Valiant Hearts: Nur ein grandioses Spiel

22. Juli 2014

“Valiant Hearts“ ist genau mein Ding. Es sieht aus wie ein Point’n’Click-Adventure, ist allerdings im Kern eher so ein Denk/Geschichlickeitsmix á la “Limbo“. Das WWI-Setting ist zumindest in diesem Genre eine Seltenheit, die graphische Präsentation ein Brett und der Soundtrack der best-lizenzierteste seit “Braid“. Es steckt so viel Liebe im Kern, ja, man spürt eigentlich in jeder Faser den Stolz der Entwickler, den sie beim Erschaffen ihres Babys wohl hatten.

Und doch… bin ich unzufrieden.

Der Krieg. (Foto: Ubisoft)

Der Krieg. (Foto: Ubisoft)

Ist “Valiant Hearts“ zu komplex? Nein, im Gegenteil: Es ist ein typischer Download-Titel, der euch vielleicht vier bis fünf Stunden beschäftigt, und dessen Spielmechanik selbsterklärend wie logisch daher kommt. Ihr steuert abwechselnd vier Charaktere, die alle in irgendeiner Form den Schrecken des ersten Weltkrieges am eigenen Leib erfahren. Sei es der eingewanderte Amerikaner, der den gewaltsamen Tod seiner Frau nie verkraftet hat, der frisch gebackene Vater, der unfreiwillig in den Krieg ziehen muss, oder die aufopfernde Krankenschwester, die dem Leid nach einer blutigen Schlacht am nächsten steht: “Valiant Hearts“ Message ist ganz eindeutig. Und zwar, dass Krieg ganz große Scheiße ist.

Mehr Schein

Der Ansatz suggeriert sogleich: Dieses Spiel müsste dem Medium einen weiteren Schub in Richtung Ernsthaftigkeit geben, damit es endlich mal auf einer Stufe mit Filmen oder Büchern steht. Doch genau da steckt meine Unzufriedenheit begraben, denn wenn “Valiant Hearts“ in einem Punkt “versagt“, dann in diesem. Schaut euch die Bilder an: Das sieht mehr nach einem harmlosen Comic anstatt einer deprimierenden Geschichtsstunde aus. Zudem klingt der Erzähler, der euch die Ereignisse aus dem Off schildert, wie frisch aus der Hörspielabteilung für Dreijährige importiert.

Grandios, aber... (Foto: Ubisoft)

Grandios, aber… (Foto: Ubisoft)

Und dann ist da der Verlauf der Story selbst, der wie eine Schaukel von Pseudo-Dramatik zu Zucker-Happy-End und wieder zurück schwingt. Alles ist so schlimm und furchtbar, aber dann kommt das Glück und der Zufall, und oh je, wieder das Leid und der Tod, jedoch naht Rettung in letzter Sekunde, während… blabla. Dass der Bösewicht namens General von Dorf solch überspitzte Karikaturen wie Quentin Tarantinos Hitler in “Inglourious Basterds“ hinter sich lässt, hilft da auch nicht gerade.

Und doch toll!?

Versteht mich nicht falsch: Der Rest ist sagenhaft. Die Mischung aus Laufen, Action-Light und Denkspielrätseln funktioniert tadellos. Obwohl die meisten Lösungen offensichtlich sind, macht es Laune, sie umzusetzen. Die meiste Zeit begleitet euch ein treuer Hund, einem der niedlichsten wie nützlichsten Sidekicks der letzten 20 Jahre. Ja, selbst wenn ihr per Minispiel in einem Auto ein paar Verfolger abschüttelt, steigt die Laune – statt wie sonst so oft die Langweile oder gar der Frust. Einzig die QTE-Szenen beim Verarzten von Verletzten wirken ungelenk – aber das ist geschenkt. “Valiant Hearts“ ist spielerisch betrachtet herausragend konzipiert und hervorragend durchdacht.

Doch ist es wirklich das, was Ubisoft wollte? Rein vom Ansatz her betrachtet kann ich es mir schwer vorstellen. Im Gegensatz zu diversen Shootern sollte der Weltkriegshintergrund kritisch beleuchtet werden. Man solle das Leid spüren, anstatt sich wie ein Held fühlen. Okay, ich bin hier nicht wirklich der “Held“ – auch wenn’s teilweise die eine oder andere Auszeichnung gibt. Aber wirklich leiden tue ich ebenso wenig.

Ein Problem ist der Überschuss an Klischees. Wer sich mit Buch und Fernsehen beschäftigt, der kennt die Geschichten aus “Valiant Hearts“ zur Genüge. Das Thema mag für ein Spiel “neu“ sein – aber darüber hinaus ist es, so zynisch das auch klingt, ein alter Hut. Selbst das Ende mit dem einzig wirklich tragischen Moment verpufft, weil man es meilenweit kommen sieht. Ich sitze dann da nicht mit einem “Nein, wie furchtbar“ – das Gefühl geht eher in Richtung “Was zu befürchten war“. Zumindest stimmt die Inszenierung, denn Tränen sind bei mir durchaus geflossen. Aber danach? Leere.

Zu wenig gewagt. (Foto: Ubisoft)

Zu wenig gewagt. (Foto: Ubisoft)

In meinen Augen hat sich Ubisoft zu wenig getraut. Sie steckten vermutlich in einem Dilemma, über das niemand sprechen mag. Nehmen wir an, sie wären eine viel härtere Gangart gefahren. Das Spiel hätte einen realistischeren Touch und würde einem viel mehr die Ungerechtigkeit spüren lassen, die in der damaligen Zeit herrschte. Das Problem dabei: Wer würde das SPIELEN wollen?

Als Buch oder als Film ist so etwas okay bzw. für die meisten erträglich – auch selbst da nicht für alle. Ich kenne genügend Freunde, die sich Kriegsfilme nicht ansehen wollen, weil es sie zu sehr runter zieht. Und aktiv einen Protagonisten durch solch ein deprimierendes Setting zu steuern, ist zudem eine ganz eigene Hausnummer. Das lässt sich nur sehr schwer mit Spiel-“Spaß” vereinen und wird oft durch simple Shooter-Mechaniken kompensiert (“The Last of Us“) oder limitierten Aktionsmöglichkeiten erträglich (“The Walking Dead“).

“Valiant Hearts“ ist ein wundervolles Spiel. Aber es nicht mehr. Und ich kann es Ubisoft kaum verübeln, dass sie sich keinen Schritt weiter nach vorne gewagt haben. Ich weiß nicht, ob ich es an ihrer Stelle getan hätte.

Weitere Details zu “Vailant Hearts” gibt’s auf der offiziellen Webseite.

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2 comments on “Valiant Hearts: Nur ein grandioses Spiel

  1. Ich mag weder das Thema Weltkrieg noch mag ich diesen Schulbuch / 70er Jahre Kinder-Lehr-Bilderbuch Stil (wie ihn auch die meisten Daedalic Adventures haben). Also gleich ein doppeltes “no” von mir zu diesem Titel …

    (kritische Stimmen zu diesem Hypespiel muss es schließlich ja auch mal geben.

  2. Ohne das Spiel schon zu kennen (das wird aber nachgeholt), wollte ich nur was zum Grafik-Stil sagen: Ich finde den eigentlich sehr passend, gerade weil das Thema immer so nach “Realismus” schreit, aber ein Comic-Stil doch eigentlich ein krasser und Interpretationen offen lassender Kontrapunkt hierzu ist.

    Was bei Spielen wie “Sniper Elite” eben gerade zum photorealistischen Gewaltporn verkommt, lässt bei “Valiant Hearts” der Fantasie des Spielers genügend Freiraum, um sich den wahren Schrecken ausmalen zu können, ohne ihn angeblich “hyperrealistisch” serviert zu bekommen.