Monochroma Monotonie

31. Mai 2014

Seufz. ich musste ja mein Maul weit aufreißen. Da spreche ich in meinem letzten Artikel die Lieblosigkeit vieler moderner Indie-Produktionen an und -BÄM- schon rächt sich die Szene mit dem ultimativen Beispiel. “Monochrama“ sei das neue “Limbo“ – das ich nicht lache. Bei aller Sympathie zum Schwarzweiß-Design, ist diese Schlaftablette ein Vorzeigestück dafür, warum eine auf Retro getrimmte Grafik noch lange keinen Hit macht.

Limbo?

Auf den ersten Blick sind die Parallelen zum großen Vorbild unverkennbar: Ihr lauft sowie springt mit einem kleinen Jungen von links nach rechts und hört keine einzige Dialogzeile. Die Geschichte wird nur über die Kulisse und die Ereignisse erzählt, wobei hier schon das erste Problem auftritt: Während ich bei “Limbo“ allein dank des Titels und des Endes mir einen schlüssigen Plot zusammenreimen konnte, hab ich keinen Plan, worum es hier überhaupt geht. Bereits nach ein paar Minuten stößt der Junge auf seinen Bruder, der sich das Bein bricht. Ergo müsst ihr ihn aufnehmen und durch die Gegend tragen. Wohin? Zum Arzt? Zu den Eltern? Zu irgendjemanden, der hilft? Nein: Ihr landet von einer verträumten Landschaft in der Gosse, durchstreift menschenleere Häuser, in denen nur noch ein paar Roboter hausen, werdet irgendwann von irgendwelchen Schurken verfolgt und letztlich gefangen genommen. Wieso der Junge ausgerechnet diesen brisanten Weg einschlägt, wird nicht näher erläutert.

Aber eigentlich es auch völlig egal, denn der Schwerpunkt von “Monochroma“ liegt in anderen Bereichen – vor allem im Laufen. Hab ich schon erwähnt, dass ihr von links nach rechts lauft? Ja? Das kann man aber auch nicht oft genug thematisieren, denn in “Monochroma“ lauft ihr gefühlt von links nach rechts wie in allen anderen Spielen des Jahrgangs 2014 zusammen. So schick die Hintergrundkulisse an manchen Orten auch aussieht, so öde ist das Spieldesign. In dem Zusammenhang sei eine Art Einkaufszentrum erwähnt, das auf den ersten Blick dank seiner Rolltreppen und des Szenarios allgemein wie ein gigantischen Rätsel anmutet. Doch nein, dort gibt es keines: Ihr müsst einfach von ganz links nach ganz rechts marschieren, den Aufzug rufen, eine Etage nach oben fahren, von ganz rechts nach ganz links gehen, wieder einen Aufzug rufen, erneut eine Etage nach oben fahren und zu guter Letzt, ihr ahnt es bereits, von ganz links nach ganz rechts latschen, woraufhin ihr das Einkaufszentrum auf ewig verlasst. Ansonsten passiert ernsthaft rein gar nichts.

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Woher kenn ich den Grafikstil bloß….?

Ja, klar: Es gibt auch richtige Rätsel. So könnt ihr (erneut á la “Limbo“) Kisten schieben oder eben Hebel ziehen. Aber meist beschränkt sich die Denkarbeit auf folgendes Niveau: Ihr geht (mal wieder) von links nach rechts und stoßt auf eine überhöht liegende Plattform. Aufgrund eures Bruders könnt ihr nicht hoch genug springen, um die Kante zu greifen. Also setzt ihr ihn unter der nahe gelegenen Laterne ab, klettert alleine auf die Plattform und lauft weiter nach rechts, bis ihr einen Schalter erreicht. Den zieht ihr selbstverständlich nach unten, woraufhin sich sowohl die Plattform von eben als auch eine weitere in eurer unmittelbaren Umgebung senken. Anschließend holt ihr euren Bruder und tragt ihn ein paar Meter weiter. Allerdings müsst ihr ihn jetzt vor der zweiten Plattform absetzen, weil ihr auch diese nicht gemeinsam passieren könnt. Erst wenn ihr abermals zum Schalter gelaufen seid und ihn zurück in seine Ausgangsposition gedrückt habt, dürft ihr mitsamt Bruder weiter marschieren. Das ist weder originell noch clever, sondern einfach langwierig und langweilig.

Puh…

Oder wie wäre es damit: In einem verwinkelten Lüftungsschacht hängen mehrere Schalter in den Ecken, die ihr der Reihe nach drücken sollt. Genau genommen ist am Anfang nur einer zugänglich, weshalb ihr diesen folgerichtig zuerst verwendet. Habt ihr den Job erledigt, dann, ho-ho, öffnet sich die Luke zum zweiten Schalter – der natürlich am anderen Ende des Lüftungsschachtssystems hängt! Der wiederum ermöglicht den Zugang zu Schalter drei, der euch zu Schalter vier führt, der hingegen… schnarch.

Auch ansonsten ist den Entwicklern kein gutes Spiel geglückt. Die Steuerung macht spätestens Zicken, wenn ihr ein simples Seil empor klettern möchtet. Nicht nur, dass ihr dabei besonders lahmarschig seid: Wenn ihr versehentlich das Steuerkreuz leicht zur Seite neigt, dann hüpft der Junge in sein Verderben.

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Uh. uh. uh! Rote Farbe! Damit ist es bestimmt besser als “Limbo”!!! (…. …. …. oder auch nicht… … …)

Andere Nervfaktoren, wie dass das Aufnehmen sowie Ablegen des Bruders eine gefühlte Ewigkeit dauert, fallen am Ende gar nicht mehr ins Gewicht. Über die gesamte Spieldauer habe ich vielleicht zwei, drei halbwegs interessante Rätsel der Marke “nicht brillant, aber immerhin gut“ registriert. Zudem werdet ihr mehrmals verfolgt, wobei die erste dieser Szenen noch erstaunlich clever sowie in meinen Augen die beste des ganzen Spieles ist, und die anderen dann wieder richtig ätzend langweilig sind.

Kickstarter-Projekte mögen eine gute Sache sein und ich gönne jedem ambitionierten Team den finanziellen Erfolg. Die Jungs von “Monochrama“ haben zugegebenermaßen nur knapp ihr gewünschtes Minimalziel von über 80.000 US-Dollar erzielt und dürften es schwer gehabt haben, ein gescheites wie professionelles Spiel auf die Beine zu stellen. Doch deshalb lästere ich auch nicht über die hölzernen Animationen oder den minimalistischen Sound: Die Punkte, in denen es die Entwickler verbockt haben, gehen auf das Konto ihrer mangelnden Kreativität. Man spürt das ganze Spiel über, dass sie verzweifelt auf den “Limbo“-Zug aufspringen wollten. Und solch ein elitäres Niveau erreicht man nicht, indem man einfach den Grafikstil kopiert.

Mehr zu “Monochroma” bekommt ihr auf der offiziellen Webseite. Dort gibt’s auch eine Demo. Kaufen könnt ihr das Werk bei Steam für knapp 20 Euro.

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