Die Pixelmacher: “Ja, wir haben tatsächlich so was wie Narrenfreiheit”

12. Mai 2011

Spielejournalismus im TV? Geht das überhaupt? Die Pixelmacher sagen “Ja”. Für den neuen Fernsehkanal ZDFkultur bastelten ehemalige Redakteure der Computersendung “neues” an einem Magazin rund um Videospiele, Netzkultur und was so alles dazu gehört. Die Premiere ist am 13. Mai und wir sprachen mit Redakteurin Valentina Hirsch über Spielejournalismus, Vorurteile und die Konkurrenz.

Polygamia: Hallo Valentina, kannst Du die Pixelmacher kurz vorstellen?

Valentina Hirsch, Fernsehredakteurin und laut Weblog eine “durchschnittliche aber begeisterte Spielerin”

Valentina: Die erste Idee kam von Andreas Garbe und mir, da wir beide langjährige Spieler sind und bei “neues” entsprechend häufig die Spiele-Berichte gemacht haben. Dann kam recht schnell Lukas Koch ins Boot. Er hat ja 2009 in Vertretung neues moderiert und wir hatten auf der Gamescom eine Menge Spaß mit ihm als Moderator. Er hat dann ziemlich früh am Konzept mitgearbeitet und inzwischen entspricht die Pixelmacher-Redaktion nahezu komplett dem “neues”-Team.

Die Idee hatten wir schon vor ca. eineinhalb Jahren, als klar war, es wird einen Popkultur-Kanal geben. Seitdem haben wir an dem Konzept gefeilt, rumgesponnen, Ideen gesammelt und gebrainstormt. Ursprünglich war das Ganze als eine Art Spin-Of von “neues” gedacht, denn wir hatten oft viel mehr Material für die “neues”-Spieleberichte, als wir verwerten konnten. neues ist thematisch breiter aufgestellt, bedient auch Themen wie Netzpolitik, technologische Entwicklungen oder Telekommunikation, so dass nicht für alles unendlich viel Raum da war.

Polygamia: Um was geht es in “Pixelmacher”?

Valentina: Wir verstehen uns mehr als Entdecker auf so einer Art großen, digitalen Spielwiese. Unser Zugang ist daher weniger feuilletonistisch oder erklärend, sondern eher verspielt und offen – manchmal vielleicht provokant. Die zentralen Themen sind Videospiel- und Netzkultur. Wir berichten bei “neues” seit fast zwei Jahrzehnten über Videospiele und haben auch da versucht, das Medium als etwas Selbstverständliches zu behandeln. Für die “neues”-Zuschauer haben wir aber sehr viel mehr Hintergründe beleuchtet und erklärt. Das wird Pixelmacher weniger tun oder jedenfalls auf andere Art. Wir glauben, dass das Medium Spiel längst unsere Kultur prägt, aber oft wenig beachtet wird. Bei Pixelmacher wollen wir Einblick in die – manchmal auch sehr abgeschlossene – Welt der Videospiele geben. Allerdings abseits gängigen Bewertungskriterien: Wir wollen Spiele nicht vorrangig nach festgelegten oder vorrangig technischen Aspekten als gut oder schlecht bewerten. Wir wollen eher fragen, gefällt uns das, warum ist es spannend, gut, schlecht oder besonders? Warum sind die Spiele-Publisher solche Geheimniskrämer, warum darf man manches nur “behind closed doors“ sehen oder oft gar nicht erst bewegte Bilder zeigen?

Wir wollen auch kein Spiel ausschließen: Von Minesweeper bis World of Warcraft, von Moorhuhn bis Modern Warfare. Und wir wollen Zuschauer unterhalten, wenn möglich Gelegenheitsspieler, Solitär-Bürozocker, WoW-Spieler oder eSportler gleichermaßen.

Die Pixelmacher wollen anders, als andere Fernsehmagazine sein.

Polygamia: Wie wollt ihr das Magazin umsetzen? Gibt es ein “Motto” oder ein bestimmtes Ziel, das ihr erreichen wollt? Wie möchtet ihr euch von eurem einzigen Konkurrenten GameOne absetzen? Das alles dürfte bestimmt schwierig werden, da man den Reiz eines interaktiven Mediums beim passiven Zuschauen nur schwer erklären kann.

 

Valentina: Ich würde es nicht Ziel nennen – wir gehen vor allen mit dem Wunsch an den Start, etwas Unterhaltsames abzuliefern, zu zeigen, was für ein spannendes Medium Spiele sind. Unsere Sendung will Spiele als selbstverständliches Kulturgut behandeln.  Ja, es ist tatsächlich schwierig, über ein interaktives Medium zu berichten, das zudem eine so große Bandbreite besitzt. Natürlich ist ein Doodle Jump etwas anderes als Fable, Mario Kart etwas anderes als Limbo. Wir verstehen uns wie gesagt da eher als Entdecker auf einer großen Spielwiese. Wir wollen zeigen, was Spiele ausmacht, wie sie uns bewegen, unterhalten, fordern, frustrieren. GameOne mögen auch viele, die sich selbst nicht mal als passionierte Spieler begreifen. Einfach, weil die beiden Moderatoren witzig sind und weil die Sendung unterhaltsam ist. Wir wollen in Pixelmacher nicht nur die gerade erschienenen Neuheiten vorzustellen, sondern wie erwähnt auch mal abseitigere oder polarisierende Themen aufgreifen, ich denke, dass wir uns da von GameOne unterscheiden. Wir haben eine knappe halbe Stunde Sendezeit, als deutlich mehr. Daher können wir zu bestimmten Themen mehr Berichte liefern, also auch mal komplexere Zusammenhänge aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.

Polygamia: Wie habt ihr das Konzept durchgeboxt? 3sat hat ja gerade “neues” eingestellt und das war ja so ziemlich das einzige Magazin im ZDF bzw. in der ARD, dass sich mit Spielen auseinandergesetzt hat.

 

Valentina: Schönerweise mussten wir gar nicht „boxen“. Gerade 3sat war Spiele-Themen gegenüber immer sehr aufgeschlossen. Abgesehen davon, dass“ neues“ immer Spiele-Themen in der Sendung hatte, hatten wir in den letzten Jahren regelmäßig “neues”-Specials, also halbstündige Dokus, zum Thema Spiele. 2007 über World of Warcraft, 2008 über „Games 2.0“ und 2009 über Jobs in der Spielebranche. Und was Pixelmacher betrifft: Von der ersten Vorstellung des, noch ganz rohen, Konzepts bis zur Produktion hatten wir volle Unterstützung seitens 3sat.

“neues” hat Pionierarbeit geleistet und das bei ganz vielen Themen. Über Netzsperren oder Vorratsdatenspeicherung redet man inzwischen in allen Medien. Das war vor einigen Jahren noch nicht so. Bei Spielen sieht das anders aus, deshalb hat ZDF kultur ja auch von Anfang an eine solche Sendung wie unsere eingeplant. Es hieß: Spiel ist nicht nur Theaterspiel oder Film, sondern auch Videospiel. Themen wie Netzsperren oder besagte Vorratsdatenspeicherung finden inzwischen auch bei nano oder der Kulturzeit statt, und das in Zukunft noch verstärkt. Und Spiele bekommen mit Pixelmacher nun eine eigene, größere Plattform.

Reizthema Egoshooter. Neutrale Berichterstattung oder Meinungsmache?

Polygamia: Besonders das Fernsehen kritisiert oft Videospiele. Wie kann eine Spielesendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen funktionieren bzw. habt ihr auch so etwas wie eine “Narrenfreiheit”?

 

Valentina: Ja, wir haben tatsächlich so was wie Narrenfreiheit. Der gesamte Kanal definiert Kultur explizit als etwas, was nicht im Elfenbeinturm sitzen soll. Und für uns sind Spiele ganz klar Kultur. Mit guten und schlechten, mittelmäßigen und sensationellen Beispielen, so wie es das bei Literatur oder Film auch gibt. Für Pixelmacher hat man uns ausdrücklich aufgefordert, zu experimentieren. Und dafür sind wir enorm dankbar, denn auch wir müssen uns rantasten und ausprobieren. Ein Format zu entwickeln ist wie ein Bild zu malen: man hat eine Vorstellung im Kopf, fängt dann an, merkt, es sieht irgendwie anders aus, versucht es noch mal, korrigiert hier und da oder stellt fest, man muss sich von der einen Idee lösen und ganz anders rangehen. Das führt zum ersten Teil der Frage: Wie kann eine Spielesendung im ö.-r. Fernsehen funktionieren? Wir hoffen, indem man merkt: Die Macher stecken da Herzblut rein und nehmen das ernst. Über Geschmack und Machart lässt sich natürlich immer streiten. Der eine will vor allem alle Neuheiten sehen und nach klaren Bewertungskriterien einsortiert haben. Der nächste schätzt Hintergrund-Berichte zu weniger prominenten Themen. Wir wollen über Spiele unterhaltsam berichten, aber auch mal abseitigere oder polarisierende Themen aufgreifen – vom Revival der Text-Adventures bis zu Zensur in Spielen.

Polygamia: Was macht euch so sicher, dass diese “andere” Art von Spielejournalismus überhaupt funktioniert bzw. an wen richtet sich euer TV-Magazin? Der Markt wird von 08/15-Magazinen dominiert und selbst die GEE hat aufgegeben.

 

Valentina: Wir sind keineswegs sicher, dass eine andere Art von Spielejournalismus funktioniert. Aber wir sind sicher, dass er nötig ist; das Spiele in den Medien stattfinden müssen! Und das eben nicht nur in Sachen kritische Berichte in Service-Magazinen oder Nachrichten. Da fehlt eine Menge Selbstverständlichkeit im Umgang. Wenn ein – sagen wir mal – Lebensart-Magazin über neue Riesling-Anbaumethoden berichtet, fühlt sich ja auch niemand bemüßigt, jedes Mal auch auf die Gefahr der Alkoholabhängigkeit hinzuweisen.  Natürlich darf man kritisch sein, und wer mal einen Blick in Fachzeitschriften oder Spiele-Blogs wirft, stellt fest: die meisten Spieler haben kritische Fragen sehr wohl auf dem Schirm und sie diskutieren auch über Themen wie Sucht oder Gewaltdarstellung in Spielen. Aber sie werden – zu recht – sauer, wenn das ohne Hand und Fuß geschieht. Insofern würden wir uns freuen, wenn die Spiele-Community uns in dem Bestreben unterstützt, eine andere Art Spiele-Berichterstattung zu erproben.

Get the Flash Player to see the wordTube Media Player.
Ein kleiner Video-Vorgeschmack auf die Pixelmacher.Polygamia: Eine letzte Frage noch: Was spielt ihr denn so persönlich gerne?

 

Valentina: Das  ist so unterschiedlich, wie die Redakteure im Team: Der eine spielt am liebsten Aufbau-Strategie, zwei weitere Kollegen beschließen fast jeden Tag mit einer gepflegten Partie „Pro Evolution Soccer“, bei anderen laufen vor allem Wii und DS und andere verbeißen sich in „Angry Birds“ & Co auf dem iPhone. In meinem Fall reicht das Spektrum von Action a la “Half-Life“ über „Plants vs. Zombies“ auf dem iPad bis zu MMOs wie „World of Warcraft“.

Polygamia: Na dann, viel Erfolg! Die erste Folge läuft am 13. Mai um 21:30 auf ZDFkultur u. a. mit den Themen “Zombies” und “Portal 2”. Weitere Infos zur Sendung gibt es auf Valentinas Blog und der offiziellen Webseite der Pixelmacher.

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8 comments on “Die Pixelmacher: “Ja, wir haben tatsächlich so was wie Narrenfreiheit”

  1. Homelesskater Mai 12, 2011

    Sehr schön ich freue mich schon auf die Sendung.
    Und ein gutes Interview mit guten Fragen!

  2. Na die sind aber mutig. Keine Ahnung von Gameone haben (“die BEIDEN Moderatoren” – Wolf, Eddy, Nils und die anderen sind auch riesige Teile der Sendung und der Website, die den Grimmepreis verdient hat – hoffentlich klappt’s) und dann auch noch zur selben Sendezeit starten. Dennoch denke ich, dass sie Erfolg haben könnten, Casual-Gamer die sich sonntags den Fernsehgarten reinziehen, bleiben bestimmt auch zum Spiele-Sendung schauen beim ZDF. Allerdings kann ich mir schlecht vorstellen, dass sie für G1 je eine echte Konkurrenz werden, weil ich nicht denke, dass das Zweite Deutsche Fernsehen sich auf das Niveau der Jungs begiebt. (Ob das jetzt positiv oder negativ gemeint war, lass ich mal weg, aber auf jeden Fall ist das eine Besonderheit die G1 auch sehenswert macht!)

    • Mutig – ja. Allerdings läuft die Sendung nicht im ZDF, sondern auf ZDFkultur. Das ist in meinen Augen schon ein großer Unterschied und sollte nicht verwechselt werden.

  3. Thomas Mai 12, 2011

    Mehr Games im Deutschen Fernsehen ist schonmal ne gute Sache.Bin gespannt wie es wird.

    “Wir wollen in Pixelmacher nicht nur die gerade erschienenen Neuheiten vorzustellen, sondern wie erwähnt auch mal abseitigere oder polarisierende Themen aufgreifen, ich denke, dass wir uns da von GameOne unterscheiden.”

    G1 greift auch gerne mal ins Spiele Archiv und stellt auch ältere Spiele vor.Selbst bei nur noch 15 Minuten Sendezeit tun sie dies noch überraschend oft wie ich finde.

  4. Tolles Interview, dass Lust gemacht auf die Sendung. Leider ging diese völlig in die Hose. Sehr schade, eine Sendung über Spiele auf einem Kulturkanal hätte dem Medium gut zu Gesicht gestanden.

    Vorschlag: Interviewt doch mal die Jungs vom Mehrspieler-Video-Podcast. Das verstehe ich unter einem Format, welches sich mit dem Kultur-Anspruch von Spielen ernsthaft und informativ nähert:

    http://www.kollisionsabfrage.net/videopodcast/mehrspieler_06

    • Ja, das stimmt. Die Video-Podcasts von Kollisionsabfrage gefallen mir auch sehr gut. Das ist auch nur eines von vielen Beispielen, die zeigen: Das Internet ist so manchem TV-Magazin Lichtjahre voraus. Manch ein Youtbler z.B. besitzt auch sehr viel Potential für eine vielleicht junge, aber nicht infantile Zielgruppe. AlexTV fällt mir da ein (nicht alles, aber der hat auch viel Potential). Und es gibt sicher noch viel mehr…

    • Erstmal Danke für das Lob.

      Die Sendung war nicht gut und ich habe mir erwartet. Ein Problem: die Pixelmacher versuchen Popkultur zu erklären, aber man muss sie “leben”. Kurz, ganz anders als bei GameOne oder bei Kollisionsabfrage wirkt es in keinem Moment authentisch.

      Der “Urban Hacking”-Beitrag war ein solider Fernsehbeitrag, in meinen Augen aber so etwas wie “neues”-Nachlassverwaltung. Auch die “Zombie-Nummer” war formal OK, mehr aber nicht. Der “Portal 2”-Beitrag war etwas wirr. Gab es da auch im TV keine UT beim O-Ton? Netzfundstücke? Who cares?

      Richtig mies war der Tabletop-Beitrag. Ganz ehrlich, ich wundere mich, wie der durch die Endabnahme ging. Koch wirkte so, als würde ihn das Ganze nicht interessieren. Überhaupt müsste man ihn etwas bremsen – zu bemüht lustig, viel zu zappelig. Generell waren die Anmods nicht gut. Aber daran kann man arbeiten. Zu meiner Fernsehzeit habe ich da schon Schlimmeres erlebt.

      Ich warte also auf die nächsten Patches.

    • Ach ja, auch noch wichtig: Die Themenauswahl war für eine erste Sendung schwach. Plants vs. Zombies ist uralt, wenn dann hätte man die aktuelle DS-Version herauspicken müssen. Wo war das PSNGate oder die Gerüchte um die Wii 2? Auch habe ich lange gebraucht um zu kapieren, dass der Wartungsraum (?) beim ZDF ein Bezug zu “Portal 2” sein sollte.