Grand Theft Auto V und die Suche nach dem NextGen-Erlebnis

2. Dezember 2014

Das alte Problem: Zu hohe Erwartungen führen zwangsläufig zu Ernüchterung und Enttäuschung. Was dachte ich mir auch dabei, zu glauben, dass die neue Konsolengeneration (technisch) einen deutlichen Sprung nach vorne machen würde? Jetzt ist meine PlayStation 4 ein Jahr alt und aus dem „NextGen“ ist längst „CurrentGen“ geworden. Geflasht hat zumindest mich bisher kein Spiel. Auch kein „Grand Theft Auto V“.

Um es vorweg zu betonen: Mir gefällt „GTA V“ richtig gut. Zwar nerven mich die permanenten Nigga- und Fuck-You-Sprüche, aber so läuft es nun einmal in „Los Santos“. Das wissen wir spätestens seit „GTA: San Andreas“. Vor allem die fein ausgearbeiteten Charaktere sind stark, mein Favorit ist der frustrierte Michael Townley, der seinem Leben im Zeugenschutzprogramm langsam überdrüssig ist und aus diesem nach und nach ausbricht. Franklin Clinton kann sich um einen Hund kümmern, das genügt mir schon, um ihn soweit sympathisch zu finden. Wobei er in meinen Augen dezent anstrengt und arg viele Klischees in einer Figur vereint. Und da ist noch Trevor Philips. Michaels ehemaliger Kumpane ist etwas überrascht, dass sein alter Freund noch lebt. Gerade wie die drei Antihelden zusammenfinden, ist fesselnd inszeniert. Aber muss ich euch das alles noch einmal erklären? „GTA V“ ist ja seit zig Monaten für die alten Konsolen erhältlich…

Jedes Mal NextGen

Vielleicht stieß mir nur der Werbespruch von Rockstar Games auf: „Die nächste Konsolengeneration beginnt mit Grand Theft Auto V“, heißt es in einer Pressemeldung. Nach etlichen Stunden in dem wahnsinnig weitläufigen und detailverliebt dargestellten Los Santos frage ich mich ernsthaft, was damit gemeint sein soll. Die Ego-Perspektive, die gerade bei Kämpfen und Schusswechseln eher unpraktisch ist? Sie ist nüchtern betrachtet die einzig wirklich große Neuerung gegenüber den Fassungen für Xbox 360 und PlayStation 3.

Das "NextGen"-GTA V besitzt auch eine Ego-Perspektive. (Foto: Rockstar Games)

Das “NextGen”-GTA V besitzt auch eine Ego-Perspektive. (Foto: Rockstar Games)

Lasst mich etwas ausholen: Als ich Ende der 1990er Jahre das erste Mal „GTA“ zu Gesicht bekam, besaß ich noch einen Rechner, auf dem es üblich war, im Dos Prompt Spiele zu starten. Aus der Vogelperspektive steuerte ich einen Pixelhaufen, mit dem ich eine simple Story folgte. Die Highlights für mich als junger Mann waren ganz klar: Autos klauen, Passanten überfahren und vor der Polizei flüchten. Was für ein großartiger, einmaliger Spaß. Als 1999 „GTA 2“ erschien, war schon ein gravierender Sprung zu erkennen: Unter Windows konnte ich mit passender Hardware erstaunlich schicke Grafikeffekte bestaunen. Mit den Gangs erhielt der Titel sogar deutlich mehr Tiefgang, denn ich musste mir Respekt verschaffen und die Banden konkurrierten auch gegenseitig miteinander.

Noch einmal zwei Jahre vergingen, 2001 kam „GTA III“ in den Handel. Und das war ein echter Quantensprung. Weg von der 2D-Ansicht, hin zu einer riesigen, frei begehbaren 3D-Welt. In Liberty City erlebte ich eine klassisch gestrickte Gangster-Geschichte, die enorm beeindruckte. Eine Nachbildung von New York, zahllose Radiosender und facettenreiche Missionen gaben wohl die Richtung für alle weitere „GTA“-Fortsetzungen vor. Ich muss zugeben, dass mich Teil 3 nicht so sehr in den Bann zog, dafür umso mehr „GTA: Vice City“, das ein Jahr später veröffentlicht wurde. Ich glaube, dass dies an der tollen Songauswahl und dem schrilleren Look lag.

„San Andreas“ (2004) und diverse mobile Ableger wie „Liberty City Stories“ oder „Vice City Stories“ bauten auf dem Konzept von “GTA III” auf, aber erst mit „GTA IV“ nahm Rockstars Reihe den nächsten Anlauf – auf Xbox 360 und PlayStation 3, die 2008 schon einige Jahre auf dem Buckel hatten. Ich kaufte mir das Spiel zum Release und war total begeistert von der visuellen Gestaltung. Die leistungsstarke Hardware nutzen die Entwickler für eine hervorragend ausgearbeitete Spielwelt und einem Liberty City, das sich noch nie so lebendig anfühlte. Einige Ruckler konnte ich verzeihen, bei der Pracht – egal ob Figuren oder die zahllosen Autos und Schauplätze. Dass einige Elemente gegenüber „GTA: San Andreas“ gestrichen wurden, begrüßte ich sogar. Mir war die Story von Niko Bellic lieber, als das ganze Gang-Gedöns in dem letzten großen „GTA“ davor.

Besser ist nicht NextGen

Und nun „GTA V“. Zwischen dem Vorgänger und der aktuellen Episode liegen fünf Jahre und – das ist der Punkt – keine neue Konsolengeneration. Mit dem Update für Xbox One und PlayStation 4 sowie ab 2015 für PC bietet mir Rockstar Games keine wirkliche Sensation. Sicherlich werden die neuen Prozessoren und Grafikchips der noch jungen Spielekisten verwendet, im Kern aber bleibt es bei einem „GTA“ für die letzte Konsolengeneration. Ob ich nun besagte Ego-Perspektive, einen flüssigeren Spielverlauf, hübschere Schadens- und Wettereffekte oder „üppige Graslandschaften und Wälder“ erhalte, ist für mich zweitrangig. Ich spiele „GTA V“ auf meiner PS4 und bestaune das gewaltige Los Santos mit seinen verdammt hässlichen, sogar nervigen Highways, den Ghettos, den Luxus-Villen, den ländlichen Bereichen oder der Küste. Tag- und Nachtwechsel, schicke Karren, zahllose Leute auf der Straße und grandiose Lichter der Großstadt – toll! Trotzdem: Ein Großteil dieses Gefühls hätte ich auch auf der Xbox 360 und PS3 haben können, schließlich war dieser Teil ursprünglich für diese Konsolen gedacht.

Bessere Flora und Fauna im "NextGen"-GTA V. (Foto: Rockstar Games)

Bessere Flora und Fauna im “NextGen”-GTA V. (Foto: Rockstar Games)

Ich frage mich jedenfalls, was Rockstar Games mit „Die nächste Konsolengeneration beginnt mit ‚Grand Theft Auto V‘ “ aussagen möchte. Wo ist der signifikante Sprung, wie von „GTA II“ zu „GTA III“ oder von „GTA III“ zu „GTA IV“? Es bleibt am Schluss bei einem hübscheren „GTA V“ für Geräte, die einfach mehr schaffen als fast zehn Jahre alte Konsolen. Es ist wie ein Grafikpatch, den Entwickler freundlicherweise nachliefern. Wie nett. Ach, Moment. Kunden zahlen ja dafür….

Versteht mich nicht falsch: „GTA V“ ist großes Kino, selbstverständlich auch auf der PlayStation 4 (und Xbox One). Nur es ist für mich ganz sicher kein Spiel, das mir zeigt, was in der neuen Konsolengeneration, der NextGen vom letzten Jahr, steckt. Ich denke, der Titel hätte mir auch auf der Xbox 360 imponiert, wer braucht schon Ego-Perspektive? Und der erweiterte Soundtrack, die größere Waffenauswahl und ergänzte Fahrzeuge machen nun einmal kein neues Spiel, das nur so auf PS4 und Xbox 360 möglich wäre.

Scheiß Erwartungshaltung

Obwohl ich meine PS4 jetzt schon viele Monate besitze, schwang vor dem Einlegen der Blu-ray sicherlich eine gewisse naive Hoffnung mit. Könnte „GTA V“ endlich ein Spiel sein, das es schafft, ein „NextGen“-Gefühl in mir zu wecken? Ein „wow, das habe ich in dieser Form noch nie gesehen“? Sorry, das packt diese Fassung leider nicht. Letztlich wird das wahrscheinlich eh kein Spiel hinbekommen, zu hoch waren wohl mal wieder die Erwartungen an die Hardware damals und an „GTA V“ kürzlich. Was ich mir vorgestellt habe? Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Eventuell fotorealistischere Grafiken? Mehr Möglichkeiten? Die Chance, jedes Haus betreten zu können? Mehr Lebenssimulation? Weniger stupides Herumgefahre? Ich weiß es nicht genau….

Besseres Wasser im "NextGen"-GTA V. (Foto: Rockstar Games)

Besseres Wasser im “NextGen”-GTA V. (Foto: Rockstar Games)

Aber: Bitte, bitte lasst euch nicht davon abhalten, dieses Spiel zu kaufen. Es ist wirklich klasse und sieht verdammt gut aus. Vor allem, wenn ihr euch „GTA V“ bisher nicht zugelegt habt. Hier erhaltet ihr starkes Entertainment für eure noch junge Konsole. Mehr müsst ihr eigentlich nicht wissen. “GTA V“ ist ein weiteres Beispiel dafür, dass es wohl DIE „NextGen“, nicht so recht gibt. Nicht jetzt und nicht für mich.

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4 comments on “Grand Theft Auto V und die Suche nach dem NextGen-Erlebnis

  1. Hmm, was erwartest du denn von der Current Gen? Die Grafik ist hübscher, hochaufgelöstere Texturen und bessere Kantenglättung sowie gelegentlich auch mal höhere Auflösung (schon auf der PS3 waren viele Titel ja in 1080p). Das sieht alles schon einiges besser aus als auf den alten Konsolen. Wenn mir auch, gerade als PC Spieler, eben bei keinem Titel die Kinnlade runterklappt (selbst bei Ryse nicht, auch wenn ich zugebe, dass das in Action ziemlich klasse aussieht).

    Letztlich sehe ich es eher so, dass die aktuellen Konsolen zu den PCs aufgeschlossen haben. Mein PC mit zweieinhalb Jahre alter unterer Mittelklasse-Karte (Radeon HD 6770) sieht jetzt nicht mehr (deutlich) besser aus als das Konsolen-Pendant sondern im Zweifel exakt gleich (wobei ich am PC die Wahl habe: Gleiche Grafik bei gleicher (und gelegentlich höherer) Bildrate oder bessere Grafik bei niedrigerer Bildrate.
    (Sobald ich mir endlich mal eine neue Grafikkarte kaufe ist das aber wieder obsolet, da sieht PC dann in jedem Fall wieder besser aus bei schnellerer Wiederholrate).

    Mich interessiert, welche Erwartungen hatten Spieler denn an neue Spiele außer besserer Technik? Gerade heute, wo selbsternannte Hardcore-Zocker auf Triple A schimpfen ohne Ende und der festen Überzeugung sind, dass ein Baldur’s Gate spielerisch ja um sooo unendlich viel besser ist als ein Dragon Age, was objektiv nur schwachsinnig ist, denn DA hat nicht nur die bessere Technik und eine wesentlich bessere Bedienung sondern auch insgesamt mehr Drumherum, bietet einfach viel mehr.

    Aber vergleiche ich mal ein neueren Titel aus der letzten Generation, was soll da noch großartig kommen? Die Titel damals waren alle schon so glattpoliert und bedienungsfreundlich wie es nur irgend geht.

    Bessere KI und mehr Interaktionsmöglichkeiten der NPCs treiben den Entwicklungsaufwand enorm in die Höhe. GTA ist nicht umsonst eines der teuersten und aufwendigsten Spiele überhaupt. Normale Titel können sich so etwas gar nicht leisten.

    • Was ich von der aktuellen CurrentGen erwarte? Nun, da mache ich es mir einfach: Darum müssen sich die Entwickler kümmern. :-) Im Ernst: Ich hatte es ja auch oben angedeutet, gerade der Sprung von GTA 3 zu 4 (oder 2 zu 3) war schon gewaltig, was auch an der gestiegenen Leistungsfähigkeit lag. Jetzt bekomme ich ein GTA 5, das eben wie ein Update aussieht, vermutlich wie die PC-Version nächstes Jahr. Im Kern steckt ein Spiel aus der LastGen. Entwickler müssen sich IMO Gedanken machen, was sie mit der besseren Hardware anstellen. Das kann von mir gerne nicht nur grafisch sein. Sicherlich ist eine aufwändigere KI auch schwieriger zu programmieren, nur wenn es die Hardware gibt, wieso nutzen die Entwickler diese nicht, um auch ein echtes NextGen-Gefühl zu vermitteln?

      Will sagen: Aktuell geht nur grafisch besser, aber das ist bei GTA 5 für mich kein NextGen….

  2. Jonas Dez 3, 2014

    Ich denke die First Person Perspektive ist vermutlich für Project Morpheus gedacht. Und da wäre ich ja mal wirklich drauf gespannt :)

    • Für Morpheus? Hmmm. Könnte interessant werden, das ist wahr. Dann hoffe ich aber auf ein kostenloses Update. :)