Call of Duty – Advanded Warfare: Mit Kevin Spacey im Uncanny Valley

25. November 2014

Weihnachten steht vor der Tür. Zeit für Activision, die Cash Cow „Call of Duty“ in die Läden zu treiben. Was ist neu in diesem Jahr? Statt einem Schäferhund gibt’s Kevin Spacey als Begleiter.

Mehr Hollywood!

Die Produzenten von „Call of Duty“ gehen scheinbar gerne ins Kino. Nehmt beispielsweise „Gravity“, den Blockbuster des Jahres 2013. Und dann vergleicht dies mit dem Weltraumlevel in „Ghosts“. Das kann kein Zufall sein, oder? Da guckt doch jemand bei Activision, was der Hollywood-Hype des Jahres wird und wie man den ins nächste „Call of Duty“ einbringen kann!

Das Motto bei Activision scheint ‚Hollywood zum Mitspielen‘ zu sein. 2014 im Angebot: Exoskelette. Hey, wie bei „Edge of Tomorrow“ und „Elysium“. Und zur Sicherheit noch Jetpacks – wie in „Titanfall“, nur für den Fall, dass Jetpacks jetzt die nächste große Nummer werden. Immerhin waren die Macher von „Titanfall“ mal für die Blaupause verantwortlich, mit der sich „Call of Duty“ seit 2007 zur (angeblich) besten Spieleserie der Welt entwickeln konnte.

Aber zurück zu Hollywood: Das Gesicht von Kevin Spacey ist keine zufällige Wahl, ist er doch zweifacher Oscarpreisträger. Und natürlich gibt Spacey die Rolle, mit der wir ihn gerade alle identifizieren: Frank Underwood, den Politiker aus der erfolgreichen Netflix-Serie „House of Cards“.

Echte Schauspieler, die fast echt aussehen

Ganz ehrlich: Ich hab’s für einen Witz gehalten, als der erste Trailer zu „Advanced Warfare“ gezeigt wurde: Können die das bringen? Ich konnte es kaum glauben, aber das, was ich für ein Character Model hielt, sollte tatsächlich und ganz offiziell Kevin Spacey sein. Willkommen im Uncanny Valley!

Dazu muss ich sagen, dass ich Kevin Spacey als Schauspieler wirklich schätze: Er hat gleich drei meiner Lieblingsfilme aus den 1990ern zu dem gemacht, was sie sind: Als lüsterner Familienvater in „American Beauty“, dessen Midlife Crisis zu einer Art zweiter Pubertät wird. Als durchgedrehter Serienmörder in „Sieben“, der sich für seine eigene Todsünde richtet. Als vermeintlich harmloser Krüppel in „Die üblichen Verdächtigen“, der uns das sehen lässt, was wir in ihm sehen wollen.

Wenn man an seine Arbeiten auf der Leinwand denkt, verleiht Kevin Spacey all seinen Rollen eine gewisse Komplexität und Vielschichtigkeit. In „Advanced Warfare“ gelingt ihm das nicht. Als Johnathan Irons wirkt er wie ein teurer Spezialeffekt. Während man in den guten Filmen mit Kevin Spacey vergisst, dass man Kevin Spacey beim Schauspielern zuschaut, starrt ihr hier in die toten Augen einer Kunstfigur, von der ihr in keiner Sekunde vergesst, dass sie Kevin Spacey sein soll.

Kevin Spacey in Advanced Warfare: Manchmal faszinierend, manchmal unheimlich, aber immer eher "uncanny" als überzeugend. (Foto: Activision)

Kevin Spacey in Advanced Warfare: Manchmal faszinierend, manchmal unheimlich, aber immer eher “uncanny” als überzeugend. (Foto: Activision)

Absurd daran: Während die anderen Figuren in den Zwischensequenzen tatsächlich realistisch und menschlich wirken, macht euch das bekannte Gesicht von Kevin Spacey diese Illusion immer wieder kaputt. Ihr achtet ständig darauf, wie gut (oder schlecht) er dargestellt wird. In manchen Szenen habt ihr das Gefühl, dass Currie Graham engagiert wurde. In anderen läuft es euch eiskalt den Rücken runter, weil ihr fast hättet glauben können, dass ihr tatsächlich Kevin Spacey zuschaut. Insgesamt habe ich mich wesentlich mehr auf die Optik konzentriert, als auf die Geschichte. Aber das ist vermutlich gut so, denn hier bekommt ihr für ein „Call of Duty“ solide Standardkost geboten. Ein wenig frag ich mich, ob Kevin Spacey so ein Drehbuch überhaupt in Erwägung gezogen hätte, wenn es um eine Filmrolle gegangen wäre.

Das Gameplay hält sich ans Drehbuch

Auch der Titel spielt sich übrigens so, als wäre das Game Design-Dokument ein Drehbuch. Ein paar Gegner umballern, dann kommen Drohnen, also müsst ihr in ein futuristisches Geschütz klettern, rumballern und dann A drücken, damit alles explodiert, dass Michael Bay seine pralle Freude hätte. Alles abknallen, bis es weitergeht, zur Markierung laufen und eine Taste drücken wechseln sich als Grundprinzipien ab. Was sich verändert, ist das Drumherum und das futuristische Spielzeug, das ihr einsetzt.

Im Verlauf der Einzelspielermissionen dürft ihr allerlei futuristische Technologien in die Schlacht führen, wodurch das Spiel abwechslungsreich und interessant bleibt. (Foto: Activision)

Im Verlauf der Einzelspielermissionen dürft ihr allerlei futuristische Technologien in die Schlacht führen, wodurch das Spiel abwechslungsreich und interessant bleibt. (Foto: Activision)

Insgesamt ist das “Advanced Warfare” dadurch ziemlich abwechslungsreich. Nervig wird es nur in den Momenten, in denen ihr eine Szene zwei, drei Mal wiederholen müsst, weil ihr eine falsche Taste drückt oder ein Detail übersehen habt. Vielleicht ging es mir umso mehr auf den Keks, weil ich parallel „Halo: The Master Chief Collection“ spielte: „Halo“ ist so ziemlich das genaue Gegenteil, denn der Sci-Fi-Shooter stellt euch in seinen eher offene gehaltenen Levels vor Herausforderungen, für die ihr selber mit den gegebenen Mitteln eine Lösung finden müsst. Während ihr also nach jeder gemeisterten Schlacht der Auffassung seid, den Sieg hart erarbeitet zu haben, habt ihr bei „Advanced Warfare“ ständig das Gefühl, nur die Marionette eines unsichtbaren Regisseurs zu sein.

Neues Kriegsgerät bringt Abwechslung, aber keine dedizierten Server

Wer sich mehr Freiheiten wünscht, kann sich ja im Multiplayer austoben, der sich dank der futuristischen Gadgets tatsächlich anders spielt, als die letzten Serienteile. Gerade die Möglichkeit, durch meterhohe Sprünge auf Hausdächer zu gelangen oder in letzter Sekunde über gewaltige Mauern zu flüchten, verändert den Spielablauf wesentlich. So viel Spaß wie in „Titanfall“ hatte ich nicht, aber das ist Geschmackssache. „Advanced Warfare“ spielt sich trotz der offensichtlichen Ähnlichkeiten anders als mein persönlicher Lieblingsshooter 2014. Es geht weniger um Taktik und Parcours, mehr um Reaktionsvermögen und gute Reflexe.

Der Multiplayer spielt sich dank Jetpacks und anderer Gadgets anders als vorherige Serienteile. (Foto: Activision)

Der Multiplayer spielt sich dank Jetpacks und anderer Gadgets anders als vorherige Serienteile. (Foto: Activision)

Wirklich gestört hat mich allerdings, dass Feinde nach jedem Abschuss an einem zufälligen Spawnpunkt wieder auftauchen – auch wenn dieser in eurem Rücken liegt. Im Deathmatch mag das noch okay sein, aber in Domination ist es einfach nur lästig, wenn quasi jederzeit jemand in eurem Territorium spawnen und euch unbemerkt von hinten erledigen kann.

Was außerdem nicht in Ordnung ist: Wenn Activision schon aktiv die Konkurrenz beobachtet, könnten sie sich mal eine Sache von anderen Spielen abschauen: dedizierte Server! Dass einer der Mitspieler als Host ausgewählt wird, ist sicher eine günstigere Lösung, führt aber ab und zu dazu, dass das Spiel gelegentlich für eine „Host migriation“ unterbrochen wird. Und das ist noch zu ertragen. Wesentlich schlimmer ist, dass ihr in den Replays feststellen müsst, dass andere Spieler offensichtlich eine bessere Server-Verbindung besitzen als ihr. In einem schnellen Shooter wie „Call of Duty“, in dem ihr zudem bereits nach ein paar wenigen Treffern auf der Abschussliste des Gegners landet, ist das ein echtes Unding!

Kino-Neid

Spaß macht „Advanced Warfare” trotzdem. Nachdem „Ghosts“ letztes Jahr vielleicht das schwächste „Call of Duty“ aller Zeiten gewesen ist, bekommt ihr wieder die gewohnte Qualität geboten. Damit bleibt „Call of Duty“ eine Art ‚guilty pleasure‘. Ihr wisst, dass es anders (und vermutlich besser) geht, aber wollt es euch trotzdem gönnen. Es ist wie ein Schokoriegel oder Fast Food. Etwas, das man ab und zu mal zu sich nehmen will. Bei der Inszenierung der Einzelspielerkampagne wird tief genug in die Trickkiste gegriffen, um durchweg für Unterhaltung zu sorgen. Und der Multiplayer ist mit seiner Schnelllebigkeit schlicht und ergreifend kurzweilig.

Alles in allem ist das Resultat also sehr unterhaltsam, wenn auch mit etwas fadem Nachgeschmack. Das Problem ist weniger die Kriegsthematik, die vorhersehbare Story oder dass die „Call of Duty“-Formel seit „Modern Warfare“ im Grunde unverändert geblieben ist. Traurig finde ich, dass ein Spiel als Aushängeschild des Mediums Videospiel gilt, das sich so fantasielos am Medium Film orientiert. Filmzitate und Kevin Spacey statt Eigeninitiative und wegweisendes Gameplay. Gelehrte Spielemacher wie Eric Zimmermann würden hier vermutlich einen klaren Fall von ‚cinema envy‘ diagnostizieren: Kino-Neid. Solange diese Serie im Guinessbuch als unsere beste gehandelt wird, muss man sich als Gamer Gedanken darüber machen, ob das nun mehr über uns oder unser Hobby aussagt.

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7 comments on “Call of Duty – Advanded Warfare: Mit Kevin Spacey im Uncanny Valley

  1. Bitte die ersten Absätze noch einmal lesen, da sind ein paar sehr unschöne Fehler.

    Ansonsten, Kevin Spacey, kenne ich, stehe ich aber eher neutral gegenüber. Hat ein paar nette (okay, okay – sehr gute) Filme gemacht aber hat mich als Schauspieler eigentlich nie so richtig geflasht, da gibt es eine ganze Reihe Mimen, die mich wesentlich mehr überzeugen und faszinieren.

    Call of Duty selbst, ich liebte Modern Warfare damals. Das hat ALLES gerockt. Allerdings interessiert mich der Multiplayerteil nur peripher und zum nur einmal Durchzocken ist mir das Spiel in der Regel immer zu teuer. Mit anderen Worten, ich habe nur das erste Modern Warfare wirklich durchgespielt und zwei der Nachfolger danach nur kurz bei einem Kumpel mal für vielleicht ein, zwei Stündchen angespielt. Klar, es gibt starke Limitierungen beim Gameplay und auch die Story ist oft auf unterstem B-Actionmovie-Niveau, aber hey, mir machen auch Filme wie Expendables oder 300 Spaß, Hauptsache das Teil ist ordentlich Bildgewaltig (pun intended). Soll heißen, wenn ich die Teile für einen 10er (mehr zahle ich für PC Games inzwischen ohnehin nur bei absoluten Ausnahmetiteln wie Skyrim oder Guild Wars 2 nicht, meine letzten Käufe waren Batman Arkham Origins und Tomb Raider für 5 Euro und Thief für 5,90 Euro) irgendwo kriege, dann würde ich jedes CoD unbesehen kaufen und zocken. Hirn aus, Klappe zu, Affe tot!

    • Danke für den Hinweis. War mein Fehler. Ich sollte nicht so spät am Abend die Korrekturen vornehmen….

    • Dominik Nov 25, 2014

      Schauspieler sind sicher Geschmackssache, wenn es um die Faszination geht. Interessiert mich natürlich auch, wen du überzeugender und faszinierender findest :)

      Ich finde Kevin Spacey schon absurd gut. Sieht man z.B. wenn er andere Promis nachmacht. Beim Wheel of Impressions bei Jimmy Fallon (gibt’s auf YouTube) hat man das mal wieder gesehen. Jimmy kann die Stimme, Spacey das ganze Gesicht.

      • Kevin Spacey ist ohne Frage ein toller Schauspieler aber wie gesagt, er lässt mich irgendwie kalt, so ein wenig, als wenn das “besondere” fehlt.

        Der beste Schauspieler der Welt ist für mich Min-sik Choi (Oldboy, Failan), der hat eine unglaubliche Ausdruckskraft.

        Ansonsten gehören zu meinen Favoriten (Lieblingsschauspielern) Shia LaBeouf, James Spader, Jeremy Irons, Kyle MacLachlan, Willem Dafoe und Sean Connery (es gibt sicher noch einige mehr).
        Früher noch Harrison Ford (In Sachen Henry fand ich fantastisch) aber der ist mir in den letzten Jahren irgendwie unsympathisch geworden.

  2. Holger Nov 25, 2014

    Ich bin ein bisschen raus aus der Shooter-Multiplayer-Szene, aber CoD gilt heute als schnell? Ich habe erst letzte Woche nach Feierabend mal eine kleine LAN mit Kollegen gehabt – wir haben Quake 3 Arena gespielt – und scheiß-die-Wand-an, das Spiel ist schnell. Da spielt sich CoD ja eher wie ein Spaziergang im Park.

  3. Dominik Nov 25, 2014

    Mit schnell meinte ich weniger die Spielgeschwindigkeit (obwohl die schon schneller ist als z.B. in Halo), sondern, dass man schnell stirbt. Bei Quake steckt man wesentlich mehr ein, wenn es nicht gerade ein Headshot mit der Railgun ist, den man abbekommt. Aber ja, Quake… das waren noch Zeiten! Quake live ist übrigens auch ganz ordentlich!

  4. “Während man in den guten Filmen mit Kevin Spacey vergisst, dass man Kevin Spacey beim Schauspielern zuschaut, starrt ihr hier in die toten Augen einer Kunstfigur, von der ihr in keiner Sekunde vergesst, dass sie Kevin Spacey sein soll.”

    –> Erinnert mich voll an die Story des sehenswerten Films “The Congress” von Ari Folman, indem es um das Thema Zukunft und Avatare geht. Dort wird nämlich Robin Wright (Was ein Zufall, Mrs Underwood aus House of Cards!) von einer Zukunftstechnologie abgescannt um für kommende Filme benutzt zu werden, während die reale Wright sich zur Ruhe setzt.

    Vielleicht ist das mit Kevin Spacey schon in Echt passiert!?