Fallout 4: Dieser Weg

2. Dezember 2015

Kann das Ende schön sein? Wie kaum eine andere Spielereihe zelebriert “Fallout” die Postapokalypse als morbid-schönen Abenteuerurlaub für Millionen von Spielefans. Mit dem nunmehr fünften Teil dürfte auch inhaltlich das Ende erreicht sein.

Jetzt wird’s persönlich

Schick, oder?

Schick, oder?

Ich muss zugeben, dass ich meine Probleme mit der Reihe habe. Schlimmer noch: Ich kann es gar nicht so recht begründen. Die allerersten “Fallouts” habe ich schlichtweg übergangen und “Fallout 3” fristet seit dem ersten Veröffentlichungstag einen ehrenwerten Platz auf meinem Haufen der Schande. Es ist nicht so, dass ich es nie versucht hätte. Rund fünfzehn Stunden verbrachte ich bestimmt darin, was für ein Open-World-RPG dieser Größenklasse aber wohl nur ein bisschen mehr als eine ausführliche Tutorial-Erfahrung ist. Für mich war es weder RPG noch Shooter (dieser Mix gelingt “Borderlands” viel besser), das V.A.T.S. nervte nur, die Steuerung hakelte und seit Windows 7 bekomme ich es sowieso kaum zum Laufen. Trotzdem wollte ich “Fallout 4” eine Chance geben, einen letzten Versuch starten, um das Ödland von Mutanten, Raidern und sonstigem Gesocks zu befreien.

Ein widerspenstiger Brocken

Diamond City, die Perle der Postapokalypse.

Diamond City, die Perle der Postapokalypse.

Im Grunde genommen hätte ich das Gamepad aber schon nach ein paar Minuten aus der Hand legen können. Eine Technik von gestern (Raider-Moonwalk zwischen zwei Stockwerken), ein User-Interface, bei dem sich jeder Knopfdruck falsch anfühlt, Shooter-Passagen, bei denen die Feinde mangels K.I. einfach mal so auf einen zustürmen. Taktik? Naja. Und dann die Dialogszenen! Starre Gesichter mit zuckenden Mundwinkeln. Wobei ich die deutsche Synchronisation deutlich von diesen ganze Mängeln ausklammern will – sie ist grandios und sollte als Vorbild für die Konkurrenz dienen. Aber nichtsdestotrotz gibt es viele Gründe, um “Fallout 4” einfach nicht zu mögen. Es taugt weder als spielerisches Glanzstück, noch als Technik-Vorzeigetitel für die Current Gen und hochgezüchtete PCs.

Ein Fremder namens Duke

Stattdessen ist es aber ein Spiel zum Zuschauen, zum Entdecken, zum Genießen. Anfangs bin ich einfach nur losgegangen. Irgendwann traf ich dann auf einen Typen namens “Duke” in einer sogenannten Powerrüstung. Ich bin ihm dann hinterhergelaufen, fast eine Stunde lang. Er war mein Beschützer, als ich vom Weg abkam. Und so konnte ich mich auf die Landschaft konzentrieren. Ich bin an verrosteten Autos, ausgeplünderten Supermärkten und mehr oder weniger lebendigen Ghulen vorbeigekommen. Hat es mich in irgendeiner Weise weitergebracht? Nö. In die erste größere Stadt “Diamond City” gelangte ich erst nach rund 10 Spielstunden. Andere Spieler mögen das Spiel sogar, wenn es von den ausgetretenen Rollenspiel-Pfaden abweicht.

Ich mag das Spieltempo. Es ist ruhig und lässt mir Zeit, die Welt kennenzulernen. Das liegt aber nicht an einem mangelnden Questangebot. Das gibt es nämlich reichlich. Von der Suche nach dem entführten Sohn, über Gangsterkriege bis zur Pärchenkuppelei und zum Schlichten eines Ehestreits wird viel geboten. Das Gute daran ist: Ich fühle mich kaum unter Zeitdruck und werde nicht wie in “Dragon Age: Inquisition” hektisch von einer Aufgabe zur nächsten gezwungen. Bioware gaukelt mir dort nur eine offene Spielwelt vor. Die Wahrheit ist aber, dass mich die geradlinige Queststruktur sehr genau durch das Spiel steuert. “Fallout 4” ist dagegen tatsächlich ein Open-World-Rollenspiel.

Was wäre ein Fallout ohne Pipboy?

Was wäre ein Fallout ohne Pipboy?

Und es ist natürlich ein riesiger Baukasten. Ein wenig schamlos hat sich Bethesda bei “Minecraft” bedient und lässt mich zum Bauherren werden. An der Werkbank entwerfe ich Gebäude, Geschütztürme, Wasserpumpen und was-weiß-ich-nicht-allles. Allein mit diesem Feature könnt ihr Stunden im Spiel verbringen, denn mit der Zeit entdeckt ihr neue Siedlungen, die gepflegt werden müssen. Ach ja, ein bisschen “Far Cry 3” steckt hier auch mit drin. Und Schrott müsst ihr sammeln. Unmengen von Schrott.

Ende gut, alles gut

“Fallout 4” ist in vielerlei Hinsicht ein typisches Bethesda-Rollenspiel. Es strebt nach Superlativen, wo es eigentlich keine mehr gibt. In ihrem Drang zur Perfektion haben sich die Macher teilweise deutlich von anderen Spielen inspirieren lassen. Aber stört mich das? Nein. Bethesda hat mit “Fallout 4” die eierlegende Wollmilchsau der Spielegeschichte geschaffen. Die hervorragenden Verkaufszahlen sind mehr als verdient. Nicht, weil es innovativ wäre oder spielerische Glanzpunkte setzt, sondern weil darin fast alles steckt, was Videospiele in letzter Zeit so erfolgreich gemacht haben. Das mag einem nüchternen wirtschaftlichem Kalkül entsprungen sein, aber es sollte niemand vom Spielen abhalten. Schöner wird die Postapokalypse nicht mehr.

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One comment on “Fallout 4: Dieser Weg

  1. Mich interessiert die Serie nicht mehr, seitdem man von der Vogelperspektive abgekommen ist. Das Spiel hatte für mich damals noch ein ganz anderen Charakter, der leider in Fallout 3 verloren gegangen ist.