive Vertrag für 1 Euro unters Volk bringen möchten. Nur nicht einmal dann sehe ich einen triftigen Grund, wieso man sich für das Xperia Play entscheiden sollte. Gut spielen und telefonieren kann ich schon seit Monaten (Android) bzw. Jahren (iOS) auf anderen Geräten, die eigentlich in keinem Bereich schlechter sind. Mein Tipp: Spart euch schon den Gedanken, Xperia Play im März 2011 kaufen zu wollen. Übrigens: Alte PSOne-Konsolen gibts für ein paar Euro bei Ebay.

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9 comments on “Xperia Play: Unnützer Spielekram weltfremder Techniker

  1. Also ich mag so Slider- und jegliche Aufklappfunktionen schon bei normalen “Handys” nicht, und ansich ging ich davon aus, dass das immer noch Prototypenbilder sind – umso erstaunter war ich, als es dann doch die “Finalversion” war. Gefällt mir schon allein optisch nicht, vom Preis ganz zu schweigen und … ja, eben die Spiele gibts dann auch so auf dem iPhone oder auf anderen Androiden. Naja, wer’s braucht.

    Jetzt bin ich aber noch viel mehr auf den Preis von NGP/PSP2 gespannt :-)

    • Nicht aufgeklappt sieht Xperia Play ja noch ganz solide aus, aber der Gamepad-Teil ist wirklich hässlich. Sehr sogar. :)

      NGP würde ich so 350 Euro schätzen. 350 Euro für ne Handheld-Konsole? Allein der 3DS ist sehr grenzwertig mit 250 Euro – meiner Meinung nach. Aber mit ner ordentlichen Werbekampagne werden es die Spieler schon schlucken. :)

  2. Johannes Feb 14, 2011

    Ich glaub die Hersteller sehen wegen des übermächtigen Apfel-Handys einfach keinen Stich mehr und versuchen mit allen erdenklichen Formen das Handy neu zu erfinden. Bislang spielen Sie aber dem Apfel-Riesen damit nur in die Tasche. Ich denke mit richtig ordentlicher Technik wie beim Optimus 3D zum Discounter-Preis könnte sich da mal wieder was bewegen. Momentan ist’s ja schon ein bisschen langweilig, da jeder einen Apfel in der Hand hält!

    • Du meinst also, dass man neue oder gar überflüssige Ideen nur durch einen niedrigen Preis etablieren kann? :)

  3. Ganz furchtbar peinlich was die (ehemaligen) Hightech-Konzerne dieser Welt im portablen Sektor da momentan basteln.
    Wenn es etwas gibt was die sich alle endlich mal bei Apple abschauen sollten dann ist das der Mut zum Minimalismus. Es traut sich doch schon keiner mehr ein Android-Telefon zu kaufen weil am Tag danach oder 2 Stunden später ein besseres draußen ist.

  4. Wobei ich Minimalismus in dem Kontext nicht nur auf “weniger Geräte” ummünzen will sondern auch auf weniger und dafür durchdachte Funktionen.
    Ein Tablet mit zwei Kameras für 3D-Fotos, wtf wer braucht diesen proprietären Müll für den es nicht mal ein richtiges Format gibt?

    • Hehe. Das 3D-Tablet von LG braucht sogar eine 3D-Brille – damit es so richtig sinnlos ist. Dagegen halte ich das Optimus 3D (Smartphone) schon für eine interessante Sache, nicht anders als beim 3DS.

      • Naja es wird doch so sein wie immer bei Android, das ist ein Gerät von gefühlten 300.
        Die Entwickler sind ja so schon wenig gemüßigt tolle Apps für Android zu entwickeln weil sie keinen Umsatz erwarten können, sogar Rovio hat sich entschieden die eierlegende Wollmilchsau Angry Birds unter Android kostenlos und werbefinanziert rauszubringen.

        Kann mir keiner erzählen dass für das Optimus innerhalb des nächsten Jahres eine befriedigend große Zahl qualitativ guter Apps zu erwarten ist. Ist halt wie so oft, irgendwas gebastelt, schlecht durchdacht und dann wundern warum der Erfolg ausbleibt. Sollte Google für den nächsten Android Milestone keine allgemeine 3D-Welle ausrufen wird das (IHMO) ne Totgeburt bleiben.

        Nur Apple und Nintendo haben momentan die Marktmacht, 3D ohne Mithilfe der Konkurrenz am Markt durchzudrücken.

  5. Zuerst einmal muss ich dir im Bezug auf den eingebauten Controller widersprechen. Es ist ein anderes Gefühl mit richtigen Tasten zu spielen. Es gibt einen Grund, warum viele Leute eine richtige Tastatur der virtuellen auf dem Touchscreen vorziehen, und die schreiben nur mit dem Ding.
    Spielt ein Spiel auf nem Touchscreen und dann mal auf ner PSP, der Unterschied ist auf jedenfall da und nicht gerade klein.

    Beim Preis allerdings muss ich dir zu 100% zustimmen. Dass Sony Ericsson ein hardware-technisch mittelmäßiges Handy zu einem Preis eines absoluten high-end Handys verkaufen will, ist schon ein schlechter Scherz.
    Das Xperia Play ist von der Ausstattung nur marginal besser als das Galaxy S und das kostet JETZT um die 400€. In 1 1/2 Monaten will SE also praktisch 250€ mehr haben, nur wegen ein paar eingebauter Knöpfe – das ist reine Geldgier ohne darüber nachzudenken wie wieviel potentielle Käufer dadurch abgeschreckt werden. Selbst das Xperia Pro hat eine komplette Tastatur und ähnliche Hardware und kostet “nur” 500€.

    Für 650€ kann man sich wirklich eine NGP, die angeblich ohne 3G 300USD/€ kosten soll und um einiges besser ist, als das Xperia play, UND ein gutes Smartphone kaufen.