Final Symphony: Fordernd, aber gut

15. Mai 2013

Vorwarnung: Dieser Artikel ist weniger euphorisch, als gewohnt – was Videospielkonzerte anbelangt. Das liegt primär an persönlichen Umständen, die den Eindruck eines solchen Abends automatisch verwässern. Und wenn dann auch noch derart komplexe Arrangements gespielt werden, dann wächst zwangsläufig der Grad der Anstrengung über den der ungehemmten Freude.

Mir fällt selbst das Schreiben dieses Berichtes schwer, denn welch Einleitung ist adäquat für solch ein Event wie “Final Symphony”? Ein Orchesterkonzert komplett auf “Final Fantasy” abgestimmt – das gab es doch schon hundertfach, meckert der niemals zufriedene Besserwisser. Wer mir hier tatsächlich mit solchen “Killer”-Argumenten kommt, der hat keine Ahnung von Thomas Böcker & Co. Der Mann wird sich hüten, sich zu wiederholen – ich sehe dies jedenfalls als eine Selbstverständlichkeit an, die jedes Jahr erneut auf die Probe gestellt wird und bislang konsequent Stand hielt.

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Wuppertal statt Köln: Ungewohnte Kulisse für Videospiel-Orchester-Fans.

Bereits die Anzahl der gespielten Stücke sollte jeden stutzig machen, der mal eine gewöhnliche “Final-Fantasy”-CD gekauft hat: Abseits einer kurzen, extra für die Veranstaltung komponierten Ouvertüre sowie zwei kleinen Zugaben stoppte der Zähler bei drei Sinfonien. Die erste behandelte “Final Fantasy 6” und glich noch am ehesten einem “gewöhnlichen” Medley. Die zweite honorierte “Final Fantasy 10”, zentrierte Klaviervirtuose Benyamin Nuss als Hauptakteur und wurde auf drei Sätze verteilt. Letzteres galt ebenso für den “Final Fantasy 7”-Beitrag, nur dass dieser darüber hinaus mit gut 40 Minuten (!) eine neue Rekordmarke in Punkto symphonischer Videospielmusik darstellen dürfte.

Nein, das war von vornherein klar: 1:1 Adaptionen würde es genau wie in “Symphonic Fantasies” oder “Symphonic Odyssey” nicht geben. Die beiden Hauptarrangeure Roger Wanamo sowie Jonne Valtonnen sind bekannt dafür, ewig beliebte Musik in ein völlig neues Gewand zu stecken. Da müssen mindestens ein halbes Dutzend Themen für eine einzige Suite herhalten, wenn Hauptsache am Ende ihre Eigenständigkeit gegenüber den Originalen demonstriert wird. Unterstützt wurden die beiden von Masashi Hamauzu, der für “Final Fantasy 10” seine eigenen Kompositionen von vor zwölf Jahren in ein frisches Licht rückte. Er war genau wie der legendäre Nobuo Uematsu vor Ort und gab fleißig Autogramme – zweimal anderthalb Stunden lang, um genau zu sein. Herrlich, welch Respekt die beiden Japaner selbst nach all ihren Erfolgen weiterhin für ihre Fans übrig haben.

Ohne jeden Zweifel: Die Ausarbeitung sämtlicher Arrangements lässt sich an Professionalität schwer überbieten. Selbst unzählig oft gespielte Stücke, allen voran das zu Tode arrangierte “One-Winged-Angel”, erklangen in einer ungehörten Art und Weise, dass sie so etwas wie “Frische” vermittelten. Gleichwohl gefiel mir der dritte Satz der “Final Fantasy 7” Sinfonie allein deshalb am besten, weil dort Stücke zum Einsatz kamen, an die ich mich seit dem Spielen beziehungsweise dem Anhören des kompletten Soundtracks nur noch wage erinnern konnte. Oder wer kann hier spontan die Melodie von “Great Warrior” pfeifen? Mein persönliches Highlight bekam ich in “Final Fantasy 6” zu hören: Als das Orchester nach knapp 15 Minuten plötzlich verstummte und ganz leicht, ganz sachte sowie ungewohnt melancholisch einen der vielen Höhepunkt aus “Dancing Mad” anstimmte, da waren die Tränen unaufhaltsam.

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Weder die Klappstühle noch die suboptimale Akustik des Saals konnten den Erfolg des Konzertes verwässern.

Wieder war es ein Genuss, die unterschiedlichsten Themen perfekt miteinander verwoben zu hören, als ob dies schon immer so gewesen sei. Aber wie in meiner Einleitung angedeutet, habe ich erstmals gemerkt, wie anstrengend das sein kann. Je komplexer die Musik, desto schwieriger ist es, ihr zu folgen – und genau diese “Gefahr” zog sich über das halbe Konzert. Zwar wurden einige Kernthemen mehrfach wiederholt (und dies für meine Ohren im Falle von “Final Fantasy 10” gar etwas zu häufig), aber in immer neuen Variationen. Wie nie zuvor “musste” ich mich schwer darauf konzentrieren, welches Musikstück nun an der Reihe ist – nur um eine halbe Minute später wieder auf einen neuen Klang zu stoßen. Dies fiel speziell bei “Final Fantasy 7” auf: So sehr mir die jeweilige Satzanfänge gefielen, so schnell verlor ich wenige Minuten später die Konzentration. Anstrengend, eben.

Das soll beileibe keine Verurteilung sein, sondern eher ein Wink mit dem Zaunpfahl: Dieses Konzert muss man mehr als einmal hören, um es richtig schätzen oder besser genießen zu können. Eine bislang leider nicht geplante CD-Veröffentlichung wäre in meinen Augen Pflicht, um der Qualität des Werkes gerecht zu werden. Zudem gab es diesmal keinen Live-Stream, weil das Konzert im Gegensatz zu den vorhergehenden nicht vom WDR-Rundfunkorchestor, sondern vom Sinfonieorchester Wuppertal gespielt wurde. Eine auf YouTube geleakte Aufnahme eines Zuhörers ist von zweifelhafter Qualität, weshalb ich sie lieber nicht verlinken möchte.

Insofern kann ich das Konzert schwer mit anderen vergleichen und nur objektives Palaver von mir geben. Böcker, Valtonnen, Wanamo, Hamauzu und Uematsu haben ihre eigenen, sichtlich hohen Ansprüche getoppt und ein echt mächtiges Kunstwerk erschaffen. Die Arrangements konnten sogar das Fehlen des Chors ausgleichen, eigentlich ein Sakrileg für jegliche “One-Winged-Angel”-Interpretationen. All das, was ich verinnerlichen oder “mit nach Hause nehmen” konnte, hat mich beeindruckt. “Final Symphony” ist freilich weniger geeignet für denjenigen, der seine Lieblingsmusik 1:1 adaptiert hören möchte. Doch warum alte Kamellen lieblos auf die Bühne rotzen, wenn man die Fähigkeiten und Leute besitzt, etwas viel besseres oder besser geeigneteres für solch einen Event auf die Beine zu stellen?

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Ein zurecht gut gelaunter Winfried Fechner gibt hörenswerte Anekdoten von sich.

Das abschließende Lob gebührt Moderator Winfried Fechner: Der Mann plauderte zwischen den Sinfonien herrliche Anekdoten heraus, wie er Thomas Böcker kennengelernt habe und die Symphonic-Konzerte vor fünf Jahren nach Köln brachte. Seine Infantilität sowie Unerfahrenheit gegenüber der Videospielthematik überspielte er gekonnt mit gut getimten Scherzen. Dem abschließenden Appell, Politiker wie Kommunen mit Briefen zu bombardieren, damit es in Deutschland mehr solcher Events gäbe, möchte ich mich hiermit in aller Öffentlichkeit anschließen. Ich bin nach dem Abend vielleicht etwas erschöpft gewesen, aber beileibe noch nicht satt.

Ein Dank an Benjamin Herzog, der uns seine Schnappschüsse zur Verfügung gestellt hat. 

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3 comments on “Final Symphony: Fordernd, aber gut

  1. Ich kann “The Great Warrior” sofort pfeifen, weil es mein Lieblingsstück aus FF VII ist und meine Lieblingsszene um meinen Lieblingscharakter begleitet. ;)

  2. Jennifer Mai 16, 2013

    Suboptimale Akustik?! Als Wuppertaler sehe ich mich gezwungen den drittbesten Konzertsaal Europas zu verteidigen und zu sagen: Die Akustik war wie immer top! Gab nichts daran ausszusetzen ;)

  3. André Mai 16, 2013

    “Doch warum alte Kamellen lieblos auf die Bühne rotzen, wenn man die Fähigkeiten und Leute besitzt, etwas viel besseres oder besser geeigneteres für solch einen Event auf die Beine zu stellen?”

    Lieblos ist etwas ganz anderes, als am Thema vorbei zu arrangieren. Ich will auch kein zweites Distant Worlds in Deutschland. Und gerade Thomas Böcker, Roger Wanano und Jonne Valtonen haben vorher gezeigt, dass sie ihr Ding durchziehen und grandiose Begeisterungsschübe auslösen können. Aber eben auch große Fragezeichen über den Köpfen ihrer Zuhörer.

    Ich bin seit Symphonic Fantasies bei jedem Konzert der Reihe dabei, und bei Final Symphony sind sie hart daran vorbeigeschrammt, das Zer-Kunstifizieren der Originale wie bei Symphonic Legends 2010 zu wiederholen. Auch damals haben so viele Zuhörer bedauert, wie wenig ihrer geliebten Melodien sie in den Arrangements wiedergefunden haben.

    Final Symphony hat extrem viel richtig gemacht. Die FF6-Suite war über die meiste Zeit wunderschön, und die erste Hälfte der FF7-Symphonie hatte es auch wirklich in sich. Die Geschichten, die sich um die einzelnen “Pieces” der FF7-Symphonie entfaltet haben, waren gut nachvollziehbar – kraftvoll-gewaltig beim Sephiroth-Part, verspielt-verwoben bei dem Cloud-Aerith-Tifa-Arrangement. Auch wenn hier das disharmonische Ende schon stark an der Grenze war. Ich habe es mal als den Tod von Aerith interpretiert, der die ganze schöne heile Welt zerstört…

    Aber der leichte fahle Nachgeschmack, den alle drei Arrangements bei mir hinterlassen haben – und das fiel mir erst im Nachblick so richtig auf: Ständig wurden die “großen” Melodien der Stücke angeteasert, immer und immer wieder, beinahe schon zu oft, wie du schon schreibst. Das hat alles eine unglaubliche, wunderschöne Spannung aufgebaut, aber – hätten sie diesen Melodien dann auch einmal die Chance gegeben, richtig ausgespielt zu werden! Die ganze Zeit war es irgendwie wie ein Nies-Reiz, der endlich raus wollte, die ganze Energie dieses Arrangements zu entladen. Die Nase kribbelt fast spürbar, die Augen werden vor Imposanz feucht — und dann ist’s plötzlich vorbei. Nächste Melodie, man wird etwas enttäuscht zurückgelassen. An zu wenig Zeit kann’s nicht liegen, dazu wurden die gleichen Melodien wie gesagt zu oft wiederholt.

    Das alles ist Jammern auf hohem Niveau. Und ich verstehe auch die Arrangeure, die sich bei so einem Projekt gerne mal ausleben wollen, sich selbst einbringen möchten. Ich habe auch keine Zweifel, dass enorm viel künstlerische Arbeit in den Stücken steckt, die man bei genauerem Hinschauen erst zu schätzen weiß. Aber dafür ist der Eindruck zu kurz, der Abend viel zu schnell vorbei.

    Dass es auch anders geht (und zwar vom gleichen “Team”!) hat Symphonic Fantasies damals ja eindrucksvoll bewiesen: Da hat mich jedes Stück von Anfang an umgehauen – auch ohne die Originale eins zu eins “lieblos auf die Bühne rotzen”. Die Chrono Trigger/Cross-Inszenierung ist für mich immer noch eins der faszinierendsten und umwerfendsten Arrangements, die Melodien intelligent ineinanderwebt und Energiegeladenheit mit herzerweichender Melancholie vereint. So etwas hatte ich mir auch von Final Symphony erhofft – und war diesbezüglich eben leider nach dem Konzert ein wenig ernüchtert.

    Ein wichtiger Punkt noch: Ich finde, mit dem Argument “Ja, nun, es ist halt Kunst – wer es nicht mag, versteht es nicht richtig!” muss man gerade in dieser Sparte sehr vorsichtig sein. Die Veranstalter dürfen nicht ganz aus den Augen verlieren, für wen sie diese Konzerte machen: nämlich eben nicht für Klassik-Kenner, Kunst-Verliebte oder gar sich selbst (auch wenn ich verstehe, dass letzteres recht verlockend ist), sondern für Fans, die mit den Melodien ihrer Jugend so extrem viel verbinden, dass sie hier vielleicht zum ersten und einzigen Mal einen klassischen Konzertsaal betreten. Sich gerade gegenüber diesem Publikum die Experimentiermütze aufzusetzen und zu schauen, wie sehr man die Originale verfremden und ihnen den eigenen Stempel aufsetzen kann, finde ich mehr als gewagt. Und ich dachte eigentlich auch, nach Symphonic Legends (das übrigens als einziges der Reihe kein CD-Release bekommen hat – Zufall?) würden sie das nicht nochmal riskieren. Ansonsten könnte genau das Gegenteil des Effekts eintreten, den Winfried Fechner (völlig zu recht) in seinem Appell bewirken wollte – nämlich dass die ganzen jungen Leute ernüchtert nach Hause gehen mit einer “Naja, ist halt doch nur undurchschaubare Klassik”-Einstellung nach Hause gehen.

    Meine Hoffnung ist jetzt immer noch, dass sie sich zu einem CD-Release des Konzerts durchringen. Ich glaube auch, wie du schon schriebst, dass dieses Konzert mehr noch als die anderen mehrmals gehört werden muss, um ausreichend gewürdigt zu werden – und ich würde keine drei Sekunden überlegen, mir das Ding zu kaufen. Doch auch dann glaube ich nicht, dass es für mich die feinen, cleveren und doch genügend originalgetreuen Stücke von Symphonic Fantasies qualitativ toppen wird.