Satoru Iwata: Ein Nachruf

13. Juli 2015

Satoru Iwata ist tot. Ein einfacher und sehr wortgewaltiger Satz, der in den vergangenen Stunden unzählige Male in den Newsspalten auftauchte. Selbst bei Magazinen und Zeitungen, denen man nicht zugetraut hätte, sich überhaupt für Nintendo zu interessieren. Als Präsident war Satoru Iwata seit 2002 für das Traditionsunternehmen verantwortlich – als erster Chef der Firmengeschichte, der nicht der Yamauchi-Familie entstammte.

Satoru Iwata wird den einschlägigen Pressemitteilungen zufolge ein steiler Aufstieg in der Nintendo-Hierarchie nachgesagt – so sei er erst im Jahr 2000 im Konzern angestellt worden und keine 24 Monate später Hiroshi Yamauchi gefolgt. Der Wahrheit entspricht dies nicht und würde Satoru Iwata auch nicht gerecht werden.

Erste Schritte und der Durchbruch

Rund und knuffig - Kirby. (Bild: Nintendo)

Rund und knuffig – Kirby. (Bild: Nintendo)

Iwata begann seine Karriere als Kreativer 1980 mit dem wenig bekannten Spiel “Car Race ][” auf dem Commodore PET. Wenig später fand er seine erste Festanstellung beim aufstrebenden Studio HAL Laboratory in Tokyo, wo er durch seine Mitarbeit an “Pinball” und “F1 Race” (beide 1984) erstmals mit Nintendos Hardware und Kultur in Berührung kam. In den Jahren darauf verdiente er sich innerhalb des Studios das Renommee, einerseits die Spieleentwicklung erstaunlich effizient leiten zu können und andererseits jene DNA, die frühere Nintendo-Spiele auszeichnete, auch in Dritthersteller-Produktionen transferien zu können. 1992 gelang HAL der internationale Durchbruch mit dem Edelknödel Kirby, der auf dem GameBoy das Dreamland aufmischte.

Eines der kultigsten RPGs aller Zeiten: Earthbound. (Bild: Wiki)

Eines der kultigsten RPGs aller Zeiten: Earthbound. (Bild: Wiki)

Auch wenn Satoru Iwata oftmals die direkte Erfindung Kirbys zugedacht wird, zeichnete sich tatsächlich Masahiro Sakurai für das Charakterdesign verantwortlich. Iwata aber ist es zu verdanken, dass “Kirby’s Dreamland” eines der wohl einsteigerfreundlichsten Jump’n’Runs zu einer Zeit war, wo sich Spiele vor allem durch den anziehenden Schwierigkeitsgrad zu profilieren versuchten. Das zog insbesondere bei jungen Semestern, die besagtes “Kirby’s Dreamland” mit ein wenig Geschick binnen eines Tages durchspielen konnten – und sich sodann an einer härteren Version probierten. Was den Titeln unter Iwatas Federführung ab und an an Herausforderungen fehlte, machten sie durch verrückte Einfälle, eine schier unüberblickbare Masse an Geheimnissen oder knuffige Animationen wett. “Earthbound”, das Kult-RPG des SNES schlechthin, war ein solches Spiel, das Mängel im Design durch eine vollkommen aus dem Ruder gelaufene Welt kaschierte und so zum Hit avancierte. Nintendo davon zu überzeugen, das reichlich unspektakuläre Vier-Spieler-Beat’em Up “Dragon King: The Fighting Game” (jap.: “Kakuto-Gēmu Ryūō”) auf N64 mit Nintendo-Charakteren zu bestücken, statt 08/15-Kämpfer einzubauen, zeugte von einer Hartnäckigkeit, die in Japan selten ist. Daraus wurde das heute sehr erfolgreiche Smash Bros.-Franchise. Es sind nur einige wenige Beispiele des Ideenreichtums der Spieleschmiede HAL, für die sich Iwata als Produzent und Präsident des Nintendo-nahen Studios verantwortlich zeigte.

Iwata als Nintendo-Präsident

Nintendos erneuter Aufstieg ist auch dem Nintendo DS zu verdanken. (Bild: Nintendo.fr)

Nintendos erneuter Aufstieg ist auch dem Nintendo DS zu verdanken. (Bild: Nintendo.fr)

Spielerische Zugänglichkeit gepaart mit Detailverliebtheit und der nüchterne Blick auf die Softwareentwicklung waren es, die Firmenpatriarch Hiroshi Yamauchi überzeugten, Iwata zur Jahrtausendwende von HAL weg zu Nintendo zu ziehen und ihn dort zum Nachfolger aufzubauen. Nach dem Abschied Yamauchis anno 2002 steuerte Satoru das Unternehmen durch schwierige Jahre, in denen der GameCube als Ladenhüter Umsätze und Gewinne drückte. Eine Überraschung musste her – und Iwata lieferte mitsamt seiner Mitarbeiter mit dem DS und der Wii im kurzen Abstand zwei Plattformen, die ihre Generation prägen sollten.

Auch hier bewies Iwata sein Feingespür für Software, die ideal ist, um die neue Hardware erfolgreich zu verkaufen: Das in Millionauflage produzierte “Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging” basierte auf einem in Japan äußerst populären Büchlein des Namensgebers und wurde bereits vor seinem Siegeszug auf dem Nintendo DS 2005 für Sonys PlayStation Portable veröffentlicht. Mit einem eifrig zusammengeschusterten Prototypen überzeugte Iwata den Autoren Dr. Kawashima, auch Nintendo eine Lizenz zu geben, was sich für beide Seite lohnte. “Wii Sports” andererseits war eine naheliegende Idee, um Bewegungssteuerung jedermann zugänglich zu machen und den praktischen Nutzen darzulegen. Es folgten die goldenen Jahre, in denen Nintendo quartalsweise Umsatzrekord um Umsatzrekord ausweisen konnte und sich die Software wie geschnitten Brot verkaufte – egal ob “Wii Fit”, “Brain Age”, “Super Mario Galaxy” oder “Mario Kart” und die “Art Academy”.

Katerstimmung kam erst auf, nachdem klar war, dass sich die Wii U in dieser Generation wohl nicht so gut verkaufen würde wie erhofft. Trotz qualitativ hochwertiger Spiele, die öfter mal was Neues wagten. Der zuvor veröffentlichte 3DS hatte nach Anfangsschwierigkeiten die Kurve bekommen und behauptet sich auch im schwierigen Umfeld aus Smartphones und Tablets, die von fragwürdigen Free-to-Play-Titeln geflutet werden.

Iwata selbst nahm die Verantwortung symbolisch auf sich und verzichtete zuletzt auf gut die Hälfte seines jährlichen Salärs, während er Nintendo in stürmischer See auf Kurs hielt. Mit den Nintendo Direct-Videos schlug er einen neuen Weg der Kommunikation mit Nintendo-Fans ein und legte in der lesenswerten Interview-Reihe “Iwata fragt” (hier zu finden) Firmenkultur und Innovationsfreude Nintendos gänzlich offen. Die Neuaufstellung des Konzerns, auch hin zu Smartphone-Spielen und einem größeren Anteil an Merchandise, und die Ankündigung der nächsten stationären Konsole mit dem Projektnamen NX waren die letzten großen Entscheidungen, die er traf.

Iwata verstand es, Spiele zugänglich zu machen, Neues zu wagen und zu erschaffen, auch Nicht-Spieler zu begeistern und Videospiele auf eine Art zu denken, die nur wenigen Menschen in der Branche zueigen ist. Was von ihm bleibt ist nicht nur die historische Hinterlassenschaft von Wii und DS, sondern auch eine Sicht auf Spiele, die wie keine andere für Nintendos Tradition steht:

“Es ist nicht wichtig, die nächste Technologie-Generation anzuführen, sondern mit ihr einzigartige und unvergessliche Erlebnisse zu schaffen, die Menschen berühren.”

Satoru Iwata verstarb am 11. Juli 2015 in Kyoto im Alter von nur 55 Jahren an einer Krebserkrankung.

(Aufmacherbild von Arczero)

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3 comments on “Satoru Iwata: Ein Nachruf

  1. Sandra Jul 15, 2015

    Superschöner Artikel mit sehr umfassendem Rückblick, vielen Dank dafür! :)
    Als alter Nintendorianer hat mich die Nachricht schon schwer bestürzt.

  2. Diese Nachricht hatte mich im Juli schwer getroffen. Nintendo ist und bleibt mein Lieblingsspieleentwickler. Ich denke, dass wird sich auch in der Ära nach Iwata nicht ändern.